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Platzhirsche der Rennstrecke – Wir feiern 50 Jahre Jägermeister Racing

Platzhirsche der Rennstrecke – Wir feiern 50 Jahre Jägermeister Racing

Im Frühjahr 1972 platzierte Jägermeister erstmals sein Logo mit dem Hirsch auf einem Rennwagen. In den folgenden drei Jahrzehnten sollten die Jägermeister-Autos orangefarbene Ikonen werden – Platzhirsche bei Rallyes, in der DTM und Formel 1. Jetzt wird der Rennstall seinen 50. Geburtstag feiern.

1972 – Jägermeister Racing dreht erstmals am Rad

Im 20. Jahrhundert gab es kaum eine Dekade, die nicht mit revolutionärem Geist die etablierte Ordnung herausforderte. Wissenschaftliche Durchbrüche, militärische Konflikte oder schlicht der Wandel der Einstellungen führten zu sozialen Umbrüchen, die Normen liberalisierten, bestimmte Gruppen emanzipierten und – statistisch betrachtet – das Leben der Allgemeinheit verbesserten. Jede Dekade brachte etwas Neues. Die Abendröte der Aristokratie. Das Ende der Rassentrennung. Die Frauenrechtsbewegung und die Vorstellung, dass Männer lange Haare, einen Schnurrbart, Koteletten und bis zum Nabel aufgeknöpfte Hemden tragen konnten – und dennoch attraktiv wirkten.

Vor allem in den siebziger Jahren tat sich einiges. Die Ölkrise erfasste die Welt. Der Krieg in Vietnam wurde beendet. Volkswagen debütierte mit der ersten Generation des Golf GTI. Ein US-Präsident trat in einer Fernsehübertragung zurück. Ein polnischer Kardinal wurde zum Papst gewählt und die Gründer von Apple bastelten in einer kalifornischen Garage. Noch bevor sich diese Ereignisse entfalteten konnten, reiste Eckhard Schimpf im Jahr 1971 nach Wolfenbüttel, um seinen Vetter Günter zu treffen. Jener Cousin war auch der Chef der Destillerie Mast – dort wurde ein damals relativ unbekannter Kräuterlikör mit Namens Jägermeister hergestellt.

Zu diesem Zeitpunkt war Ecki – wie seine Freunde ihn nannten – beinahe ein Jahrzehnt als Rallye- und Rennwagenfahrer unterwegs, aber aufgrund der Etatbeschränkungen meist als Beifahrer und nur bei Motorsport-Veranstaltungen, die Fahrern erlaubten, die Plätze zu tauschen. Rennen in den unterschiedlichsten Fahrzeugen zu fahren – je nachdem, wer ihm gerade gestattete, hinters Lenkrad zu schlüpfen –, hatte zur Folge, dass er keines wirklich beherrschen konnte. Eckhard Schimpf fand, dass die Zeit nun reif war, endlich vernünftiges Sponsoring zu finden, um entweder die Dinge richtig ins Rollen zu bringen oder ganz mit dem Motorsport aufzuhören.

Damals wurde in Deutschland auch diskutiert, ob Unternehmen Fußballvereine finanziell unterstützen dürfen – ein Tabubruch –, gerade als Günter Mast und Jägermeister in den Sport als Sponsor von Eintracht Braunschweig einstiegen. Die Spieler des Bundesligaclubs sollten von 1973 an mit dem Hirschlogo auf ihren Jerseys auflaufen. Ecki überlegte, dass man dieselbe Strategie auch bei Rennwagen anwenden könnte. „Gebt mir einfach etwas Geld, um in der Rallye Monte Carlo zu fahren und ich beklebe mein Auto mit Jägermeister-Sticker“, sagte er. Sein Cousin, dem das große Marketingpotenzial im Sportsponsoring einleuchtete, willigte ein.

Wir drehen an der Zeitschraube und es ist der 21. Januar 1972. Eckhard Schimpf steht in einem neuen dunkelgrünen Porsche 914/6 auf der Startlinie der „Monte“. Leider konnte er die Rallye nicht beenden und Günter Mast war unglücklich. Nicht, weil das Fahrzeug ausschied, sondern wegen der Farbe. Sie war kein optischer Kracher und erreichte damit nicht die für Werbung wesentliche Aufmerksamkeit. Da tauchte zum Glück eine andere Inspirationsquelle auf: Der orangefarbene Streifen, der auf jede Jägermeisterflasche geklebt wird. Das Auto wurde in einer neuen Stallfarbe lackiert, die in den folgenden Jahren den Status einer Ikone gewann. Ein Budget für zukünftiges Motorsport-Engagement wurde ebenfalls aufgestellt.

 

Zwei Monate später, am 16. April 1972, sollte der zweimalige Formel 1-Weltmeister Graham Hill in einen Brabham Ford BT 36 (später ein BT 38) in Jägermeisterfarben einsteigen, um in der Formel 2 anzutreten. Der Vertrag? 170.000 D-Mark für die Saison 1972. Das waren 130.000 Mark weniger als die Summe, die im selben Jahr für ein auf „Jägermeister“ umgetauftes Rennpferd ausgegeben wurde. Hill meinte dazu lapidar: „Ich habe nur zwei Beine und ich vermute doch, dass das Pferd vier davon hat.“ 

Eine ikonische Farbe, die Marketing übertraf

Der Motorsport heute ist natürlich ganz anders als vor 50 Jahren. Man musste beispielsweise nicht eine gezielte Fahrerentwicklung durchlaufen, die vom Karting zur Formel 2 reichte und einem erst als Klassenprimus erlaubte, in der Formel 1 zu fahren. Einige der besten Piloten damals traten in der F2 genauso an wie in der F1 und Tourenwagen. Sie nahmen an Sprints teil, an Langstreckenrennen und Rallyes und gingen sogar noch einem bürgerlichen Beruf nach wie Jägermeisterfahrer Manfred Trinkt, der Flugzeugpilot war und die Zeit am Boden für Rennen nutzte.

Da weit weniger Geld im Sport investiert war, konnten große Unternehmen keine Vertragsrestriktionen diktieren, um ihr Engagement zu schützen. Jägermeisters Sponsoring-Konzept war durchaus innovativ, obwohl damals auch ein italienischer Alkoholproduzent in eine ähnliche Richtung dachte. Aber da Rennen kaum im Fernsehen übertragen wurden und das Internet noch erfunden war, ergab es für Marken auch keinen Sinn, zu viel Geld auszugeben. Anders ausgedrückt: Es gab einfach nicht die finanziellen Mittel, um nach unseren heutigen Vorstellungen ein richtiges Rennteam auszustatten.

Ecki verfügte zwar über einen Etat, der auch künftig erhöht werden sollte, aber trotzdem war der Betrag so winzig, dass er ihn umsichtig verteilen musste. Das bedeutete, dass der Auftritt der orangefarbenen Autos, die entweder gekauft oder gemietet und dann umlackiert waren, nur auf wichtige Rene oder Serien zu beschränken. Über die Jahre würde das Unternehmen mit vielen Teams vereinbaren, dass sie die orangefarbenen Rennwagen bauen, warten und starten lassen – für eine ganze Saison oder tatsächlich nur für ein paar Rennen. 

Dasselbe galt für bestimmte Fahrer, was aber nur möglich war, weil der Motorsport im Gegensatz zu heute weit weniger formalisiert war. Viele Arrangements wurden übers Telefon getroffen oder durch einen kurzen Austausch von Briefen. Schimpf verdiente keinen Cent in seiner Rolle als Kopf des Ganzen. Für ihn war allein das erreichte Ziel, selbst Rennen fahren zu können, Lohn genug. Stattdessen arbeitete er nebenher als Motorjournalist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. 

Vor diesem Hintergrund war es wenig überraschend, dass in den siebziger Jahren ein Alpina-Jägermeister BMW CSL als Sprungbrett in die Scuderia Ferrari für einen gewissen Niki Lauda fungierte. Und, dass ab 1972 Ecki auch bemüht war, ambitionierte Privatteams wie Willi Bergmeister in seinem NSU TT oder Ernst Maring, der die Autos, die er fuhr auch selbst baute, zu unterstützen. Ecki sponserte auch Frauen, die anderen den Weg in den Motorsport ebneten: Rallyefahrerin Susanne Kottulinsky oder Formel V-Pilotin Ines Muhle, Exzentriker wie Frank Gardner, der mit einem Chevy Camaro in der Deutschen Rennsport Meisterschaft debütierte, oder Dieter Bohnhorst, der seinen rennbereiten De Tomaso Pantera mit dem vertrauten Hirsch zierte.

Weil es in den unkomplizierteren Siebzigern an der Tagesordnung war, dass Fahrzeuge und Stallfarben sich änderten, wechselten auch die Fahrer hinter dem Steuer von Jägermeisterikonen wie dem Porsche 917/10, den Gruppe 5-BMW 320, dem Formel 1-March und allen entweder von einem Saugmotor oder einem Turbo angetriebenen Zuffenhausener Monstern wie RSR, 934 oder 935 Turbo. Die Liste liest sich heute wie ein Who-is-Who mit Namen wie Vic Elford, Hans-Joachim Stuck, Manfred Schurti, Jacky Ickx, Rolf Stommelen, Derek Bell und James Hunt.

Mit der Zeit gehen

Die achtziger Jahre feierten den Exzess. Offshore-Rennboote und weiße Ferrari in Miami. Skater mit einem Sony Walkman, die Marty McFly nacheiferten. Der Kabelmusikkanal MTV sorgte ab 1981 für Furore und veränderte nachhaltig die Popkultur. Amerika verlor den Kampf gegen die Drogen und Menschen verloren ihren Verstand und fanden Schnurrbärte und Vokuhilas schön. Und das sind nur ein paar Erinnerungsfetzen aus den wilden Achtzigern. Im Motorsport hingegen drehte sich alles um die Bodeneffektfahrzeuge der Gruppe C.

Vor dieser technischen Revolution kooperierte Jägermeister mit Teams wie March, Alpina, Faltz, Max Moritz Porsche, GS Racing mit BMW wie dem M1 Procar und Fahrer Kurt König und zum Ende der Dekade Kremer. Bob Wollek fuhr wie ein Derwisch in den Ikonen K3 und K4. Aber nun stand das Unterfangen Gruppe C an und Klaus Ludwig am Steuer eines wenig wettkampftauglichen Ford C100 unter der Zakspeed-Flagge. Das Auto war so schlecht, dass man für ein halbes Jahr in 1982 zum legendären Turbo Capri zurückkehrte, um zu untersuchen, was mit dem Fahrzeug los war. Der C100 erwies sich als unrettbar vermurkst, aber wenigstens die Capri fuhren ordentliche Ergebnisse ein. In 1983 kehrten sie sogar zur DRM zurück – natürlich in orange.

Dann tauchte ein Schnurrbartträger mit Namen Walter Brun auf. Er hatte ein Team geführt, das wie kaum ein anderes die Exzesse der Achtziger verkörperte. Fabrikneue Trucks, Zelte mit festen, harten Böden, eigens von Top-Restaurants eingeflogenes Catering für VIP-Gäste und bis zu fünf Rennwagen – Porsche 956 und später 962 –, die von einer 120-köpfigen Crew umsorgt wurden. Brun, der überbordend lebte und Geld ausgab, reiste beispielsweise mit Ehefrau und Freundin zu Hotels, wo er „ein sehr breites Bett“ bestellte. Er wollte dem aufstrebenden Motorsportstar Stefan Bellof  bis zu 30.000 Mark pro Rennen bezahlen. Es waren harte Verhandlungen für Ecki.

Zum Glück erkannte Jägermeister das Potenzial von Team Brun – Bellof, Stuck, Larrauri, Boutsen, Bell und der künftige F1-Star Gerhard Berger waren alle unter der Signalfarbe Orange vereint. Der Etat wurde wieder erhöht und es folgte Erfolg um Erfolg. Die Brun-Porsche gewannen 1986 die Sportwagen-Weltmeisterschaft noch vor Werksteams Jaguar, Nissan und Mercedes. Wen wundert, dass die Partnerschaft der beiden Unternehmen noch bis zum Ende des Jahrzehnts währen sollte, als Brun zur Formel 1 wechselte. Eine Entscheidung, die ihn leider in den Ruin führte.

Jäger-Tonic

In 1989 fiel die Berliner Mauer und die Welt berauschte sich an der Vision eines globalen, neoliberalen Paradieses. „Das Ende der Geschichte“ war greifbar, wie es der Historiker Fukuyama berühmt-berüchtigt formulierte. Nichts hielt mehr Wirtschaftswachstum und Globalisierung auf. Auch bei Jägermeister kam diese Trendwende an, während sich neue Märkte – auch in Deutschland selbst – eröffneten. In den neunziger Jahren erlebte auch Eckis Budget einen Aufschwung – über eine Million Mark pro Saison, wobei der Betrag im Vergleich zu anderen Teams eher bescheiden blieb. Der Song „All that she wants“ von Ace of Base röhrte aus jedem Radio, wie ein Soundtrack zu Jägermeisters nächstem Schritt hinein in die Welt der DTM. Während die Gruppe C von der FIA zu Tode reguliert wurde, ging der Stern der DTM auf: Technologisch innovativ, ein Spektakel für Zuschauer und gespickt mit Werksteams. Audi, Alfa Romeo, BMW, Mercedes-Benz und Opel befehdeten sich dicht an dicht in Rennen mit gut 40 Fahrzeugen und zogen das Publikum in ihren Bann. Da wollte Ecki dabei sein.

Zunächst wurde ein Deal mit Opel abgeschlossen, die mit dem nicht ganz überzeugenden V6 Omega an den Start gingen. Dann wechselte die Hirschmarke zu BMW mit dem Team Lindner, da sie nicht die Mittel hatten, um Schnitzer mit einem Budget von 600.000 Mark zu sponsern, 400.000 Mark unter dem Standard von 1991. Zum Glück boten Fahrer wie Armin Hahne und der frühere Motorrad-Champion Wayne Gardner bei jedem Rennen eine gute Show und in Wolfenbüttel war man sehr zufrieden.

Allerdings gehörten die 1990er den Allrad-betriebenen Alfa 155 TI 2,5-Liter mit V6, die bei brüllenden 11.800 U/min ihre ganze Power ausschöpften. Der talentierte Michael Bartels war der Vertragsfahrer, der rasch in seinem orangefarbenen Rennwagen zum Publikumsliebling avancierte. Sogar in Finnland. Dort prangte der Begriff „Jäger-Tonic“ auf der Motorhaube da ein landesweites Verbot der Alkoholwerbung galt.

Doch mit jedem Jahr wurde die DTM teurer und teurer, gleichzeitig wurden die Autos immer komplizierter und damit anfälliger. Die Serie wurde schließlich international und nannte sich nun ITC. Rennen fanden in fernen Ländern wie Japan statt, wo der Name Jägermeister völlig unbekannt war. Weil man keine Lösung fand, um mit den notwendigen Budgets auskommen zu können, nahm das Unternehmen eine Auszeit. Erst in 1997, dann 1999, bevor man sich zum Ende des Jahrtausends in 2000 komplett von allen Motorsport-Verpflichtungen zurückzog.

Zwischendrin gab es allerdings doch noch Stippvisiten bei anderen Rennserien wie beispielsweise eine Saison in der STW mit Christian Menzel und Prinz Leopold von Bayern in einem BMW E36 320i und als sich die DTM schließlich in 2000 neu erfand, mit einem Opel Astra V8 und dem Franzosen Eric Hélary am Steuer. Obwohl der Fabrikant Mast selbst gemeinsam mit seinen Marketingetat gewachsen war, wurde eines immer deutlicher: Um im 21. Jahrhundert im Rennsport zu bestehen, musste man sich uneingeschränkt verpflichten oder es lieber ganz sein lassen. Jägermeister sah sich leider außer Stande, Millionen in einen – relativ gesehen – Nischensport zu wollen.

Eckhard Schimpf verstand nicht nur diese Entscheidung, vielleicht hat er sie sogar begrüßt. Schließlich war er 62 Jahre alt und hatte sich vom aktiven Motorsport zurückgezogen. Man sollte nicht vergessen, dass er gut drei Jahrzehnte Repräsentant des Teams war, einfach, weil es ihm Vergnügen bereitete. Es ist ihm, seinen Cousins und all den anderen Heroen, die ihr Leben riskierten, um schnell zu fahren, zu verdanken, dass wir überhaupt diese Geschichte erzählen können. Und wir behaupten können, dass orangefarbene Autos tatsächlich schneller als die anderen sind. 

Fotos: Bildagentur Kräling / Mast-Jägermeister-Archiv

Die neue Marke Rennmeister, die von Jägermeister und Classic Drivers Kreativagentur CD Works geschaffen wurde, taucht die Ikonen von Jägermeister Racing in ein völlig neues Licht. Folgen Sie @Rennmeister72 auf Instagram, wenn Sie neugierig auf orangefarbene Verlockungen und Jubiläumsfeiern sind.