Als uns Classic-Driver-Händler Movendi in Düsseldorf mit der Nachricht überraschte, auf der Rétromobile je einen Porsche 959, Bugatti EB110 GT und Ferrari F50 auszustellen, waren wir sofort ganz Ohr. Als dann noch das Angebot einer Sneak Preview kam, hatten wir das Flugticket für unseren Fotografen Rémi Dargegen fast noch vor Auflegen des Telefonhörers gebucht. Denn die drei Traumwagen erstrahlen – um das Bild abzurunden – auch noch in den Farben der französischen Trikolore. Ein Generationswechsel im Sammlermarkt hat junge Supercar-Klassiker wie diese längst ins grelle Scheinwerferlicht gerückt. Und da es inzwischen Menschen gibt, die sich den Traumwagen ihrer Teenagerzeit als Erwachsene tatsächlich leisten können, sind auch die Kurse durch die Decke geschossen.
Obwohl sie sich in punkto Design, Motorisierung und Gesamtkonzept stark unterscheiden, verbindet die drei Musketiere eine gemeinsame Philosophie: das ungezügelte Streben nach ultimativer Onroad-Performance. Es wundert nicht, dass diese Boliden ihren Platz an der Posterwand im Schlafzimmer einforderten, bei Autoquartetts ein sicherer Trumpf waren und auch in zahllosen Videospielen immer als Sieger durchs Ziel schossen. Es sind Kultautos aus einer Zeit, in der noch analoge Technik das Fahrerlebnis bereicherte und digitale Spaßbremser erst langsam Einzug hielten.
Die Geschichte des Bugatti EB110 ist oft genug erzählt worden – gleichwohl nötigt es noch immer einen Heidenrespekt ab, wie die legendäre Marke erst durch eine Reihe von Giugiaro-Studien und dann durch dieses Serienmodell wiederauferstehen konnte. Der Mann hinter der Renaissance war der wohlhabende italienische Unternehmer Romano Artioli, der eine auch architektonisch ultramoderne Fabrik in Campogalliano bei Modena errichtete und mit von Ferrari und Lamborghini abgeworbenen Mitarbeitern dort rund 150 Exemplare (darunter 84 „GTs“) des technologischen Überfliegers baute. Das Abenteuer dauerte an, bis der Geldfluss plötzlich auf spektakuläre Weise versiegte. Unter der gläsernen Motorabdeckung des Bugatti sitzt ein 550 PS starker V12 mit vier Turboladern und 60 Ventilen – in unserem Fotoauto mit Baujahr 1996 hat dieser gerade einmal 9.383 Kilometer abgespult. Gekoppelt an ein Allradsystem, ist das der Freifahrtschein für ein durch Mark und Bein gehendes Fahrerlebnis. Dreht man den Motor nicht höher als 5000 Touren pro Minute, benimmt sich das Kraftpaket erstaunlich gesittet und lädt sogar zum Cruisen ein – genau jener Jekyll und Hyde-Effekt, der Artioli vorgeschwebt hatte.
Ferraris Formel-1-Rennwagen für die Saison 1991, der 641, galt in Maranello als würdig genug, um seinen Motor als Mitgift für den neuen Supersportwagen F50 zu spenden. Als Nachfolger des aufgeladenen F40 war der Sauger von ganz anderem Naturell. Genau deshalb – und vielleicht auch wegen seines polarisierenden Designs – traten auch Kritiker auf den Plan. Am Ende verließen nur 349 Exemplare des Ferrari F50 die Fabrikhallen in Maranello. Damit ist der F50 seltener als ein Enzo. Doch erst in den letzten drei bis vier Jahren haben Sammler diese Seltenheit als Argument eingesetzt, den F50 zum ultimativen Supercar hochzustilisieren. Erst vor wenigen Wochen fand bei der Scottsdale-Auktion von RM Sotheby’s ein seltenes schwarzes Modell für sage und schreibe 3,135 Millionen US-Dollars inklusive Aufschlag einen neuen Besitzer. Mit seinem aus der Formel 1 abgeleiteten und direkt ans Kohlefaser-Chassis angeschraubten 520-PS-V12, dem aus der offenen Schaltkulisse herausragenden Schaltknüppel und der an den Motor angeflanschten Hinterradaufhängung steht der F50 für lupenreine Motorsport-Technologie nach guter alter Art. Denn ohne damals durchaus schon salonfähige Traktionshilfen wie ABS oder Traktionskontrolle ist der 1996 gebaute Ferrari F50 der wohl puristischste Vertreter des Trios. Daher Achtung: Denn wenn Sie sich zu lange in Rémis Detailfotos vertiefen, besteht unmittelbare Suchtgefahr.
Porsches 959 macht nur oberflächlich betrachtet einen etwas erdigeren Eindruck als die rollenden Raumschiffe aus Italien. Ist er doch schließlich der einzige Held des Trios, der als Gruppe B-Rennwagen konzipiert wurde. Einerseits ist der 450-PS-Dampfhammer auf 911er-Basis im Vergleich der alltagstauglichste und komfortabelste Vertreter – doch wehe, wenn er losgelassen. Denn viele heute als selbstverständlich geltende High-Tech-Bausteine hielten schon 1986 erstmals im 959 Einzug. Etwa ein Paket aus 13 Lamellen, das das Drehmoment voll variabel zwischen den Achsen verteilte, vier Fahrprogramme, Vierkanal-ABS, eine Reifendruckkontrolle, eine geschwindigkeitsabhängige Niveauregulierung, ein Fahrwerk mit zwei Feder/Dämpfer-Einheiten pro Rad oder eine sequenzielle Turboaufladung, bei der erst ab 4300/min der zweite Lader ins Rotieren kam. Neben 292 Serienmodellen entstanden noch 37 Vorserien-Autos, darunter Modelle für die Rallye Paris-Dakar und den Le Mans-Renner 961. Das hier gezeigte Auto in der Farbe Grand-Prix-Weiß mit 930er-Chassisnummer begann seine Karriere als Werkserprobungswagen und diente später – so Movendi – dem damals bei Audi tätigen Ex-Porsche-Entwicklungschef Ferdinand Piëch als Privatwagen. Der 959 mag dem Bugatti und Ferrari ein Jahrzehnt vorausgeeilt sein, doch steigt der zu seiner Zeit mit 317 km/h schnellste Wagen der Welt mit technokratischem Stolz in den Ring der Gladiatoren.
Am Ende erinnert uns dieser automobile TGV in den Farben der Trikolore daran, wie die drei legendären Marken einst auf eine sich rapide verändernde automobile Landschaft reagierten. Und nachdem sie die meiste Zeit ihres Lebens nur von ihnen geträumt haben, dürften die drei Musketiere nun jüngere Sammler in ihren Bann ziehen. Die Zukunft für junge Supersportwagen sieht also sehr rosig aus – und hier nun eröffnet sich die Chance, drei der glorreichsten Vertreter dieser hemmungslosen Epoche in einem Schwung zu kaufen. Also setzen Sie Ihre Oakley auf, füttern Sie den Minidisc-Player mit dem richtigen Soundtrack und starten Sie durch zur Rétromobile nach Paris.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2017