Kann es eine treffendere Art geben, um die Präzision und Eleganz eines neuen mechanischen Zeitmessers zu erleben als eine Regelmäßigkeitsfahrt in den österreichischen Alpen? Zusammen mit einer Auswahl der weltweit schönsten Klassiker auf Rädern? Zum Glück für uns, hatte Porsche Design genau diese Idee.
Porsche Design Timepieces widmete der Ennstal-Classic einen ganz besonderen Zeitmesser aus der 1919 Kollektion: die Porsche Design 1919 Datetimer Ennstal-Classic 2019 Special Edition. Als passenden Rahmen für die Einführung wählte man die 1993 von einer kleinen Gruppe rund um Ex-Formel 1-Starreporter Helmut Zwickl ins Leben gerufene Ennstal-Classic, allgemein anerkannt als die beste alpine Straßenrallye in der historischen Motorsportsaison. Seit ihrer Gründung zieht das Event viel Prominenz an, darunter Sir Stirling Moss, Walter Röhrl, Sebastian Vettel, Jochen Mass, Rowan Atkinson und Patrick Dempsey.
Nach einer zügigen Fahrt von Zürich zum Schloss Pichlarn (mit Zwischenstopp am Porsche Design Hauptsitz in Zell am See) im neuen Porsche 911 Speedster endete der Mittwoch für alle Teilnehmer mit einem stimmungsvollen Cocktail Empfang. Wir hatten das spezielle Vergnügen, an einem Tisch mit Dr. Wolfgang Porsche sowie dem fünffachen Le Mans-Sieger Derek Bell samt Sohn Sebastian zu sitzen.
Vater und Sohn bereiteten sich mental schon auf den Start in einem 90 Jahre alten Bentley Blower vor, passend zum 100. Jubiläum der britischen Traditionsmarke. „Es wird das vierte Mal sein, dass ich die Ennstal-Classic mit diesem wunderbaren Bentley angehe, und wir würden uns wirklich sehr freuen, das alte Mädchen bis ins Ziel zu bringen“, so Bell Senior. „Natürlich nehmen wir den Wettbewerb ernst, doch muss man dieses Auto mit sehr viel Respekt behandeln – die Lenkung ist so schwer, dass mir Sebastian beim Drehen des Lenkrads helfen muss, die Bremsen packen nicht wirklich zu und unsere Füße sitzen genau neben einem kochenden Motor, der gern mal Öl auf unsere Hände und Beine versprüht. Ich kann die Jungs, die in den 1920er-Jahren damit in Le Mans fuhren, nur bewundern. Daher ist es ein Privileg, ein Fahrzeug, das solch ein wichtiges Kapitel Motorsport geschrieben hat, bei dieser wunderbaren Veranstaltung zu fahren.“
Die Action begann am Donnerstagmorgen in Form einer zehnstündigen Etappe über 422 Kilometer von Gröbming nach Schladming. Neben einigen der schönsten Alpenstraßen standen auch ein paar heiße Runden auf dem Red Bull Ring in Spielberg auf dem Programm. Wir gesellten uns ins enge Cockpit des aus dem Porsche Museum gerollten 356 Speedster 1600 S und übernahmen die Rolle des Co-Piloten für den Formel 1-Veteranen und Langstrecken-Weltmeister Mark Webber.
Unter einem tiefblauen Himmel und bei Temperaturen bis um die 40 Grad scheuchten wir den Speedster durch die Wälder und über die Berge, und winkten dabei den zahlreichen uns anfeuernden Zuschauern zu. Porsche Design ist offizieller Sponsor und Zeitnehmer der Ennstal-Classic, entsprechend seriös gingen wir das Ganze an.
Die acht Etappen, auf denen wir einen festgelegten Schnitt einhalten mussten, waren durchgehend anspruchsvoll. Speziell die höher gelegenen Abschnitte, auf denen der luftgekühlte Boxer etwas nach Luft rang. Dafür kamen Webbers Fahrkünste auf dem Red Bull Ring voll zur Geltung. Er fuhr dort, als gäbe es kein Morgen, und überholte fast alle Rookies. „Mein erstes Rennen auf dem Red Bull Ring war 2003, also kann man schon sagen, dass ich die Strecke sehr gut kenne“, erklärte der „Aussie“. „Dazu kommt, dass sich der 356 selbst bei dieser extremen Hitze sehr gut fahren lässt.“ Dank Mark Webber's Popometer waren wir auf dem Ring, dass erfolgreichste Duo des Porsche Museums Team.
Für die 450 Kilometer lange Strecke am Freitag wurde Webber im Speedster von Rudi Lins abgelöst. Der heute 75-jährige Österreicher gehörte Ende der 60er-Jahre zum Porsche Werksteam und feierte 1970 in Le Mans mit Platz drei im 908/02-Langheck zusammen mit Helmut Marko seinen größten Erfolg. Lins erwies sich als wahrer Gentleman, und wir verbrachten einen rundum unterhaltsamen Morgen, mit Geschichten von damals bei erneut sehr hohen Temperaturen. Wer braucht schon ein Dach, wenn er sich mit einem Schirm vor der stechenden Sonne schützen kann?
Nach einem kurzen Mittagshalt in Steyr wechselten wir für den Nachmittag in den faszinierenden Porsche 356B 2000 GS Carrera 2 Dreikantschaber, gesteuert vom „the one and only“ Hans-Joachim „Strietzel“ Stuck. Vom ersten Meter an traten auch die Fahrkünste des zweifachen Le Mans-Siegers und Formel 1-Fahrers zutage – er fuhr dem ultra-seltenen kleinen Porsche fast die Räder ab. Eine Flughafen Sektion, bei der wir den 1,66 Kilometer lange Runway in einer Richtzeit von 100 Sekunden überqueren mussten, war ein ganz besonderer Genuss.
Wir fühlten uns geehrt, als uns „Strietzel“ auch für den dritten und letzten Tag der Ennstal-Classic als seine Begleitung auswählte. Mit einer anspruchsvollen Bergprüfung und dem Porsche Design Grand Prix im Zentrum von Gröbming als Highlights. In einer ruhigen Minute fragten wir Stuck, ob er Spaß habe. „Kannst Du nicht das Grinsen in meinem Gesicht sehen?!“, kam als Antwort. „Wie kann ein Tag noch besser sein als dieser? Wir fahren ein fantastisches Auto und haben so viel Gaudi auf diesen einzigartigen Straßen. Und dazu habe ich noch einen Co-Piloten, der einen super Job macht!“
„Es macht so viel Spaß, dieses sonst im Porsche Museum stehende Fahrzeug auf diesen kurvenreichen Strecken zu bewegen. Keine Servolenkung, kein PDK-Getriebe, kein Navi und natürlich auch keine Klimaanlage. Doch darum geht es doch beim Fahren – sich darüber zu freuen und zu fühlen, was das Auto unter deinen Händen, Füßen und Pobacken anstellt. Einfach fantastisch!“
Das Bergrennen hinauf auf den 1832 Meter hohen Stoderzinken war alpines Rallyefahren vom Feinsten. Die Zielzeit vom Start bis ins Ziel betrug 7:21 Minuten – eine sehr fordernde Vorgabe, doch zum Glück hat Stuck das Fahren nicht verlernt! Danach wurde die rund 3000 Einwohner große Marktgemeinde Gröbming von einer karnevalsartigen Atmosphäre durchflutet. Dann kantterten die Motorsporthelden von einst auf ihren vierrädrigen Vollblütern durch die malerischen Straßen des Örtchens in der Steiermark. Wie cool war es, Rudi Lins nochmal in „seinem“ Porsche 908/2 zu sehen? Oder den Stetson von „Little Art“ Arturo Merzario, der aus dem Cockpit eines Abarth 2000 Sport Prototipo hervorlugte?
Die Ennstal-Classic 2019 kulminierte dann im Porsche Design Grand Prix, eine extrem komplizierte Regelmäßigkeitsprüfung durch das Zentrum von Gröbming. Für die 1,377 Kilometer lange Strecke galt eine Richtzeit von 2:50 Minuten. Hört sich leicht an, oder? Falsch. Denn auf dem Weg warteten sieben Lichtschranken, die man alle zu einer bestimmten Zeit passieren musste.
In einigen Sektionen musste man beschleunigen, in anderen dagegen verzögern, daher war eine fehlerfreie Kommunikation zwischen Fahrer und Beifahrer entscheidend. Für die Amateure eine trickreiche Angelegenheit, doch die Profis meisterten den Parcours mit Abweichungen im hundertstel Sekunden-Bereich - kaum zu glauben. Am Ende kamen wir auf Platz 88 ins Ziel, einen Platz hinter dem Bell-Duo, die im Bentley als 87. abgewunken wurde.
Insgesamt erwies sich die Ennstal-Classic als ein unvergessliches Erlebnis. Vom nahezu perfekten Wetter und den atemberaubenden Landschaften über die entspannte und freundliche Atmosphäre bis zu den liebevoll ausgewählten Strecken und – natürlich – der wertvollen Zeit in Begleitung einiger der größten Motorsport-Persönlichkeiten stimmte einfach alles. Porsche Design und die Damen und Herren vom Porsche Museum kümmerten sich wirklich sehr gut um uns – und so gilt unser herzlicher Dank vor allem ihnen.
Am Ende fiel es wirklich schwer, die uns für das Wochenende zur Verfügung gestellten Uhren wieder zurückzugeben. Sie arbeiteten makellos und passten auch optisch bestens zur Position nahe am Lenkrad der schönsten Zuffenhausener Klassiker. Sollte die Ennstal-Classic bislang noch nicht auf Ihrem Radar gewesen sein, sollten Sie sich rechtzeitig das Datum der Ausgabe 2020 notieren.
Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2019