Herr de Fabribeckers, welchen Stellenwert hatte die erste, ursprüngliche „Disco Volante“ sowohl für Touring, als auch das Automobildesign im Allgemeinen?
Als der erste Alfa Romeo C52 Disco Volante 1952 bei Touring gebaut wurde, lag der Fokus des Briefings ganz klar auf der Aerodynamik. Kein anderes Automobil hatte zuvor sowohl vorne als auch hinten verdeckte Radhäuser gehabt. Zudem gab es keine Spoiler oder sonstige Anbauten, die den klaren, sauberen Look gebrochen hätten. Was wir aus dem Pflichtenheft von damals für die Neuinterpretation übernommen haben, waren die Bedeutung der Aerodynamik bei der Karosserie, die Sportlichkeit sowie die Zeitlosigkeit des Designs. Letzteres ist eine Qualität, die wir bei allen unseren Automobilen erreichen wollen.
Als die erste „Disco Volante“ entwickelt wurde, gab es so gut wie keine Auflagen für Unfallsicherheit und man konnte ein Fahrwerk praktisch so kurz oder lang bauen, wie man wollte. Beneiden Sie die Designer von einst um diese Freiheit?
Ja und Nein. Wenn man mit einem Chassis wie dem des Alfa 8C arbeitet und sich an die Gegebenheiten halten muss, ist das eine Herausforderung. Doch es treibt einen als Designer auch an, neue Lösungen zu finden. Bei der Entwicklung der Neuauflage ging es uns darum, die Frontpartie so lang wie möglich erscheinen zu lassen. Auch die ansteigende Aluminium-Linie, die sich vom Kühlergrill bis zu den Türgriffen zieht, soll diesen Effekt verstärken. Das visuelle Kraftzentrum ist dagegen um die Hinterräder konzentriert. Man kann das am besten aus der Vogelperspektive erkennen: Die Front wirkt sehr rund und aerodynamisch, das Heck dagegen muskulös.
1952 wirkte das Stromliniendesign der „Disco Volante“ wie aus einer anderen Welt – es hat die Evolution der Sportwagen entscheidend beeinflusst und ist selbst heute noch Gesprächsthema in der Designszene. Auf welches innovative Detail Ihres Entwurfs sind Sie besonders stolz?
Ich habe schon seit vielen Jahren keine verdeckten Vorderräder gesehen – an diesem Detail haben wir lange gefeilt. Ich denke, wir haben da einen guten Kompromiss gefunden und das Radhaus nur soviel abgedeckt, dass der Wagen dadurch nicht zu groß und flächig wirkt.
Wie kam es eigentlich zu der Idee einer Neuauflage – und welche Rolle hat der zukünftige Besitzer des Wagens bei der Entwicklung gespielt?
Das schöne an unseren Kunden ist, dass es sich immer um sehr leidenschaftliche Persönlichkeiten handelt. Die Leidenschaft und der unbedinge Wille, die eigenen Visionen zu realisieren, fließt in zahlreichen Gesprächen in das Projekt ein und ist ein wunderbarer Input. Als Designer gibt einem diese Begeisterung einen ganz besonderen Drive. Der rationale Grund für die Entwicklung einer neuen Disco Volante war aber natürlich das 60. Jubiläum des Originals, das wir in diesem Jahr feiern. Das Modell im Maßstab 1:1, das Sie hier in Genf sehen, wird als Vorlage für den Aufbau des ersten Exemplars dienen, den unser Kunde in Auftrag gegeben hat. Später wird dann eine streng limitierte Kleinserie folgen.
In der Vergangenheit hat die Carrozzeria Touring nicht nur italienische Marken wie Alfa Romeo beeinflusst, sondern auch Aston Martin mit dem DB4 und DB5 zwei große Ikonen geschenkt. Dürfen wir zum nächsten Jubiläum auch mit einer Neuinterpretation rechnen?
Das wäre natürlich großartig, ich bin bereit.
Interview: Steve Wakefield, Jan Baedeker
Fotos: Jan Baedeker, Carrozzeria Touring