Ein goldener Hauch umgibt die Worte Grand Touring. Sie erinnern an die sechziger Jahre und an ausgedehnte Reisen mit dem Auto an die Cote d`Azur, um dann mondän Sonne und la dolce vita Schulter an Schulter mit dem Jetset zu genießen. Aber für so einen Road Trip sollte natürlich auch das Fahrzeug stilvoll gewählt sein. Selbstverständlich liegt man mit einem Ferrari oder Aston Martin an der Riviera nie verkehrt, aber wer in dieser verwöhnten Atmosphäre als Connaisseur auffallen möchte, sollte sich unbedingt für einen Lancia Flaminia oder Facel Vega entscheiden.
True Blue
Dieses fantastische Duo in den Farben des Meeres und des Himmels wird derzeit vom Classic Driver-Händler Pendine Historic Cars angeboten, dessen Showroom sich übrigens im Bicester Heritage-Zentrum in Oxfordshire in der Gebläsehalle eines früheren britischen Fliegerhorsts befindet. Der Facel Vega Facel II wurde 1963 gebaut und ist einer von nur 27 gebauten Rechtslenker-Exemplaren, der Lancia Flaminia von 1965 zählt zu den besten 3C GTL, die auf dem Markt sind.
Der kürzere, kraftvollere Flaminia GTL besitzt einen zierlichen Leichtbaukörper, dessen schlichtes Design auf jegliche Schnörkel verzichtet. Auf den ersten Blick sieht er sogar eher wie ein Cabrio mit aufgesetztem Hardtop aus. Das einzige Merkmal, das nicht so recht passen will, ist die Anordnung der vier schmalen Frontscheinwerfer, obwohl das damals sehr in Mode war, wie beispielsweise am Ferrari 330GT und Bentley S3 Continental. „Dieser Lancia ist das elegante Äquivalent eines 2+2 Jaguar E-type”, sagt Pendines Gründer James Mitchell. Das Exemplar wurde 1965, im letzten Produktionsjahr, gebaut und 2010 unfassend restauriert, wie man am makellosen Lack und den passgenauen Fugen sehen kann.
Leichtfüßig und agil
Nicht weniger aufwändig und prachtvoll ist der Innenraum: großzügige, einladende Ledersitze, eine ausgezeichnete Rundumsicht und ein fast aufrechtes Dreispeichenlenkrad, das einen Blick auf die beidseitigen Anzeigen erlaubt. Der Lancia fährt sich fast wie von selbst, denn Lenkung und Schaltung sind agil und sprechen sofort an. Das Fahrzeug ist leichtfüßig, „geradezu wie ein Ballett-Tänzer” schwärmt Mitchell. Der V6 mit drei Vergasern und 140 PS ist ideal auf das entspannte Fahrvergnügen abgestimmt. In Fahrberichten aus der Epoche kann man nachlesen, dass dieser Lancia mühelos mit 160 Stundenkilometern dahin gleiten kann. Also keine Problem beim Sprint zwischen Cannes und Cap Ferrat.
Zuhaus im Jet Set
Verglichen mit der Grazie und subtilen Schönheit des Lancia präsentiert sich der Facel Vega mit einer ganz anderen Charakteristik. Die eckige Karosserie ist ausladend, lang und tief, inspiriert von der Ästhetik des Jet Age der sechziger Jahre. Die Verglasung des großzügigen Innenraums lässt viel Licht herein und dennoch ist komfortabel Platz für vier Erwachsene. Auch die Schalthebel wurden vom Raumfahrt-Look inspiriert.
Das Coupé ist extravagant, glamourös und geradezu unverschämt selbstbewusst. Ein Auftritt, der durch die Originalfarbe „Iridescent Facel Blue” noch weiter betont wird. „Er atmet Stilbewusstsein aus jeder Pore”, findet Mitchell. „Für mich ist der Facel das französische Äquivalent zum Bristol, nur viel eleganter.” Man versteht, weshalb Pablo Picasso, Frank Sinatra und Grace von Monaco dieses Modell unwiderstehlich fanden.
Kluge Wahl
Hier wurde Schönheit mit brachialer Kraft vermählt, denn der Achtzylinder von Chrysler entwickelt 355 PS und bietet damit eine unvergleichliche Performance. „Es gibt kaum ein Fahrzeug aus dieser Epoche, das es damit aufnehmen kann,” sagt Mitchell. Außerdem kann man dieses typische amerikanische V8-Blubbern genießen.
„Diese beiden Grand Tourer auszuwählen, ist nicht unbedingt naheliegend, aber dafür klug,” kommentiert Mitchell. „Der Lancia zählt zu den letzten Karosserien von Touring Superleggera, die man für unter 100.000 Pfund kaufen kann. Eine gute Investition, nicht zuletzt, weil er auch so schön ist. Der Facel Vega ist seltener und sieht besser aus, als ein Aston Martin DB5, kostet aber nur ein Drittel davon.” Will man für den Trip an die Riviera wirklich noch einen Ferrari oder Aston Martin? Wir sind uns da jetzt nicht mehr so sicher. Sie haben die Qual der Wahl, Gentlemen!
Photos by Amy Shore for Classic Driver © 2016