Wie artige Kinder stehen die Männer um ihre Weihnachtsgabe versammelt. Was ist das für ein seltsames Treffen?
Hockenheimring im Winter 1969: Schnee bedeckt Asphalt und Tribüne. Dort sitzt niemand. Und statt eines hohen Tannenbaums gibt es einen flachen Rennwagen. Der aber ist ein richtiger Kracher, manche sagen sogar: eine wilde Sau. Den 908/02 Spyder. Mit diesem rauen Boliden will Porsche nun endlich in Le Mans triumphieren. Schnell ist er, jedoch mit Sicherheit nicht wintertauglich. Und doch hat sich eine Schar fröhlich fröstelnder Männer um den weißen Keil versammelt. Wie artige Kinder stehen sie um ihre Weihnachtsgabe versammelt. Die Hände in den Taschen vergraben, die Kragen hochgeschlagen. Manch einer die Pletschkapp auf dem Kopf, sich des Schneetreibens erwehrend. Was ist das für ein seltsames Treffen?
Tatsächlich lautet die Parole des heutigen Tagen nicht Bescherung, sondern Pressekonferenz. Auftaktpressekonferenz, um genau zu sein. Und die Herren sind nicht irgendwelche Statisten, sondern eine stattliche Auswahl der Rennfahrer-Elite jener Epoche. Wir stellen vor - von links nach rechts: Gerhard Mitter, Hans Herrmann, Jo Siffert, Rolf Stommelen, Rico Steinemann, Kurt Ahrens, Udo Schütz, Brian Redman, Richard Attwood, Gerard Larrousse, Pauli Toivonen und Björn Waldegaard.
Eine außergewöhnliche Besetzung
Wichtigster Mann an diesem 8. Januar war aus Sicht der Porsche Rennleitung klar der Schweizer Fahrer Jo Siffert. Schließlich wollte auch Enzo Ferrari ihn unter Vertrag nehmen. Doch Siffert wollte nicht und richtete an die Adresse von Maranello eine Forderung von 50.000 Pfund, die Commendatore Ferrari glatt ausschlug. So landete er bei Porsche. Auch Brian Redman gesellte sich in die illustre Runde. Ein Jahr zuvor noch verunglückte er im Grand Prix von Belgien 1968 in einem Formel 1-Cooper. Redmans Karriere hatte trotz diesem Alibi einen Riss, denn seine Verletzungen verurteilten ihn zu einer halbjährigen Zwangspause. John Wyer machte Brian für 1969 wieder ein Angebot, deshalb überlegte Redman eine Weile, ob er für Wyer oder Porsche fahren sollte. Während Redman zögerte, trat Porsche an Dick Attwood heran, der den Vertrag postwendend unterschrieb. Wenig später entschied sich auch Redman: »Porsche bedeutet für mich mehr Geld«. Ein weiterer Fahrer soll erwähnt werden: Gerhard Mitter. Er galt als ehrgeizigster Pilot. Das drückte sich schon im Fahrstil aus, der hart und zackig war.
Alles anders als geplant
Doch am Ende ging die Geschichte, die hier ihren Anfang nahm ganz anders als geplant aus. Im Rampenlicht stand letztlich der deutsche Fahrer Hans Herrmann. Denn er lieferte sich 1969 in Le Mans das packende Überholduell mit Jacky Ickx, der wiederum in einem Ford GT40 startete. Herrmann erinnert sich: „Eineinhalb Stunden überholten wir uns pro Runde mehrmals gegenseitig. Am Ende gewann er mit 1,5 Sekunden Vorsprung. Nach 24 Stunden Vollast im absoluten Grenzbereich.“ Für Porsche war Le Mans damit nicht beendet. Im Gegenteil: Der Ehrgeiz für die kommende Saison war größer als noch zuvor. Man startete 1970 im Porsche 917 Kurzheck. Das Auto war ausgezeichnet präpariert und erwies sich schon zuvor als zuverlässig. Doch die Zuversicht änderte sich rasch. Warum? Wieder berichtet Hans Herrmann: „Das Wetter war damals eine ungeheure Katastrophe. Wenigstens traf es alle Teams gleichermaßen. Richard Attwood und ich wollten es aber unbedingt wissen. Am Ende gelang uns tatsächlich der Coup – wir gewannen auf Startnummer 23 das Gesamtklassement. Der erste Gesamtsieg für Porsche!“ Gut Ding will eben Weile haben. Und wir wissen jetzt, dass alles mit einer illustren Aufstellung am verschneiten Hockenheimring begann. Und das ist doch eine schöne Wintergeschichte.