Die für mich noch immer unglaubliche Geschichte begann mit einem einfachen Anruf mit Stuttgarter Vorwahl. Das Team des Porsche Museums wollte mir mir ein streng geheimes Projekt besprechen – am besten vor Ort, unter vier Augen. Als ich in Zuffenhausen eintraf, konnte ich zuerst nicht glauben, was man mir erzählte: Porsche hatte mich ausgewählt, um eine der hochkarätigsten automobilen Wiedervereinigungen zu fotografieren, die jemals stattgefunden hat. Nicht zwei oder drei, sondern ganze elf Exemplare des legendärsten aller Prototypen-Rennwagen, des Porsche 917, sollten für ein Familienfoto zusammenkommen und die Ausstellung „50 Jahre 917 – Colors of Speed“ ankündigen, die vom 14. Mai bis 15. September 2019 im Porsche Museum zu sehen ist.
Ich muss vielleicht dazu sagen, dass mein Herz für die Marke Porsche schlägt und diese Fotoproduktion schon angesichts der historischen Bedeutung des Porsche 917 der absolute Höhepunkt meiner bisherigen Laufbahn war. Nachdem ich mich einige Tage beim Concorso d’Eleganza in Kyoto von meinem Lampenfieber abgelenkt hatte, stieg ich direkt nach meiner Landung in Paris reichlich aufgeregt in den Zug nach Stuttgart.
Zufälligerweise war der Fototermin genau auf den 50. Jahrestag jenes Apriltages im Jahr 1969 gefallen, an dem vor dem Werk 1 in Zuffenhausen jene 25 Porsche 917 Langheck aufgereiht standen, die Porsche hastig für die Homologation in der Gruppe 4 zusammengebaut hatte. Das Foto, das an diesem Tag entstand, sollte in die Rennsportgeschichte eingehen.
Als alle elf Autos in einer Reihe standen fehlten auch den abgebrühten Spezialisten vom Porsche Museum die Worte. Allen Anwesenden war bewusst, welche Elefantenrunde hier zusammengekommen war – und man kann es sich vorstellen: Ich konnte nicht aufhören, auf den Auslöser zu drücken! Fast beiläufig fiel mir auf, dass es vermutlich das erste Mal sein musste, dass der Le Mans-Sieger von 1970 – der rote Porsche 917K des Teams Salzburg – und der weiße Porsche 917 K von Martini Racing, der 1971 in Le Mans gewonnen hatte, sich gegenüberstanden.
Anschließend arrangierten wir die „elf Freunde“ in jenem Hof, in dem einst schon die Inspektoren die FIA die alles andere als fertig zusammen gesetzten 25 Homologationsautos begutachtet und tatsächlich auch abgenommen hatten. Natürlich hat sich der Ort etwas verändert und wir hatten in unserem Line-Up auch die späteren Kurz- und Langheck-Versionen und die Can-Am-Varianten dabei – doch der Anblick des Porsche 9187 mit der Chassisnummer 001 in seiner ursprünglichen Konfiguration und Lackierung an diesem geschichtsträchtigen Ort und in Gesellschaft all seiner Nachfolger, die schließlich ein wichtiges Kapitel der Motorsportgeschichte geschrieben haben, ging unter die Haut.
Kurz gesagt: Der Tag ließ eigentlich keine Steigerung mehr zu. Doch als ich gerade auf den Auslöser drücken wollte, stand plötzlich Hans Mezger neben mir – jener legendäre Rennsport-Ingenieur, der die Entwicklung des Porsche 917 geleitet hatte. Und da stand ich nun und schoss Porträtbilder von “Mr. 917” neben seinen Meisterstücken – und musste mich einmal mehr in den Arm kneifen. Hans Mezger war vom Anblick der elf Rennwagen so überwältigt wie wir. Und sein Enthusiasmus und seine Begeisterung über die zwei Le-Mans-Sieger stecke uns alle an. Ich denke, ich war nicht der Einzige, dem das Herz in die Magengenend rutschte, als die Autos wieder auf ihre Hänger geladen und abtransportiert wurden. Ein unvergesslicher Tag war zu Ende – und mir blieb nichts weiter, als dem Porsche Museum für dieses einmalige Erlebnis zu danken.
Nachfolgend haben wir die Biografien der elf Porsche 917 nochmals zusammengefasst. Zehn Autos werden in der Ausstellung “Colors of Speed” zu sehen sein.
1969 Porsche 917 / 917-001
Der erste gebaute Porsche 917 wurde am 12. März 1969 auf dem Genfer Autosalon der Welt präsentiert und startete fortan einen einzigartigen Siegeszug. Als Test- und Entwicklungsfahrzeug wurde der Porsche 917 mit der Chassisnummer 001 später in eine Kurzheck-Version umgebaut und als Werbeträger in die rote-Salzburg-Lackierung des Le-Mans-Siegers getaucht. Im Januar 2018 gab das Porsche Museum einen Rückbau des Prototypen in seinen ursprünglichen Zustand in Auftrag – wir haben das Resultat bereits vor einigen Wochen auf der Retro Classics in Stuttgart bewundert.
1970 Porsche 917K /917-023
Der wahrscheinlich wichtigste Porsche 917 überhaupt ist der Wagen mit Chassisnummer 023, der 1970 von Hans Hermann und Richard Attwood zum Jungfernsieg von Porsche in Le Mans gefahren wurde. Man achte auf die Kurzheck-Karosserie, die den Porsche 917 von einem kaum zu bändigenden Monstrum in ein fahrtechnisches Meisterwerk verwandelte.
1971 Porsche 917LH / 917-042
Nur acht Tage vor dem Debüt bei den 24 Stunden von Le Mans fertig gestellt, fiel das eindrucksvolle Langheck mit Chassisnummer 042 und der psychedelischen Martini-Racing-Lackierung an der Sarthe einem Motorschaden zum Opfer. Das Schicksal wiederholte sich im folgenden Jahr in Le Mans.
1971 Porsche 917K / 917-053
Die 24 Stunden von Le Mans 1971 waren ein Rennen der Rekorde. Der Porsche 917K mit Chassisnummer 053 war mit Gijs van Lennep and Dr. Helmut Marko am Steuer für das Martini Racing Team gestartet. Innerhalb von 24 Stunden legte das letzte gebaute Coupé ganze 5.335,3 Kilometer zurück – bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 222,3 km/h. Der Rekord blieb für fast vier Jahrzehnte ungeschlagen. Dabei ist der Le-Mans-Siegertitel nicht das einzige Besondere an diesem Auto – es handelt sich auch um das einzige im Renneinsatz erprobte (und bis heute erhaltene) Fahrzeug mit Magnesium-Rahmen.
1971 Porsche 917/20 / 917/20-001 "Dicke Berta"
Mit seinem etwas pummeligen, eigens für Le Mans entwickelten Low-Drag-Design und dem Schlachter-Livrée, dass sich das Porsche Design Studio als ironischen Kommentar zum Erscheinungsbild erlaubt hatte, ging der erste Porsche 917/20 als “Dicke Berta” oder schlicht als “Sau” in die Geschichte ein.
1971 Porsche 917K Chassis / 917-015/035
Der einzige Porsche 917, der nicht bei der Ausstellung im Porsche Museum dabei sein wird, blickt auf eine turbulente Karriere zurück: Der Porsche 917K im Gulf-Look siegte nicht nur 1970 bei den 24 Stunden von Daytona und 1971 bei den Spa 1000km – es diente Porsche auch von 1972 bis 1979 als “Taxi” auf der Entwicklungsstrecke in Weissach. Erst neulich wurde der Wagen von Mark Webber und Top-Gear-Moderator Chris Harris beim Goodwood Members’ Meeting pilotiert.
1969 Porsche 917 PA Spyder / 917-027
Als Verbindungsstück zwischen Le Mans und der amerikanischen Can-Am-Rennserie kam dem Porsche 917 PA Spyder eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der dominanten Turbo-Rennwagen zu. Interessanterweise wurde in diesem Chassis ein 16-Zylinder-Motor erprobt – der stärkste Saugmotor in der Geschichte von Porsche war auf Anregung von Ferdinand Piëch gebaut worden. Allerdings zeigte sich der leichtere Turbo-V12 als die bessere Wahl.
1972 Porsche 917/10 / 917/10-005
Die nächste Entwicklungsstufe des PA Spyder war der Porsche 917/10 – ein unglaublich leistungsstarker Prototyp voller neuartiger Technologien. Seine Turboaufladung galt in Amerika lange als eine Art schwarzer Magie. In der Can-Am-Serie 1972 sicherte sich Porsche mit dem 917/10 für American Penske und Mark Donohue am Steuer sechs von neun Rennsiegen. Dieses Chassis wurde einst ohne Karosserie, Aufhängung, Motor und Getriebe an Penske geliefert und gewann drei Rennen.
1972 Porsche 917/30 / 917/30-001
Die ultimative Evolution des Porsche 917 hörte auf den Namen 917/30 und leistete 1.200 Turbo-PS, die sowohl die Gegner in der Can-Am-Serie als auch in der europäischen Interseries erzittern ließen. Dieses Exemlar im Vaillant-Livrée gewann in der Interseries fünf von sechs Rennen mit Herbert Müller und Leo Kinnunen am Steuer. Der Wagen wurde gerade frisch restauriert.
1973 Porsche 917/30 / 917/30-002
Die alte V8-Garde im Can-Am-Challenge Cup hatte den Erfolg von Porsches turbogeladenen 917/30 nicht kommen sehen – doch 1973 gewannen die Zuffenhausener tatsächlich jedes einzelne Rennen. Allein dieser Renner aus Roger Penskes Stall mit Mark Donohue am Volant gewann sechs Mal. 1975 stellte Donohue zudem einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf abgesperrter Strecke mit dem Spyder auf – im Durchschnitt umrundete er den Talladega Superspeedway in Alabama mit 355,858 km/h.
Photos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2019