„Mit „YVH 210” Rennen bestritten zu haben, war eine der unterhaltsamsten Phasen in meinem Leben und kam eigentlich nur zustande, weil ich Anfang 1963 in Snetterton bei einem Crash meines D-Type ganze Arbeit geleistet hatte”, erinnert sich Peter Sutcliffe, der Mann, der sich als Privatfahrer mit seinen Jaguar-Rennwagen in den späten fünfziger und sechziger Jahren einen Namen gemacht hatte. Im Auftreten verkörpert er das Urbild des britischen Gentleman Driver: Keck und humorvoll und dabei leidenschaftlich - ein enorm angenehmer Zeitgenosse.
Wir sind mit Peter in seinem charmanten Haus in den malerischen Cotswolds verabredet, um den Erinnerungen an den fantastischen E-Type Lightweight nachzuspüren, mit dem er mit großem Erfolg 1963 und 1964 sowohl in Europa wie auch bei der attraktiven südafrikanischen Springbok-Serie unterwegs war. Jetzt kehrt der Lightweight nach Goodwood zum Revival Meeting zurück, jenem Rennkurs auf dem der Jaguar zu seiner Zeit erfolgreich war, ehe er in seine zweite Karriere im historischen Motorsport startete.
Dieses Exemplar ist eines von jenem sagenumwobenen Dutzend Lightweights, die von Jaguar gebaut wurden, um gegen Ferraris starken 250 GTO und Aston Martins federleichtem, von Zagato entworfenen DB4GT zu konkurrieren. Der Rennwagen war wegen seiner Karosserie sowie seines Motors aus Aluminium rund 115 Kilo leichter als der serienmäßige E-Type. Um weiter Gewicht zu sparen, verzichtete man im Interieur auf die üblichen Annehmlichkeiten und Außen auf die Chrom-Applikationen.
Nachdem er eine ganze Reihe von beachtlichen Resultaten auf Clubebene mit „XKD 504”, seinem 1961 gekauften berühmten ehemaligen Werks- und Ecurie Ecosse-D-Type, einfuhr, wurde Jaguars Motorsportchef Lofty England auf Sutcliffe aufmerksam. Nach jenem Crash in Snetterton 1963, bei dem er sich laut Zeugen spektakulär nach vorne überschlug, stand Sutcliffe ohne Auto da. Aber England bot ihm dafür einen dieser aufregenden neuen E-Type Lightweights an.
„Ich war zwar zur traditionellen Saisoneröffnung beim Easter Meeting in Goodwood angemeldet, konnte aber nicht starten, weil ich kein Auto hatte”, erzählt Sutcliffe. „Ich schlenderte im Paddock herum, als ich plötzlich den Eindruck hatte, eine Wolke hätte die Sonne verdüstert. Es war Lofty England, der sich vor mir auftürmte. Er fragte mich: Sutcliffe, möchtest du einen unserer neuen leichten E-Types? Als freier Fahrer ohne Team schlägst du so ein Angebot von nicht aus. Also sagte ich vielen Dank und drei Monate später war mein Auto bereit.”
Lackiert in jenem zurückhaltenden Dunkelgrün, das zu Sutcliffes Markenzeichen auch bei späteren Rennwagen avancierte, erhielt der extrem schlanke Jaguar das Kennzeichen „YVH 210”. Durch die erfreulichen Umstände von Sutcliffes Beziehung mit Works wurde dieser Lightweight im Laufe des zweijährigen Verhältnisses regelmäßig durch das Werk gewartet und subtil optimiert. Ein Arrangement, von dem wohl alle bestens profitierten.
Weil der Rennwagen schon sehr früh so vielversprechend war, entschloss sich Sutcliffe, sein starkes Engagement im Textilunternehmen der Familie zu beenden und sich nun mit vollem Eifer der Rennfahrerei zu widmen.
Und so reisten Sutcliffe, sein Jaguar, ein liebevoll „Ada” getaufter Transporter zusammen mit dem talentierten Mechaniker und engen Freund John Pearson kreuz und quer im Motorsport-Zirkus, um sich an den besten in diesem Business zu messen. „Ich hatte eigentlich mit meiner Zeit nicht anderes zu tun, als das Auto am Laufen zu halten, mein Mechaniker John in Lauerstellung und viele, viele Portionen Fish´n´Chips.”
So begannen zwei mit regelmäßig erfolgreich absolvierten Rennen bepackte Jahre. Egal ob auf klassischen europäischen Rennstrecken wie Goodwood, Reims oder Spa-Francorchamps oder bei der Springbok Series in Südafrika: Sutcliffe holte sich zahllose wichtige Resultate und schließlich einen Klassensieg und Platzierung als Gesamtzweiter bei den Kyalami 9 Hours und als Krönung den Sieg 1964 beim Prix de Paris in Montlhéry. Als Beispiel seiner Fahrkunst konnte Sutcliffe eine Meute von Ferrari 250 GT, Porsche 904 abwehren sowie einen Lotus, der von einem gewissen jungen schottischen Piloten namens Jackie Stewart pilotiert wurde.
„Es war ein schierer Genuss, den E-Type zu fahren”, schwelgt Sutcliffe während er einen Stoß historischer Fotos seiner Karriere hinterm Steuer durchblättert. „Es war ein durch und durch auf den Fahrer zugeschnittener Rennwagen - sehr komfortabel, viel Platz und er blieb immer berechenbar. Der Jaguar fühlte sich aus sicher an, ein Gefühl, das von einem Lotus eher nicht vermittelt wird.”
Dieser Eindruck wurde auf die Probe gestellt, als die Shelby Cobra von Tommy Hitchcock beim 1.000-Kilometer-Rennen am Nürburgring außer Kontrolle geriet und bei hohem Tempo in seine Breitseite knallte. „Ich kollidierte mit einem Stein und der Wagen überschlug sich - Ich erinnere mich noch, dass ich über Kopf sah, wie Graham Hill in seinem Ferrari an mir vorbei fuhr!”
Kaum überraschend, dass seine Erinnerungen an eine Zeit, die vielen als die goldene Ära der Langstreckenrennen gilt, Rivalen auch als verschworene Gemeinschaft beschreiben, die zusammen von einer Rennstrecke zur nächsten zogen, vor allem innerhalb der südafrikanischen Serie. „Es ging natürlich um das Preisgeld, aber die Geselligkeit kam nie zu kurz”, sagt er. „Ich sah nicht ein, dass ich tagsüber alles gab, um abends schon um 20 Uhr im Bett zu liegen. Wir hatten einen Grad an Kameradschaft, der heute im Motorsport längst nicht mehr vorhanden ist.”
Beim Goodwood Revival an diesem Wochenende wird „YVH 210”, für den kürzlich Classic Driver-Händler Girardo & Co. einen neuen Eigner fand, als zweimaliger Sieger beim wichtigsten Rennen, der Royal Automobile Club TT Celebration, wieder antreten und dabei auf alte Freundfeinde treffen wie die Ferrari 250 GTO, Aston Martin DB4GT und Shelby Cobra. Als i-Tüpfelchen zur Rückkehr wurde der Rennwagen von John Pearsons Sohn Gary vorbereitet, selbst ein anerkannter Jaguar-Experte und ein ausgesprochen versierter Fahrer im historischen Motorsport.
Das Auto strotzte nur so vor Tatendrang, als wir bei den Pearsons zu letzten Tests in ihrer herrlichen Werkstatt in Oxfordshire waren - eine Schatzkammer angefüllt mit bedeutenden Exemplaren der Marke Jaguar. Man vergisst womöglich leicht, wie gut das Design des E-Type gelöst worden war. Vor allem dieses Auto mit seinen ausgeprägt gewölbten Radkästen am Heck, ein Upgrade des Werks, übertrumpft seine Stallgefährten. Übrigens teilt sich als schöne historische Volte „YVH 210” einen Platz in der Werkstatt mit „XKD 504” - Sutcliffes geliebtem alten D-Type, der ebenfalls von Pearson betreut wird.
Im Januar 1965 trennte sich Sutcliffe schweren Herzens von seinem Jaguar und bot ihn im Magazin „Autoport” an. Er fuhr trotzdem weiter Rennen, allerdings am Steuer eines Ferrari 250 GTO, den er von David Piper gekauft hatte. Später war er auch noch auf einem Ford GT40 unterwegs. Und natürlich waren beide in jenem charakteristischen dunklen Grün lackiert wie einst der E-Type.
Im Jahr 1967 holte ihn Enzo Ferrari, um den rassigen 330 P4 in Le Mans und Brands Hatch zu fahren. Ein Jahr später wurde ihm eine Vollzeit-Werksvertrag angeboten, aber zu jenem Zeitpunkt hatte Sutcliffe genug und wollte nach Südafrika, das Land mit dem er die schönsten Erinnerungen verband, ziehen. „Ich fand, es war wieder an der Zeit, zu arbeiten. Ich hatte gerade eine verdammt gute Zeit und damit wusste ich, dass es Zeit war, aufzuhören. Für mich war das alles ein riesiger Spaß gewesen, ich hatte ordentlich Erfolg gehabt und ich konnte auch noch aufhören, ohne einen Kratzer erlitten zu haben. Das kann man von fast allen Fahrern, mit denen ich ein Auto geteilt hatte, nicht behaupten.”
Natürlich liegen ihm die Raubkatzen aus Coventry ganz besonders am Herzen, allen voran dieser E-Type. „Mit Jaguar begann die beste Periode in meinem Leben. Es hat mir großen Antrieb gegeben, dass Lofty England und William Lyons mir einen ihrer Rennwagen anvertrauten. Sie schenkten mir diese wunderbare Plattform, damit ich diese vergleichsweise bescheidene Rennkarriere verwirklichen durfte.”
Was wird er empfinden, wenn „YVH 210” beim Goodwood Revival zum Start rollt? „Ich liebe es, wenn Dinge einfach weiter bestehen und nicht sterben”, sagt er abschließend. „Diese Autos wurden für einen Zweck gebaut, nämlich so schnell wie möglich und so lange wie möglich zu fahren. Es ist wunderbar zu sehen, dass sie ihnen das heute immer noch gelingt.” Lassen Sie sich an diesem Wochenende den aufreizenden Hüftschwung dieses Jaguar E-Type nicht entgehen, wenn er leichtfüßig beansprucht, diese Trophäe in Goodwood zu erringen.
Fotos: Robert Cooper/Peter Aylward für Classic Driver © 2019