Wäre dieser Bentley ein Wein, er wäre wohl ein schwerer Bordeaux.
Wäre der Bentley Continental GT Speed Convertible mit seinem bollernden W12-Motor und den breiten Backen ein Wein, er wäre wohl ein schwerer Bordeaux. Doch die großen Franzosen verlangen am nächsten Morgen oft ihren Tribut und als Journalist sollte man zumindest während der Arbeit einen klaren Kopf behalten. So haben wir das neueste britische Super-Cabriolet nicht nach Frankreich, sondern in den sonnenverwöhnten Südwesten Deutschlands gelenkt, den Kenner für seine leichten Weissweine schätzen.
Beschleunigen wie eine Riva auf schäumender See
Wie eine Insel erhebt sich der Kaiserstuhl – ein vulkanisches Mittelgebirge, westlich von Freiburg und an der Grenze zum Elsaß gelegen – vor uns aus der Rheinebene, durch die wir in unserem kaschmirfarbenen Bentley gleiten. Hoch- oder übermotorisierte Cabriolets hat mittlerweile ja jeder große Hersteller im Programm, doch der offene Bentley Continental ist auch nach zahlreichen Produktionen und Reisen immer wieder ein Erlebnis. Besonders beeindruckt uns stets das tiefe Blubbern des W12, das bei leichtem Tritt in die Pedalerie zu einem sturzbachhaften Donnern anschwillt (beim neuen Speed-Modell haben die Akustiker aus Crewe noch ein paar Dezibel nachgelegt) und der beim Beschleunigen aufsteigende Bug, der mehr an eine Riva in schäumender See als an einen 625 PS starken und 325 km/h schnellen Supersportwagen erinnert.
Links Silvaner, rechts Grauer Burgunder - eine Fahrt durch sattgrüne Reben
Von milder Sommerluft umweht, gleiten wir so über sanft geschwungene Straßen und durch sattgrüne Reben. Vom typisch badischen Müller-Thurgau und Silvaner über Grauen und Weißen Burgunder bis hin zum Gewürztraminer wachsen auf den Terrassen zahlreiche Rebsorten. In fast jeder der kleinen Ortschaften zwischen den Weinbergen findet sich eine Winzergenossenschaft – doch es gibt auch Winzer, die sich einem individuellen Stil verschrieben haben. Bekannt sind Freiherr von Gleichenstein, Dr. Heger, Professor Blankenhorn oder auch Fritz Keller, der in Oberbergen nicht nur das Sterne-Restaurant „Schwarzer Adler“, sondern auch das exklusive Weingut seines Vaters Franz Keller führt. Schonender Anbau und eine strenge Qualitätspolitik haben die Weine weit über die Grenzen der Region bekannt gemacht und neben exzellenten Weiß- und Grauburgundern findet man auch einige sehr gute Rotweine in Fritz Kellers Katakomben. Beruhig lesen wir im Datenblatt zu unserem Bentley, dass der Kofferraum ein Volumen von 260 Liter fassen soll – und gehen im spektakulären Weingutsneubau auf Einkaufstour.
Kann man einen Bentley herausschmecken?
Ins Konzept der Nachhaltigkeit, das im Kaiserstühler Weinbau praktiziert wird, passt anfänglichen Bedenken zum Trotz auch der Speed-Bentley – denn immerhin genehmigt er sich ganze 15 Prozent weniger Benzin als der durstige Vorgänger. Dank Allradantrieb gelangt man derweil auch zu den abgelegensten Weingütern, selbst bei der Weinleser wäre er einsetzbar. Und sollte es zwischen Achkarrer Schlossberg und Ihringer Winklerberg doch einmal regnen, schützt ein dreilagiges Stoffverdeck, das selbst einem Monsun standhalten sollte. Nur eine Frage können wir nicht beantworten: Wenn manche Winzer ihren Wein mit Mozart in Stimmung bringen, müsste man nicht später auch unseren Zwölfzylinder-Tremolo aus dem 2013er Grauburgunger „Bassgeige“ von Frank Keller herausschmecken können?
Fotos: Jan Baedeker