Kunden wie Paul Smith, Peter Sellers und Jimmy Carter
Die Marke Bristol Cars entstand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Bisher auf Nutzfahrzeuge und Flugzeugbau spezialisiert, hatte das Unternehmen die Automobilmanufaktur Frazer-Nash übernommen und plante nun, auch Autos herzustellen. Zunächst wurden überarbeitete Reihensechszylinder von BMW eingesetzt, ehe Bristol Cars große, amerikanische V8- sowie jüngst auch V10-Triebwerke einbaute, deren Charakteristik wie maßgeschneidert für die etwas exzentrische, aristokratische Kundschaft passte. Unter den bekannteren Bristol-Besitzern fanden sich der Modedesigner Paul Smith, Schauspieler Peter Sellers, der Ex-US-Präsident Jimmy Carter sowie der ehemalige Prinz von Thailand, dessen Bristol 402 Convertible im Farbton "Surf Blue" ebenfalls zum Fototermin geladen war. Zu gern hätten wir auch noch die Spitfire des blaublütigen Piloten dabei gehabt.
Die heiligen Hangars von Bicester Heritage
Der Einfall, die Fotosession mit den Bristols auf der ehemaligen Luftwaffebasis RAF Bicester stattfinden zu lassen, kam nicht von ungefähr. Der Komplex wurde zwar schon 1976 von der Royal Air Force aufgegeben (während des Kalten Krieges diente es noch als Notfallhospital), er wird derzeit aber von Grund auf restauriert. Denn hier entsteht Bicester Heritage: ein Zentrum für Klassiker-Enthusiasten, in dessen historischen Gebäuden Händler, Werkstätten und andere Geschäfte rund um das Classic-Car-Business einziehen sollen. Der riesige Hangar, den noch der Lagerbetrieb Historit nutzt, war einst die Heimat eines Geschwaders von Bristol-Blenheim-Bombern - übrigens nicht die einzige Verbindung zwischen diesen beiden Pionieren der britischen Luftfahrt- und Automobilgeschichte.
Eine Familie mit Tradition
Bei der Ankunft in Bicester werden wir von einem fröhlichen, jungen Mann namens Philip White in Empfang genommen. Als Manager für die Geschäftsentwicklung von Bicester Heritage gehört die Organisation einer Fotosession an diesem fotogenen Ort zu seinem Alltag. Aber diesmal kommt ein starker persönlicher Bezug hinzu, denn sein Großvater war niemand anderes als George S.M. White, der seinerzeit bei Bristol das neue Geschäftsfeld Automobilbau vorangetrieben hatte. Dessen Großvater Sir George White wiederum war Mitbegründer der Bristol Aeroplane Company und verfolgte Anfang des 20. Jahrhunderts die damals bahnbrechende Idee eines motorbetriebenen Omnibusses.
Essen auf Rädern
Das erklärt auch, weshalb sich ein gewaltiger Bus in unseren Club der eleganten Bristols eingeschlichen hat. Das Ungetüm hört auf den Namen Ruby und erblickte 1968 das Licht der Welt. Damals war die Dame Mitglied in einer Flotte von heckbetriebenen, bis zu 160 km/h schnellen Bristol RELH-Bussen, die an das britische Unternehmen „Red & White” ausgeliefert wurden. Wie wir feststellen durften, bietet Ruby auch einen angenehmen Rahmen für ein Lunch. Beim Essen unterhielt uns der stolze Eigentümer Jonathan Radley mit Geschichten aus der Restaurationsgeschichte Rubys, beispielsweise die körperliche Leistung, allein alle 47 Holzrahmensitze auszubauen, um sie instandsetzen zu lassen. Er zeigte uns auch Vintage-Gepäckstücke, die er bei Antiquitätenhändlern erstanden hatte, um die Ablagen stilecht zu befüllen. Dabei entdeckte Philip erstaunlicherweise einen Koffer mit dem Namensschild „George F. White” - kleine Welt.
Ein elitärer Club?
Außenseiter meinen oft, dass die Gemeinschaft der Bristol-Eigner exklusiv und elitär ist - es gibt Erzählungen, dass der einstige Bristol-Chef Tony Crook nur an jene Kunden verkaufte, die seinen Vorstellungen entsprachen. Dass das heute nicht mehr zutrifft, erklärt Philip White: „In den Anfängen war das Unternehmen sehr offen und stolz auf seine Verbindung mit der Fliegerei. Es gab Events und Tage der offenen Tür. In den letzten Jahren ist Bristol zu dieser aufgeschlossenen Art zurückgekehrt. Ich habe erfahren, dass die Besitzer alle sehr nett sind, sie schätzen den Stil der Fahrzeuge, die limitierte Produktion und den Ursprung aus dem Flugzeugbau. Heute positioniert sich das Unternehmen mit einem feinen, historischen Bezug als Automobilsparte der Bristol Aeroplane Company.” Zu unserer angenehmen Überraschung sind diese exquisiten Autos so zugänglich, wie der Kreis der begeisterten Besitzer.
Das Supercar für den Gentleman
Besonders beeindruckte uns der schwarze Bristol 400, das erste Serienmodell der Marke. Obwohl es 1949 gebaut wurde, ist das Handling angenehm leicht, der Zweiliter-Sechszylinder springt sofort an, und weil es eben ein Bristol ist, gibt es da die eine oder andere Eigenheit. In diesem Fall ist es die Metallkette, welche die „Notfalltür” an der Karosserie sichert und die verhindern soll, dass der Fahrer bei besonders beherzten Bergrennen aus dem Cockpit geschleudert würde. Bedeutend jünger, aber nicht weniger ein Bristol durch und durch ist der Fighter. Während Ian Wallace, der Verkaufsleiter von Bristol Cars, den V10 aus der Dodge Viper anlässt, bereiten wir uns auf den zu erwartenden akustischen Donnerhall vor. Aber mit dem charakteristischen Bristol-Understatement erklingt stattdessen ein subtiles Grummeln, dass das gewaltige Kraftpotenzial vornehm kaschiert. Ein Supercar für den wahren Gentleman?
Steigende Anziehungskraft
Während wir die charaktervolle Sammlung an einzigartigen Bristols bewundern, überlegt Philip, weshalb der Charme dieser klassischen Exemplare immer mehr Anziehungskraft ausübt: „Ich vermute, es ist gerade dieses elegante, zurückgenommene, aber doch eigenwillige Aussehen, dass einer jüngeren Generation in den nächsten Jahren gefallen wird. Die V8-Modelle aus den sechziger Jahren bieten ein großartiges Preis-Leistungsverhältnis und bewahren im Vergleich zu den Mainstream-Marken ein ganz eigenes Gesicht. Ein Beispiel: Für das, was ein Porsche 964 oder 993 kosten würde, bekommt man einen viersitzigen Grand Tourer aus der goldenen Epoche mit viel Komfort und enormer Kraftentfaltung. Für mich käme in London nichts anderes in Frage, als ein 1968er Bristol 410!” Philip wirft einen diskreten Blick auf seine Omega aus den 40er Jahren - wie kann es anders sein: die Uhr, die sein Großvater trug, als die ersten Bristol 400er vom Band rollten - und wir verstehen, dass es spät geworden ist. Zeit, Bicester Heritage zu verlassen. Aber mit dem Eindruck, dass klassische Bristols noch eine große Zukunft vor sich haben.
Photos: © Amy Shore for Classic Driver