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Dieser Volvo C303 Laplander ist das coolste Pistenshuttle der Alpen

Dieser Volvo C303 Laplander ist das coolste Pistenshuttle der Alpen

Rustikale Geländewagen mit hohem Coolness-Faktor haben nicht nur Mercedes-Benz, Land Rover oder Hummer gebaut – auch in Schweden wurde im letzten Jahrhundert ein Kasten mit 4x4-Technik gebaut. Wir trafen den legendären Volvo C303 Laplander in St. Moritz.

Von rustikalen Geländefahrzeugen geht seit jeher eine magische Anziehungskraft aus. Je sachlicher gestaltet, desto überzeugender. Je robuster gebaut, desto leistungsfähiger. Neben bewährten Allradpuristen wie Mercedes G und Unimog, Land Rover Defender oder Hummer H1 gibt es auch im Volvo-Stammbaum einen Geländewagen, der die Bezeichnung „Nutzfahrzeug“ geradezu in Reinkultur verkörpert: den Volvo Laplander, auch bekannt als „Lappländer“. Ein Kastenwagen, gebaut für solide Fortbewegung jenseits der Piste. Zwar wurde seine Produktion 1981 eingestellt, weltweit sollen jedoch auch heute noch Laplander erfolgreich ihren Dienst verrichten. Unter Kennern genießt der Allrad-Volvo unlängst Kultstatus. Classic Driver ist dem schwedischen Waldexoten in winterliches Revier gefolgt.

Durch Schnee, Eis, Felsen, Geröll, Sand oder Schlamm

Arbeitstiere wie den Laplander traf man zu Lebzeiten dort an, wo sie gebraucht wurden: Beim Militär, bei der Forstwirtschaft, auf dem Bau, als Rettungswagen oder als Räumfahrzeug. Sie galten als überaus zuverlässige, geräumige Transportmittel für nahezu jeden Untergrund. Ob Schnee, Eis, Felsen, Geröll, Sand oder Schlamm – der Laplander arbeitete sich durch jedes Terrain und konnte dabei sogar Steigungen von bis zu 60 Prozent sowie Seitenneigungen von 40 Prozent überrollen. Seine diversen Einsätze reichten bis zum Tauchgang – mit einem Laplander-Amphibienfahrzeug, das für den Vortrieb im Wasser eine ausklappbare Schraube besaß. Im Jahr 1982, also bereits nach Produktionsende, traten zwei „Sport“-Laplander bei der Rallye Dakar an. Im nächsten Jahr gewann sogar ein Laplander das 10.000-Kilometer-Rennen in der LKW-Klasse bis 10 Tonnen.

Vom Militär zum Pistenshuttle

Wer heutzutage einen zivilen Laplander besitzt, schont ihn meist lieber, denn das Angebot an gut erhaltenden Fahrzeugen ist rar. Und doch gibt es heute noch Exemplare, die im privaten Bereich täglich ihren Dienst verrichten. Classic Driver spürte ein Exemplar der seltenen C303-Serie in den Straßen von Sankt Moritz auf. Hans-Jörg Zingg, Geschäftsführer des Bergrestaurants el paradiso „close to heaven“ auf dem Südhang Piz Nair, nahm den frisch restaurierten Volvo C303 Laplander „Lappi“ kürzlich in den Firmenfuhrpark auf. Gemeinsam mit el paradiso-Chefkoch Jens Bochow nutzt er den Allrad-Transporter täglich für den Wareneinkauf und als Shuttle-Fahrzeug für seine Gäste. Und das ist chic, werden Sie sich fragen? Absolut! Denn gerade im Engadin, wo Luxusfahrzeuge aller Art das Straßenbild bestimmen, sehnt man sich nach Kontrasten. Die Rückbesinnung zur Einfachheit brachte in St. Moritz bereits vor Jahren mit dem Fiat Panda ein Kultobjekt hervor. Natürlich mit Allradantrieb 4x4, denn auf zuverlässige Fortbewegung wird in der Schweizer Kommune großen Wert gelegt.

Gebaut für's Gelände

Die Geschichte von allradgetriebenen Geländefahrzeugen der Marke Volvo reicht bis ins Jahr 1937 zurück. Damals erteilte die schwedische Armee Volvo den Auftrag, einen mittelschweren, geländegängigen Lastwagen zu bauen. Volvo entwickelte daraufhin einen dreiachsigen LKW mit der Bezeichnung TVA bzw. TVB. Der erste 4x4-Personenwagen (TVP) mit zwei Achsen entstand 1943 und mit ihm die Idee, auch zivile Versionen in Serie zu fertigen. Doch erst ein erneuter Auftrag der schwedischen Armee Ende der 50er Jahre war die Geburtsstunde des Volvo Laplander, der 1961 in Serie ging. Chefkonstrukteur Nils-Magnus Hartelius, alias „Mans“, baute gemäß der Anforderungen einen Geländewagen, der bis zu acht Personen befördern konnte und sehr gute Fahreigenschaften im Gelände bot. Obwohl zur damaligen Zeit lange Motorhauben im Trend waren, entwarf Hartelius mit beachtlicher Konsequenz einen Frontlenker im Kastenformat. Dies bedeutete viel Platz im Innenraum bei vergleichsweise kompakten Außenmaßen sowie optimale Sicht bei Geländefahrten.

Vor der Serienfertigung durchliefen eine Reihe von Erprobungsfahrzeugen teilweise spektakuläre Testprogramme. Darunter eine Fahrt vom Nordkap bis nach Südafrika, um die Fähigkeiten des Laplander sowohl bei Eis und Schnee, als auch in der trockenen Steppe und im feucht-warmen Dschungel zu testen. Nach bestandener Prüfungen startete die Serienproduktion des Typs L3314, der mit 68 PS etwas stärker ausfiel als die Vorserie mit 60 PS. Mit der Serienproduktion entstanden auch allerlei zivile Versionen des Laplander: Bauunternehmer, Stromversorger, Feuerwehren und Straßenmeistereien setzten mit Vorliebe das schwedische Arbeitstier ein. Die Nachfrage nach dem Laplander reichte vom Mittleren Osten, über Europa bis in die USA.

Von Skandinavien in die Schweiz

Der Volvo C303 Laplander wurde zwischen 1974 und 1980 gebaut. Parallel dazu folgte 1977 die Version C202, nachdem eine erhöhte Anfrage aus Ungarn, unter anderem von der Transportgesellschaft Ungarocamion, gemeldet wurde. Da die Produktion des C303 die Kapazitäten im schwedischen Werk bereits voll auslastete, wurde die Fertigung des modernisierten C202 kurzerhand direkt nach Ungarn verlegt. Neben Ungarn hatten auch Norwegen und die Schweiz großes Interesse am Laplander und das, obwohl der Preis für einen zivilen C303er 1976 in der Schweiz stolze 54.000 Franken betrug. Dass die Schweizer ein besonderes Interesse an dem soliden Allradwagen hatten, zeigten die Bemühungen der am Bodensee beheimateten LKW-Firma Saurer AG, gemeinsam mit Sport- und Geländewagenkonstrukteur Peter Monteverdi einen „Nachfolger“ des Laplander mit Volvo-Antrieb in Serie zu produzieren. Trotz erfolgreicher Konstruktion seitens Monteverdis kam es jedoch nie dazu.

Unser Fundstück, ein Volvo C303 Laplander, zählt zu den beliebtesten Versionen des Schweden-Transporters. Die Hauptunterschiede zu den älteren Modellen oder dem C202 sind das markantere Design, eine verbesserte Geländereduktion und Portalachsen. Letztere sorgen für mehr Bodenfreiheit und einen optimalen Böschungswinkel von 45 Grad. Damit ist der C303 noch geländegängiger, wenngleich sein cw-Wert immer noch dem eines rollenden Containers gleicht. In Verbindung mit dem Mehrgewicht gegenüber der Ur-Version fährt sich der C303 trotz stärkerem Motor entsprechend behäbig. Als Antrieb kommt gemäß der Typenbezeichnung „3“ ein 3,0 Liter Sechszylinder-Benzinmotor mit 125 DIN-PS zum Einsatz, der wie auch das Getriebe aus der Limousine Volvo 164 stammt. Damit erreicht der Laplander immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von 100 bis 110 km/h.

Kultstatus in St. Moritz

Den Volvo C303 Lappländer erwarb Hans-Jörn Zingg - nach langer Suche und Kampf mit den Schweizer Zulassungsbehörden - bei Volante Classic Cars Engadin und ließ ihn dort entsprechend seines Einsatzbereiches individualisieren. Hans-Jörn weiß genau, wie für seine Zwecke ein passendes Fahrzeug beschaffen sein muss: Geländegängig, geräumig und sonderbar. Der Schweizer Automobilhändler und Garagist Volante Classic Cars kaufte den ausgemusterten Laplander direkt von der schwedischen Armee. Da die Fahrzeuge der Armee bekanntermaßen mehr instandgesetzt als gefahren werden, befand sich der Laplander technisch in einem sehr guten Zustand und musste daher nur gewartet und optisch auf Hochglanz gebracht werden. Bei der Lackierung entschied sich Hans-Jörn für die „two-tone“-Hausfarben des el paradiso: Umbragrau (unten) und Achatgrau. Um seinen Gästen ein angemessenes Ambiente im Innenraum zu bescheren, wurden die Sitze und Kopfstützen mit rotem Leder bezogen und maßgeschneiderte Riffelbleche verlegt. Inzwischen hat der „Lappi“ vom El Paradiso in St. Moritz Kultstatus erreicht: Bei Volante Cars liegen bereits weitere Individualisierungs-Aufträge vor, ein Lappländer soll gar mit Engadiner Arvenholz ausgeschlagen werden.

Wenn der Lappländer an seine Grenzen stößt...

Zur technischen Ausstattung des Volvo C303 Laplander zählen unter anderem: Differentialsperren an Vorder- und Hinterachse, zuschaltbare Untersetzung, grobstollige Bereifung, elektronische Rückfahrkamera, manuell bedienbarer Suchscheinwerfer vorne, jeweils zwei Arbeitsscheinwerfer vorne und hinten, Spezial-Seilwinde mit Kevlar-Seil und Fernbedienung. Dies und mehr machen den Laplander im Tal zum unschlagbaren Allrad-Transporter. Doch wenn es Hans-Jörn weiter Richtung Himmel zieht, stößt auch der Lappländer an seine Grenzen. Dann steigt der Schweizer in das firmeneigene, ebenfalls aus schwedischer Produktion stammende Kettenfahrzeug „Hägglund“, das den VIP- und Warentransport „close to heaven“ absolviert.

Fotos: Jan Baedeker