Der perfekte Porsche 911? Bisher eine schwierige Wahl. Für die kleine aber zahlungskräftige Turbo-Fraktion dürfte das Ergebnis zwar recht klar ausfallen. Der Saugmotor-Flügel stand dagegen bisher zwischen den Stühlen: Die zahlreichen Carrera-Varianten erschienen im Vergleich etwas brav, GT3 und GT3 RS dann doch zu heftig und die limitierten Superstars Sport Classic und Speedster schlicht unbezahlbar. Mit dem neuen Porsche 911 Carrera GTS haben die Zuffenhausener Ingenieure seit Ende 2010 ein weiteres Nischenmodell im Programm, auf das sich kurz vor Ende der Baureihe alle Carreristi einigen könnten: Der Heckantrieb stammt aus dem Carrera S, die verbreiterte Karosserie ist vom Carrera 4S bekannt, die lackierten 19-Zöller mit Zentralverschluss sind eigentlich den Turbo-Kunden vorbehalten, das stramme Sportfahrwerk erinnert an den GT3 und der 408 PS starke 3,8 Liter Boxermotor mit modifizierter Resonanz-Sauganlage sorgt sonst nur im 250.000 Euro teuren Speedster für Schub. Obwohl der Nachfolger der 997er-Reihe in den Startlöchern steht, dürfte sich das schwäbische Best-of-Modell verkaufen wie geschnittene Butterbrezeln.
Erste Erkenntnis: Porsche hat es perfektioniert, aus vorhandenen Zutaten immer neue Gerichte zu kochen. Selbst Apple kann bei dieser ausgeklügelten Wertschöpfungsstrategie kaum mithalten. Dass die Produkte dennoch glaubwürdig erscheinen, liegt auch an der reichen Historie, auf die man in Zuffenhausen zurückgreifen kann. Beim GTS ist es nicht nur der Name, der auf die Markentradition verweist, sondern auch das Technik-Layout. Heckantrieb, eine breite Karosserie, ein besonders leistungsstarker Sauger – das sind die Grundelemente des Mythos 911. Und für viele Porsche-Jünger bis heute das Maß der Dinge. Aber wird das Nischenmodell den Erwartungen gerecht? Classic-Driver-Autor Jo Clahsen hat bereits im November das manuell geschaltete GTS Coupé in der südkalifornischen Wüste getestet – wir entscheiden uns mit Blick auf die Wetterkarte für das GTS Cabriolet mit Siebengang-PDK-Getriebe und die südbadische Weinregion zwischen Schwarzwald und Kaiserstuhl, sozusagen das deutsche Kalifornien.
Mit dunkelgrauem Metallic-Lack, schwarzem Verdeck und passendem schwarzem Glattleder-Interieur ist unser Testwagen ein Exot im Tarnmodus. Die um 44 Millimeter breitere Carrera-4-Karosserie lässt das Cabrio zwar auch im Stand muskulöser erscheinen, dürfte – ähnlich wie die Sport-Design-Bugverkleidung – aber nur Kennern ins Auge fallen. Ein Hingucker sind dagegen die schwarz lackierten 19-Zoll-RS-Spyder-Räder mit Zentralverschluss und glanzgedrehtem Felgenhorn, hinter denen die roten Bremssättel hervorlugen. Zum Start dreht man ganz klassisch den Zündschlüssel und greift in ein minimalistisches Dreispeichen-Sportlenkrad mit Schaltwippen, um den Hecktriebler auf Kurs zu bringen. Der 3,8 Liter Motor, bekannt aus dem Carrera S, wurde um 23 PS auf 408 PS Leistung gebürstet. Dank sechs statt nur einer mit Unterdruck gesteuerter Klappen, die in der Resonanz-Sauganlage zugunsten von Leistung oder Drehmoment umschalten, erreicht der GTS sein maximales Drehmoment von 420 Nm schon bei 4.200/min – ziemlich genau 200 Umdrehungen früher als beim Carrera S. Eine Sportabgasanlage mit zwei Doppelendrohren lässt den Leistungszuwachs auch beim Blick auf die Heckpartie erahnen und reicht auf Knopfdruck auch schon bei niedrigen Drehzahlen den passenden Sound.
Wie macht sich das Sportpaket also auf der Straße bemerkbar? Aus dem Stand beschleunigt der GTS in 4,2 Sekunden auf Tempo 100, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 306 km/h. Eindrucksvolle Werte, sicherlich, doch das Konzept zielt nicht primär auf bessere Fahrwerte, sondern eine rundum sportlichere Fahrdynamik. Mit dem auf Wunsch erhältlichen Sport-Chrono-Plus-Paket lassen sich die Fahrwerkseinstellungen zwischen den Modi „Normal“, „Sport“ und „Sport Plus“ variieren. Auch die Gasannahme und Schaltcharakteristik des Doppelkupplungsgetriebe PDK verändert sich je nach Einstellung. Im Normalmodus stand dabei für die Ingenieure ganz offensichtlich die Verbrauchsoptimierung im Vordergrund: Die Automatik schaltet derart ambitioniert nach oben, dass man sich im Stadtverkehr mitunter sorgt, den Motor abzuwürgen. Dafür verbraucht der Sechszylinder im Durchschnitt nur 10,3 Liter, auf der Autobahn kommen wir im Test sogar mit neun Litern aus.
Wer Sportlichkeit wünscht, kommt aber um die Sport-Taste nicht herum. Ein Druck – und Motor wie Fahrwerk verändern spürbar die Tonalität. Ab 4.000 Umdrehungen erwacht der Boxer im Heck dann richtig zum Leben. Gerade auf kurvigen Straßen schiebt der Heckantrieb kraftvoll nach vorn und verlangt dem Fahrer einen gefühlvollen Gasfuß und ein zügiges Spiel mit den Schaltpaddels ab – hier wäre die manuelle Sechsgang-Schaltung mitunter präziser zu bedienen. Wer das echte Elfer-Feeling sucht, findet es auch heute noch im ultrapräzisen Spiel von Gas, Bremse, Kupplung und Schaltknüppel, das die Zuffenhausener Technik auf so unvergleichliche Weise ermöglicht. Bei der Beschleunigung auf der Geraden – und vor allem bei eingeschaltetem Sport-Plus-Modus – kommt freilich die Fähigkeit des Doppelkupplungsgetriebes heraus, in Millisekunden und praktisch ohne Zugkraftunterbrechung durch die Gänge zu knipsen. Man sollte vor der Bestellung also gut überlegen, wie man den GTS einzusetzen plant – und Getriebe wie Fahrwerk entsprechend bedacht auswählen.
Mindestens 115.050 Euro muss man für das Porsche 911 Carrera GTS Cabrio auf den Tisch legen – und wie immer bei Porsche führt kaum ein Weg an der attraktiven Optionsliste vorbei. Wir empfehlen, sowohl die Schalt-, als auch die PDK-Version für einen Tag ausgiebig zu testen. Den Sport Classic gab es ausschließlich mit Handschaltung, den Speedster nur mit Doppelkupplung – beim GTS haben Sie ihr fahrdynamisches Schicksal dagegen selbst in der Hand. Und ob der neueste Hecktriebler zum perfekten 911er wird, hängt schließlich auch von den individuellen Bedürfnissen ab.
Text & Fotos: Jan Baedeker