Für jeden wahren Porsche-Fan ist ein Besuch bei den im Bicester Heritage Center beheimateten Spezialisten von Sports Purpose immer ein aufregender Moment. Ob nun die Autos im Ausstellungsraum oder jene, die sorgfältig unter ihren Planen verstaut sind – jedes Modell ist speziell und hat eine faszinierende Geschichte. Heute sind wir wegen eines Porsche 718 RSK hier, der ruhig im Showroom steht, gleichwohl nicht für lange…
James Turner öffnet uns die Türen und wir schieben das Auto vorsichtig nach draußen, um es aufzuwärmen. Der 718 RSK erwacht zum Leben, sein Motor klingt nach einem langen harten Winter absolut fantastisch und allein schon den Sound eines solch besonderen Wagens zu hören, ist ein Zeichen dafür, dass sich die Dinge endlich ein wenig positiver gestalten. Während dieses Warm-ups gesellt sich der Berater Philip Basil zu uns – er hat profunde Kenntnisse über dieses Fahrzeug und kann mir helfen, tiefer in seine spannende Vergangenheit einzutauchen.
Chassis 718-004 ist Baujahr 1958 und gehört zur zweiten Serie der Werkswagen. Als Evolution des 550A RS entstanden über einen Zeitraum von drei Jahren 34 Exemplare – 24 für Privatteams und zehn Werksautos. Letztere unterlagen fortwährender Weiterentwicklung, besonders deutlich zu sehen an der zur Aufnahme des Reserverads verlängerter Bugpartie, wobei die Oberfläche der Fronthaube für ein komplexes Ölkühlsystem genutzt wurde.
Das im Mai 1958 fertiggestellte Modell wurde gleich in die 24 Stunden von Le Mans desselben Jahres geschickt. Richard von Frankenberg und der französische Rallyechampion Claude Storez haderten früh mit Motorenproblemen, ehe sie in der neunten Stunde bei unterirdischen Wetterverhältnissen von einem Ferrari in einen Erdwall gedrängt und zur Aufgabe gezwungen wurden. Beim nächsten Start, dem Bergrennen Freiburg-Schauinsland, lief es nicht besser. Vorjahressieger Edgar Barth musste nach einem Abflug, bei der er das Auto vorne links derangierte, aufgeben.
Die Reparatur nahm das Werk zum Anlass, anstelle des komplizierten Haubensystems einen Ölkühler im Burg zu installieren und diese Lösung gleich auch für die Kundenfahrzeuge des Jahres 1959 zu übernehmen. 1958 tauchte 718-004 noch mit dem holländischen Grafen Carel Godin de Beaufort auf der Berliner Avus und mit Porsches Rennleiter und PR-Chef Huschke von Hanstein beim Flugplatzrennen Innsbruck auf. Seine Werkskarriere endete mit einem Test am Nürburgring mit Jean Behra am Steuer.
Anfang 1959 wurde 718-004 an Anton von Dory, Porsches Generalimporteur für Argentinien und talentierter Herrenfahrer, verkauft. Der setzte das Auto sogleich bei den 12 Stunden von Sebring ein, zusammen mit seinem Bruder Pedro und dem argentinischen Formel-1-Fahrer Roberto Mieres. Doch schon nach zwei Stunden kam das Aus mit Motorschaden. Weitaus besser lief es einen Monat später beim ersten Rennen auf dem neu eröffneten Daytona Speedway. Anton von Dory und Mieres siegten beim 1000-km-Rennen, dem Vorläufer des späteren 24-Stunden-Rennens, mit einer Runde Vorsprung auf einen weiteren RSK und einen Jaguar D-type.
Von Dorys letzter Einsatz im 718-004, diesmal wieder mit seinem Bruder, ging bei den 1000 km von Buenos Aires über die Bühne. Neben dem Ziel, wieder gut abzuschneiden, trat er dort mit einem zweiten Motiv an...
Philip klärt uns auf: „Von Dory hatte es geschafft, im Auftrag von Porsche den berühmten Cisitalia Typ 360 Grand Prix-Rennwagen aus der Sammlung des Staatspräsidenten General Peron loszueisen. Allerdings sah er keine Möglichkeit, das Auto von Argentinien zurück nach Deutschland zu exportieren. Daher nutzte er die Transportkiste und die Dokumente, mit denen er 718-004 für das 1000-km-Rennen nach Argentinien importiert hatte, um solcherart getarnt den Cisitalia zurück nach Stuttgart zu bringen, wo er bis heute im Porsche Museum zu bestaunen ist.”
Nach einem Einsatz beim GP von Kuba 1960 gelangte der Porsche nach Portugal. Der neue Besitzer, Daniel de Magalhaes, setzte den 718 RSK allein viermal beim GP von Angola und bei nationalen Rennen in Portugal ein. 1964 verkaufte er ihn, ohne Unterstützung durch Werksmechaniker zunehmend frustriert vom notorisch defektanfälligen Viernockenwellen-Motor, an Landsmann Carlos Faustino, der ihn noch bis 1967 an den Start brachte.
Wenn man das Auto im untergehenden Sonnenlicht betrachtet, fällt es schwer sich vorzustellen, wie es gewesen sein muss, als es 1978 ohne Motor und mit einigen Karosserieteilen aus Glasfaser noch in Portugal wiederentdeckt wurde. Nach einer Station in Frankreich kaufte Peter Kaus, Besitzer der zu besten Zeiten über 250 Wagen starken Rosso Bianco Collection in Aschaffenburg, den Porsche. 2006 musste die Sammlung schließen, worauf das Louwman Museum in Den Haag eine große Zahl von Autos, darunter auch den 718-004 erwarb. Jedoch blieb dieser weiter in einem halb restaurierten und nicht fahrbaren Zustand.
Drei Jahre später erhielt dieses silberne Stück Motorsportgeschichte endlich die ihm gebührende Aufmerksamkeit – dank Albert Westerman aus Lichtenvoorde in Holland, der das Auto in seine große Porsche-Sammlung aufnahm und sich daransetzte, den RSK wieder auf seinen Neuzustand zu bringen. Mit Hilfe sorgfältig ausgesuchter Spezialisten aus Deutschland wurde die Restaurierung 2013 abgeschlossen – wie 1958 mit im Bug installiertem Ölkühler. Seitdem tauchte der Porsche sporadisch bei großen Classic Events auf –unter anderem 2019 beim Goodwood Revival, wo er an der Parade zur Tourist Trophy von 1959 teilnahm.
Für die Goodwood Speedweek des Jahres 2020 erhielt das Auto eine Einladung für eine Parade aus Anlass des ersten Le Mans-Gesamtsieges von Porsche im Jahr 1970. Sport Purpose Direktor James Turner genoss das Privileg, 718-004 an diesem Wochenende zu pilotieren. „Ins Cockpit zu steigen und auf dem bei Werkswagen üblichen roten Kunstledersitz Platz zu nehmen, war wie in die Fußstapfen von Giganten zu treten. Man ist sich immer der Verantwortung bewusst, wenn man ein Auto wie dieses bewegt”, betont James.
Er fährt fort: „In den schnellen Biegungen von Goodwood hatte ich während der High-Speed-Demo kein Problem, mit dem 917-Siegerwagen von Le Mans 1970 und dem 3.0 RSR mitzuhalten. Man kann sich ohne Zweifel gut vorstellen, mit diesem Auto komfortabel und mit viel Vertrauen ein Rennen zu fahren.”
Während George Williams seine letzten Fotos schießt, ist die Sonne untergegangen und noch immer scheint der Porsche 718 RSK zu glühen, fängt noch das letzte Licht ein, um es von seiner betörend patinierten Karosserie reflektieren zu lassen. Während wir ihn in den Sports Purpose Showroom zurückschieben, kann ich mir nur ausmalen, wie es wohl wäre, so einen Porsche zu fahren. Doch ich ahne, wie mühelos es sein würde, dieses Leichtgewicht über meine Lieblingsstraßen zu lenken.
Autos dieses Kalibers öffnen die Türen zu den bedeutendsten Motorsport Events der Welt. Und wer das glorreiche Singen des 718 RSK hört, dürfte schon davon träumen, an einigen teilzunehmen. Er sollte nur nicht überrascht sein, wenn sich sein Terminkalender sehr schnell mit Einladungen füllen wird!
Fotos: GF Williams © 2021