Direkt zum Inhalt

Der Alfa Romeo SZ ist eine postmoderne Ikone Mailänder Designkultur

Der Alfa Romeo SZ ist eine postmoderne Ikone Mailänder Designkultur

Man kann den 100. Geburtstag von Zagato nicht feiern, ohne noch einmal die Geschichte des Alfa Romeo SZ zu erzählen – einem der kontroversesten Autos der Carrozzeria, der heute als Designikone gilt.

Wenn es ein Auto gibt, das den postmodernen Design-Ethos von Ettore Sottsass und der Memphis Group von den Gallerien und avantgardistischen Wohnzimmern auf die Straßen von Mailand gebracht hat, dann ist es der Alfa Romeo SZ. Zwischen 1989 und 1991 von den beiden legendären Mailänder Marken Alfa Romeo und Zagato gebaut, war das limitierte Sechszylinder-Sportcoupé die ultimative automobile Synthese der ephemeren, asymmetrischen und oftmals höchst eigenwilligen Formensprache, die in den 1980er Jahren die Ästhetik der italienischen Design-, Möbel-, und Modeindustrie bestimmt hatte. Und während die Karosserieform des Alfa Romeo SZ durchaus kritisch diskutiert wurde – sein Spitzname war schon bald „Il mostro“, das Monster –, war das Coupé doch ein äußerst vielseitiger Grand Tourer, der auch auf der Rennstrecke nicht enttäuschte. Mittlerweile ist der ungewöhnliche Alfa ein gesuchtes Sammlerauto und ein Stammgast bei den Jubiläumsfeierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Zagato in aller Welt.

Als wir uns vor einigen Monaten Gedanken zu machen begannen, wie wir den runden Geburtstag der Carrozzeria am besten redaktionell begleiten konnten, fiel uns ein Gespräch ein, das wir mit unserem Freund, dem Mailänder Modeunternehmer und Autosammler Guglielmo Miani geführt hatten. Er hatte uns damals erzählt, dass es nicht rechtens sei, wenn ein „Car Guy“ aus Mailand keinen Alfa Romeo besäße – und dass er seinem Tischler dessen kaum benutzten SZ abkaufen wolle. Einige WhatsApp-Nachrichten und Voicemails später saßen wir auch schon auf dem Beifahrersitz, während Guglielmos seinen neu erstandenen „Sport Zagato“ im Slalom durch den Nachmittagsverkehr auf der Autostrada kurvte und wir uns unserer Fotolocation näherten. 

Die Industrielandschaften im Norden von Mailand flogen an unserem Fenster vorbei. Wir passierten die Fabrik von Alfa Romeo in Arese, wo das Projekt „ES-30“ einst seinen Anfang genommen hatte – und Augenblicke später schon die Werkshallen von Zagato in Terrazzo di Rho, wo der Alfa Romeo SZ schließlich gebaut worden war. Man kann viel lesen über die italienische Automobilgeschichte, aber erst wenn man die Schauplätze einmal selbst besucht hat, erschließen sich die Zusammenhänge. Denn Alfa Romeo und Zagato standen sich nicht nur philosophisch nahe – wie es uns Andrea Zagato bei einem Interview in diesem Jahr nochmals verdeutlicht hat –, sie waren tatsächlich Nachbarn. Und die Designer konnten jederzeit auf einen kurzen Besuch in der Fabrik oder der Carrozzeria vorbeischauen, um bei einem Kaffee die neuesten Ideen zu besprechen. 

Mitte der 1980er Jahre hatte Alfa Romeo viel von seinem einstigen Glanz eingebüsst. Nach der Übernahme durch Fiat im Jahr 1996 entstand die Idee, das sportliche Erbe der Mailänder Marke und die traditionelle Zusammenarbeit mit Zagato wieder aufleben zu lassen. Inspiriert von den kompakten aber höchst kompetitiven Alfa Romeo Giulietta Sprint Zagato aus den späten 1950er und frühen 1960er Jahren, begann die Planung für ein puristisches Sportcoupé. Und auch wenn das Charakterdesign des Alfa Romeo rückblickend wirkt, als wäre der Gestalter von einer postmodernen Muse geküsst worden und hätte den Keil anschließend mit schnellen Strichen zu Papier gebracht, dauerte der Entwicklungsprozess doch 19 Monate. Der Ball wurde dabei hin- und hergespielt zwischen Robert Opron – dem Vater des Citroën SM und Co-Direktor des Centro Stile von Fiat –, dem hauseigenen Designteam von Alfa Romeo unter der Leitung von Walter da Silva und Alberto Bertelli sowie der Carrozzeria Zagato, die für die Fertigung der Kleinserie verantwortlich war. 

Als Basis für den Alfa Romeo SZ diente die Architektur des Alfa Romeo 75 mit seinem Transaxle-Getriebe. Für die nötige Leistung sorgte eine modifizierte Version von Giuseppe Bussos Dreiliter-V6-Motor, die statt der üblichen 170 PS ganze 210 PS stemmte – und mit ihrem rauen Bellen eine neue Tonart im braven Modellprogramm von Alfa Romeo anschlug. Um den Wagen möglichst leicht und puristisch zu halten – er brachte letztlich nur 1,25 Tonnen auf die Waage – wurde auf alle elektrischen Stabilitäts- und Traktionskontrollen verzichtet. Entsprechend anspruchsvoll war das Handling. Hinzu kam, dass der „Wunderkeil“ im Windkanal auf einen möglichst geringen Luftwiderstand und „Ground Effect“ im Stil der Formel 1 hin getrimmt worden war. Auf trockenem Asphalt ließ sich der Alfa Romeo SZ folglich wie ein Rennwagen bewegen – die Kurvensteifigkeit verblüffte selbst erfahrene Piloten.

Bedenkt man den konsequenten Entwicklungsansatz ist es faszinieren, dass Alfa Romeo nicht nur stolze 1.036 Coupés fertigten und verkauften, sondern „Il Mostro“ auch eine sündhaft teure Roadster-Version folgen ließen: Der Alfa Romeo RZ wurde zwischen 1992 und 1994 nochmals 284 Mal gebaut und wurde zu einem Postersportwagen der „Generation Super Mario“. Während man den Roadster in verschiedenen Farben bestellen konnte, war das Coupé nur in einer Version erhältlich: Rot lackiert, mit dunkelgrauem Dach und cognacfarbenem Leder. Einzige Ausnahme war der schwarz-schwarze Alfa SZ, den Andrea Zagato für sich selbst bauen ließ. Natürlich konnten wir es nicht lassen, dem Erben und CEO der Carrozzeria ein Statement zu entlocken.

„Wenn man in den frühen 1990er Jahren mit einem Alfa Romeo SZ durch Mailand fuhr, musste man damit Leben, dass der Verkehr um einen herum praktisch zum erliegen kam – vor allem, wenn das Auto schwarz lackiert und auch innen schwarz ausgestattet war“, erinnert sich Andrea Zagato.“Die Grundidee hinter dem Alfa Romeo SZ war es ja gewesen, ein cooles Auto mit genügend Gepäckraum zu entwickeln, das – passend zur Philosophie von Alfa Romeo – nicht zu leistungsstark, dafür aber exzellent ausbalanciert und im Handling überlegen war. So war und ist der SZ bis heute ein Auto, das man bei jeder Gelegenheit fahren kann. Er ist ein echter Gran Turismo. Man kann ihn jeden Tag auf der Straße bewegen, aber auch ohne große Veränderungen auch auf der Rennstrecke einsetzen. Und seine Designsprache und der minimalistische Ansatz sind derzeit wieder voll im Trend.“

Schließlich erreichen wir unser Tagesziel: Die Fabrik der italienischen Möbelmarke UniFor in Turate, einem kleinen Ort zwischen Mailand und Como. Entworfen vom vielseitigen modernistischen Architekten Angelo Mangiarotti und in den 1970er Jahren gebaut, ist die Modellfabrik ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für die zentrale Rolle, die eine avantgardistische Designkultur und kreative Umsetzung neuer Fertigungsmethoden für den Wirtschaftsboom der italienischen Nachkriegszeit hatten. Es wäre ein interessantes Projekt, all jenen historischen Verbindungslinien und Inspirationspfaden nachzuspüren, die Automobilmarken wie Alfa Romeo, Fiat und Zagato mit Möbel- und Designfirmen wie UniFor oder Molteni einst verbanden — Marken aus dem Großraum Mailands, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu globaler Berühmtheit fanden und dabei mit den talentiertesten Gestaltern Italiens arbeiten. 

Als Ausnahmearchitekt, Designer und Bildhauer hatte Angelo Mangiarotti nicht nur die revolutionäre Fabrik von UniFor entwickelt, die auf vorgefertigten und fragil erscheinenden, aber höchst stabilen Betonmodulen basierte – er entwarf auch einige der ersten Möbel, die in den Hallen gefertigt wurden. Tritt man einige Schritte zurück, kann man Mangiarottis Arbeit auch im Kontext jener zeitgenössischen Automobildesigner sehen, die in den 1960er Jahren bei Alfa Romeo und Zagato mit neuen Produktionsmethoden und Materialien experimentierten. Spannt man den Bogen etwas weiter, so ist auch der postmoderne Alfa Romeo SZ ein Kind dieser innovativen und experimentierfreudigen norditalienischen Designkultur.

Noch einmal werfen wir einen Blick auf die kantige Glasfaserkarosserie und die seltsamen Proportionen – und plötzlich ergibt alles Sinn: Dieser Traum, etwas höchst funktionales, aber ästhetisch neues zu entwerfen zieht sich wie ein roter Faden durch die italienische Designgeschichte und verbindet die Nachkriegsjahre mit ihrem Funktionalismus und ihren klassischen Proportionsidealen mit den spielerischen Formexperimenten der 1980er und 1990er Jahre. Wie unser Freund Guglielmo zurecht wiederholte, nachdem er ein letztes Mal an seiner Zigarette gezogen hatte und ins Auto gestiegen war: „Ein Typ aus Mailand muss einfach einen Alfa besitzen – und dieser hier ist nunmal die spannendste Maschine, die in dieser Stadt in den letzten Jahrzehnten gebaut wurde.“ Und schon sind wir wieder auf der Autostrada, zurück ins Herz dieses brodelnden kreativen Getüms namens Mailand. 

Photos: Andrea Klainguti for Classic Driver © 2019

You can find some fine examples of the Alfa Romeo SZ for sale in the Classic Driver Market.