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Tangerine Dream - Begegnung der dritten Art mit dem visionären Lancia Stratos Zero

Tangerine Dream - Begegnung der dritten Art mit dem visionären Lancia Stratos Zero

Allein die Chance, eine so bedeutende Schöpfung wie den Lancia Stratos Zero bei einer Messe zu sehen, ist selten genug. Aber Marcello Gandinis grandiosen Keil allein auf weiter Flur erleben zu dürfen, bleibt unvergesslich. Wie ein französischer Fotograf das Projekt seiner Träume endlich realisierte.

Rainer w. Schlegelmilchs Fotografien der kühnsten Concept Cars der siebziger Jahre haben uns immer wieder in ihrem Bann gezogen, nicht zuletzt wegen der passend gekleideten Models und der Kulisse entlegener Gebirge, welche die Konzepte wie Raumschiffe auf fernen Planeten wirken ließen.

Gewagte, tief lauernde, keilförmige Designstudien wie der Alfa Romeo Carabo, der Ferrari 512S Modulo und der Fiat Abarth 2000 Scorpione wurden ersonnen mit dem Ziel, etablierten Regeln der bekannten Formensprache zu brechen und - was vielleicht noch wichtiger war - die Öffentlichkeit und die großen Automarken auf kreative Geister wie Pininfarina, Bertone und Italdesign aufmerksam zu machen. Gerade Letzteres ist den innovativen Designern bestens gelungen.

Gerade diese Ära des revolutionären Automobildesigns und vor allem auch Schlegelmilchs Bilder haben es dem in Paris basierten Fotografen Kevin Van Campenhout besonders angetan. So entstand das Projekt, das wohl am meisten bewunderte Konzeptfahrzeug, den Lancia Stratos Zero als One-off von Bertone, im schroffen Hinterland von Monaco zu inszenieren.

Der wie mit einem Rasiermesser geformte und nicht von dieser Welt wirkende Stratos Zero wurde von keinem Geringeren als Marcello Gandini im Geheimen entworfen und sprengte die Vorstellungskraft bei seinem Debüt auf der Turiner Automesse im Jahr 1970. Ein Auto, das Van Campenhout schlaflose Nächte bescherte. „Mich hat dieses Konzept von Anfang an fasziniert”, erzählte er uns. „Für mich ist es Gandinis Meisterwerk und das bedeutendste Concept Car überhaupt. Ein rollendes Kunstwerk, dessen nachhallender Effekt jeden jungen Automobildesigner anspornt, Ähnliches zeichnen zu können.”

Als Van Campenhout erfuhr, dass der Stratos Zero bei dem ersten Concours Élégance et Automobile Monte-Carlo ausgestellt sein würde, erkannte er schlagartig die Gelegenheit, das Auto in der Ästhetik der damaligen Werbebilder zu fotografieren. Er wollte, wie er verriet, „moderne Geschichte” schreiben. Er setzte sich mit dem Stratos-Besitzer, dem in Los Angeles ansässigen Sammler Phillip Sarofim in Verbindung, und der war von der Idee begeistert.

Was vielleicht am Stratos Zero ebenso überrascht, ist, dass es sich hier um einen voll funktionsfähigen Prototyp handelt, der von Lancias kompaktem V4-Motor aus der Fulvia angetrieben wird, der mittig montiert ist. Der Plan war, während einer Pause im engen Terminplan des Schönheitswettbewerbs mit dem Zero von Monte-Carlo eine kurze Strecke zu einer ausdrucksstarken Location zu fahren, die Van Campenhout entdeckt hatte. Leider ließ sich letztlich die Idee des Fotografen nicht realisieren - im Laufe des Wochenendes musste er einsehen, wie der Traum, die Ikone vor das Objektiv zu bekommen, platzte.

Aber wo ein Wille, gibt es bekanntlich auch immer einen Weg. Und mit der helfenden Hand von Camille Guikas von Classic Driver-Händler GTC konnte Van Campenhout vom Kofferraum seines Mietwagens aus den Zero während der Concours-Tour einfangen. Noch eine Spur Glück mehr war hier im Spiel, denn die Route, wo diese spektakulären dynamischen Aufnahmen entstanden, führte direkt an der von Van Campenhout ursprünglichen entdeckten Stelle vorbei. Wie exstatisch er war, kann man gut nachvollziehen.

Wir im Übrigen auch, als wir die Fotos zu Gesicht bekamen. An diesem Tag schnellte das Quecksilber in Frankreich auf 40 Grad - dass dieses hinreißend unpraktische Auto bei diesen Bedingungen die steilen Straßen oberhalb des Fürstentums meisterte, ist an sich schon eine reife Leistung. Den Passagieren des Zero ging es weniger gut, denn nicht nur ist das Concept Car letztlich eine Art rollendes Greenhouse, das dicht am Boden kauernde Cockpit sitzt auch eng wie eine zweite Haut.

Wie geradezu überirdisch die Erscheinung dieses Lancia Stratos ist, merkt man erst richtig vor einer wilden und schroffen Kulisse. Vor allem auf der Straße frappiert das fast flache Design des Zero. Im Vergleich zu anderen Verkehresteilnehmern - seien es verdutzte Radfahrer oder riesige Lastwagen - schrumpft das Concept Car zu einer geduckten, minimalen Präsenz. Es war Gandinis Ziel, ein Auto zu zeichnen, dessen Position so tief wie möglich sein sollte, ohne die Fahrtauglichkeit zu beeinträchtigen. Und wie ihm das gelungen ist! Der Zero erhebt sich knapp 84 Zentimeter über dem Boden. Bei Pininfarinas extravagantem Ferrari Modulo sind es zehn Zentimeter mehr.

Die unzähligen Details dieses „Tangerine Dream” sind einfach berückend und tragen unverkennbar die brillante und kreative Handschrift Gandinis. Allein die Lösung, dass sich das Vordach nach vorne öffnet, aber die mit Lamellen versehene dreieckige Motorhaube zur Seite aufschwingt. Die markanten „Schokoladentafel”-Sitze, die von den Okkupanten eine nahezu liegende Position verlangten, fanden sich in einem anderen kühnen Design Gandinis, dem Lamborghini Countach, wieder. Die grün getönte Instrumententafel links vom Fahrer und durch die einziehbaren Seitenfenster des Zero sichtbar, sind Beispiele purer Space Age-Ästhetik.

Im Rückblick auf einen unvergesslichen Tag mit seinem Traumauto Zero ist Van Campenhout natürlich restlos begeistert. „Der Stratos Zero bietet nicht nur eine Momentaufnahme einer Epoche umwälzender kultureller Veränderungen, er gewährt auch den Blick in eine utopische Zukunft, die so nie eingetroffen ist”, resümiert er. „Der Zero kann als Kunstwerk verstanden werden, dass den Zeitgeist der frühen siebziger Jahre in eine Form gegossen hat. Damit hat sein visionärer Schöpfer sein Ziel erreicht: Er hat eine Unterhaltung über Design in Gang gebracht.”

Wir sind überzeugt, dass Menschen noch in den kommenden Jahrzehnten über dieses Auto diskutieren werden. Und vielleicht wählen sie genau diese Fotografen Van Campenhouts als Ausgangspunkt.

Fotos: Kevin Van Campenhout für Classic Driver © 2019 

Unser besonderer Dank gilt Lancia Stratos Zero-Besitzer Phillip Sarofim, der uns die Zeit einräumte, um dieses einzigartige Concept Car zu fotografieren und Camille Guikas von Classic Driver-Händler GTC, der so freundlich war, unser Fotografenauto zu fahren.