Hunderte von Enthusiasten, Händlern und Sammlern fanden sich gestern Abend im an der Pariser Place Vauban aufgebauten Auktionszelt von RM Sotheby’s ein. Dort wartete eine erlesene Kollektion von Sammlerautos auf sie – wie immer attraktiv angerichtet und der Kulisse mit dem im Hintergrund aufragenden Invalidendom angemessen.
Champagner-Stimmung
Die Stimmung war beschwingt und erwartungsfroh, zusätzlich angeheizt durch den kostenlosen Welcome-Champagner und die benachbarte Rétromobile als Startschuss zur europäischen Event-Saison. Am Ende hatte der europäische Geschäftsführer und Auktionator von Sotheby’s, Maarten ten Holder, 59 der 77 Lose erfolgreich weggehämmert. Macht eine solide Verkaufsrate von 77 Prozent – was dennoch elf Prozent hinter dem Ergebnis der jüngsten Arizona Sale zurückbleibt.
And the winner is...
Während ganz Allgemein vieles „beim Alten“ blieb, kristallisierten sich gleichwohl Trends heraus, die der Sammlerwelt für die nächsten Tage und Wochen genügend neuen Gesprächsstoff liefern. Da war zum einen das nach einem kleinen Wellental in Arizona neu erwachte Interesse an jüngeren Porsche und im Gegensatz dazu das eher maue Abschneiden der Konkurrenz aus Maranello. Als unbestrittene Stars des Abends gingen ein Porsche 993 Turbo Cabriolet von 1993 (nur eines von 14 Cabrios) und ein Turbo S 3.6 von 1994 (eines von nur 17 Exemplaren mit „S“-Paket) durchs Ziel. Bezahlt wurden 1,2 Millionen (1,344 Millionen inklusive Käuferzuschlag) beziehungsweise 805.000 (901,600 inklusive Käuferzuschlag) Euro, doch hört das Zuffenhausener Märchen hier noch längst nicht auf.
Läuft für Porsche
Denn der als Hommage an Steve McQueen gedachte 911R in „Slate Grey“ erreichte punktgenau seinen Schätzpreis, während der noch im Erstbesitz befindliche GT3 RS Baujahr 2004 seinen oberen Estimate um 100.000 übertraf und für bemerkenswerte 350.000 Euro wegging. Schade nur, dass diese Autos in der Regel nicht so intensiv genutzt werden, wie es ihrem Wesen entspräche. Trägt doch ein niedriger Kilometerstand entscheidend zum Werterhalt, ja zur Wertsteigerung bei. Eine spezielle Erwähnung gebührt auch noch jenem 911 GT3 RSR, der 2010 unter Bewerbung der BMS Scuderia Italia mit Bergmeister/Henzler/Dumas/Ragginger die 24 Stunden von Spa-Francorchamps gewann. Nach einem längeren Bieterstreit fand er schließlich für 420.000 Euro einen neuen Besitzer. Ein Betrag, der nicht nur 120.000 Euro über dem oberen Estimate, sondern auch deutlich über den Schätzwerten des weitaus exotischeren Ferrari F430 GTC lag.
Wechselnde Fortüne
Während also Porsche eine Nacht zum Feiern erlebte, herrschte bei Ferrari Katerstimmung. Die modernen und limitierten Supersportwagen der Roten – in den letzten zwölf Monate regelmäßig im Scheinwerferlicht – taten sich diesmal unerwartet schwer. Sowohl der gelbe 360 Challenge Stradale als auch die nur 635 Kilometer alte 550 Barchetta und der im Erstbesitz befindliche 430 Scuderia Spider 16M blieben alle unter ihren unteren Schätzwerten. Der 575 Superamerica, der F40 und der 599 GTO fanden sogar überhaupt keinen Abnehmer. Deutet das auf eine schwindende Attraktivität für rote Re-Sales hin oder ist es schlicht ein Fall von Marktübersättigung?
Keine Zigarren
Ebenfalls überraschend kam der Nichtverkauf des Porsche 917/10 Prototypen – das Höchstgebot von 3,9 Millionen lag noch zu weit vom unteren Schätzwert von 4,6 Millionen Euro entfernt. Das gleiche Schicksal teilten der Porsche 901 Cabriolet Prototyp und der Ex-Mille Miglia OSCA MT4 1500 – das Auto, mit dem wir am liebsten nach Hause gefahren wären. Der Schätzpreis von 850.000 bis eine Million Euro für den zuvor noch nie bei einer Auktion gezeigten Porsche erwies sich trotz der historischen Bedeutung des Autos als Vorläufer des Targa als viel zu hoch – die Gebote kamen nur vereinzelt und versandeten schließlich bei nur 560.000 Euro.
Schnäppchen gab es auch
Von den 59 verkauften Fahrzeugen blieben 25 – also 42 Prozent – unter den niedrigen Estimates. Weniger die Folge einer großen Zahl von Schnäppchen, sondern Indiz dafür, dass sich die Auktionshäuser weiter an die Erwartungen des Marktes anpassen müssen. Auch wenn die Estimates dem realen Bieterverhalten schon mehr entsprachen als noch zum Beispiel Mitte des letzten Jahres. Einer unserer Favoriten der Auktion wäre der für 110.000 Euro versteigerte Porsche 911 Carrera S in Martini Racing Edition gewesen. Das 2014 gebaute Modell ist nur eines von 80 und hatte bislang nur einen Besitzer sowie kaum Gelegenheit für ausgiebigen Auslauf. Aber auch der linksgelenkte „low-mileage“ Jaguar E-type Series 1 3.8 Roadster wäre mit 110.000 Euro – damit deutlich unter dem Estimate - ein lukratives Objekt gewesen. Bis auf die Farbe: Hier würden wir uns eine Umlackierung von Rot in Dunkelblau oder Grün gönnen.
Glaskugeln stehen bereit
Welche Schlussfolgerungen sind also aus der ersten von drei Auktionen der Rétromobile Woche zu ziehen? Zunächst, dass rare Porsche aus den 1990er-Jahren eine sich weiter öffnende Nische bilden. Dass Rot nicht die begehrteste Farbe für einen modernen und limitierten Ferrari ist, dass unbestrittene Klassiker wie der Alfa Romeo B P3 noch immer Multi-Millionen-Preise erzielen, aber der Rest - obgleich schon realistischer eingepreist als noch vor zwölf Monaten – noch immer über dem Niveau liegt, was recht, billig und fair wäre. Man muss sich fragen, für wieviel wohl ein Porsche 993 Turbo Cabriolet in fünf Jahren vom Hof geht – und ob der Applaus dann noch genauso begeistert ausfällt, wenn der Hammer fällt?
Wenn nicht anders kenntlich gemacht, handelt es sich bei allen genannten Preisen um Hammerpreise ohne Käuferzuschlag.
Fotos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2017