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Auf Kurvenjagd in Flitzerland mit dem fabelhaften Flitzer Club

Auf Kurvenjagd in Flitzerland mit dem fabelhaften Flitzer Club

Sieben Pässe in zwei Tagen – während sich die Sommersaison dem Ende zuneigt, begleitete unser Autor und Fotograf Błażej Żuławski den Flitzer Club bei seiner ersten internationalen Ausfahrt in die Schweizer Alpen.

Wenn die beiden vorgeplanten Touren die Namen „Forza” und „Gran Turismo“ heißen und das Starterfeld von einem MG Midget bis zu einem 5,3-Liter-Flugzeugträger – bekannt auch als Aston Martin Lagonda – reicht, dann weißt Du, dass Dich der Wirbelwind der Kohlenwasserstoffe in das Herz von Flitzerland tragen wird. Jedes Event, das die Signatur von Flitzers Mastermind Dirk Rumpff trägt, folgt derselben Rezeptur. Es beginnt mit einer erlesenen Auswahl von Fahrzeugen mit Baujahren bis Ende der 1990ern, setzt sich fort mit engagierten Fahrten auf fantastischen Straßen und gelegentlichen Zwischenstopps, um etwas Kultur und Geschichte einzuatmen. Und das Ganze in Gesellschaft von gleichgesinnten Car Nuts, die immer wieder beweisen, dass es bei einem guten Auto-Event nicht notgedrungen nur ums Metall, sondern auch um die Menschen geht.

Rund ein Jahr ist vergangen seit der ersten Ausfahrt des Flitzer Clubs. Und obwohl sich das Event von einer Tagesveranstaltung im Umland von Berlin zu einem Wochenendausflug in die Schweizer Alpen gemausert hat, bleiben die Grundprinzipien gleich. Daher fand ich mich von einem Beifahrersitz zum anderen hüpfend wieder, in Autos, die ich schon in meiner Kindheit in Form von Postern an den Wänden meines Schlafzimmern anhimmelte. Zugleich schmiedete ich neue Freundschaften und fand ganz nebenbei heraus, dass ein offener Dino „Ferrari” einen ganz guten Kamerawagen abgibt. 

Für einen kleineren Teil der 38 Teilnehmer starken Flitzer-Gruppe begann die Reise schon zwei Tage zuvor, als sich eine farbenprächtige Autokarawane aus den Hip-Bezirken von Berlin Richtung Süden aufmachte. Auf der Fahrt hielten sie an, um sich einige außergewöhnliche modernistische Gebäude und eine spektakuläre Ausstellung italienischer Auto-Exoten anzuschauen. Teilnehmer aus anderen Teilen Deutschland stießen entweder irgendwo dazu oder fuhren direkt zum ersten Sammelpunkt in der Schweiz. 

Am Abend vor dem Start wurde Dinner serviert im Kloster Fahr, einem direkt an der Limmat gelegenen Benediktinerinnenkloster aus dem 12. Jahrhundert, wo die Nonnen noch selbst Landwirtschaft betreiben und sich auch um den Klostergarten und die Reben kümmern. Wir alle genossen die selbst hergestellten Produkte und den exzellenten Wein. Übernachtet wurde im imposanten Züricher Greulich Hotel, und als der Samstagmorgen heraufdämmerte, machte sich die Gruppe beim Versuch, dem Wochenendverkehr zu entkommen, schnell auf zu einem Kaffee und leichten Frühstück in Hafen Enge, einem der vielen Marinas am Zürich-See. Dann teilten wir uns in zwei Gruppen auf – weil die größeren Wagen wie der Lagonda und der Maserati Kyalami für die engen und steilen Haarnadelkurven, die hinauf zum Lunch Stop auf der Passhöhe des Klausen führten, nicht so gut geeignet waren. 

Meine erste Mitfahrgelegenheit am ersten Tag war der grüne Maserati Khamsin von Dirk Rumpf. Der frisch installierte Ansa Auspuff verrichtete seine Arbeit fantastisch und rundete das majestätische Brabbeln des reinrassigen V8 trefflich ab. Momente später fürchtete ich an Bord eines Lancia Fulvia 1.3 der zweiten Generation regelrecht um mein Leben, beim Anstieg auf einer schmalen Straße zum Sihlsee. Obwohl die Fulvia kein besonders seltener Klassiker ist und sie zu meinen Favoritinnen der Marke zählt, hatte ich zuvor noch nie in einer gesessen. Ich war gleichermaßen beeindruckt vom freudig hochdrehenden Vierzylinder wie von den Künsten ihres Fahrers. Das Auto fühlte sich schnell, wendig und nur allzu willig an, dieses steile und enge Asphaltband anzugehen. Auch die Rundumsicht war tadellos.  

Während wir in einem irrwitzigen Tempo hochfuhren, liefen wir auf den modernen Aston Martin Rapide V12 auf, der als Flitzer Pace Car fungierte. Vielleicht noch 10 Millimeter trennten uns von seinem Heckstoßfänger. Fabio Dons Ferrari Testarossa war ein komplett anderes Tier – kräftig, breit und sehr rot. Während früherer Flitzer Ausfahrten habe ich gelernt, dass der Testarossa mehr schneller Grand Tourer als knallharter Sportwagen ist. Er ist geräumig, komfortabel und nichts schüttelt, klappert oder vibriert. Du kannst in London einsteigen und kannst in Saint-Jean-Cap-Ferrat aussteigen, ohne zuvor ermüdet zu sein. 

Ich wäre sicher ähnlich entspannt gewesen, hätte nicht Fabio – ein extrem stilbewusster italienischer Architekt mit Sitz in Zürich – sein ganzes Gepäck hinter den Beifahrersitz verstaut. Als Folge landete meine Stirn während der Fahrt fast auf meinen Knien! Ich fragte, warum er sein Zeug dort verstaut habe und seine Antwort war typisch italienisch: weil er, um an die Sachen  zu kommen, so nicht eigens aus dem Auto aussteigen müsste...

45 Minuten später – und ich fand mich neben Stefan Talkenberg wieder, der mir nun alles aufzählte, was an seinem aus Japan importierten Porsche 911 G-Modell nicht funktionierte. Schalter für den Scheibenwischer? Gebrochen. Heizung? Defekt. Und die Liste war lang. Doch seine Philosophie lautete: Entweder gibt man ein Vermögen aus, um alles wieder funktionsfähig zu machen. Oder man vermeidet Fahrten im Regen. Wie gut, dass die für dieses Wochenende angekündigten gelegentlichen Schauer (noch) nicht eintrafen.

Dieser Porsche 911 war dennoch eine runde Sache. Investitionen wurden nur dort getätigt, wo es drauf ankam. Was hieß: fest zupackende Bremsen, Sportfahrwerk, neue Reifen und extrem gute, weil historisch korrekte Schalensitze. Und wie wir so Slalom fuhren zwischen plötzlich auf der Straße stehenden Kühen, war ich verblüfft über die G-Kräfte, die der Porsche aufbaute. Vielleicht haben sie diesen Elfer ja deshalb „G”-Generation getauft.

Den Rest des Tages verbrachten wir zumeist in Staus – die meisten Straßen schienen eine Baustelle zu sein; dazu kam, dass an diesem warmen und sonnigen Wochenende scheinbar halb Europa auf Achse war. Und dass auch völlig zurecht! Vom Schweizer Dodge Viper Club bis zum Supercar Owners Circle waren die Straße voll von spannenden Modellen. Bis hin zu Beach Buggys oder Ferrari mit Zagato-Karosserie. Und nicht zu vergessen Wohnmobile – ewig quälten wir uns hinter ihnen her, bis wir endlich am Ende des Tages auf der Gotthard-Passhöhe ankamen. 

Einige Flitzer machten sich sofort auf zu einer geführten Tour durch die unter der Passhöhe verborgenen Katakomben, die Teil der legendären Schweizer Alpenfestung sind. Andere genossen lieber ein Glas oder auch zwei von Kessler Sekt, Flitzers einzigem Sponsor, während draußen die Temperatur von angenehmen 22 auf beißend kühle 7 Grad fiel. Auch wenn der Wind einen Wetterwechsel ankündigte, wurde das Dinner wie geplant im St. Gotthard Hospiz eingenommen, wo wir auch alle übernachteten. 

Am nächsten Morgen waren unsere Klassiker von einer Tauschicht überzogen. Die Stille der Bergwelt wurde brüsk unterbrochen vom Sound eines startenden Jaguar Reihensechszylinders, gefolgt von einem oder zwei italienischen V8, mehreren „flachen“ 12-Zylindern und Boxern, die nur in Stuttgart produziert worden sein konnten. Unter diesem Konzert erwachten die Berge zum Leben, während wir die rutschigen Kopfsteinpflasterpassagen der Tremola herunterstiegen und weiter Kurs auf den Nufenenpass und dann Furka und Grimsel nahmen. 

Dies war ein Tag mit purem Fahrspaß. Der frühe Start brachte uns leere Straßen ein, und ich schaffte es, einen Platz in einem meiner absoluten Lieblingsautos zu ergattern: einem roten Dino 246 GT „Ferrari”, kundig bewegt von Enzo Stegel. Den ganzen Tag fuhren wir im Konvoi mit dem Ferrari 512 BB seines Vaters und Marick Baars wundervollem dunkelblauen Ferrari Mondial. 

Als Fan der Kultserie „Die 2” und Tony Curtis alias Danny Wilde, in der er einen identischen Dino fährt, war ich glücklich zu entdecken, wie gut sich der Dino gegen die jüngeren und kräftigeren Ferrari aus der Affäre zog. Eine oder zwei vom Fahrer geschluckte Pillen mögen ihren Teil dazu beigetragen haben, doch war ich beeindruckt von der Beschleunigung und dem Gripniveau des kleinen Sportwagens. Am liebsten hätte ich manchmal lauthals „forza”,„fuoco” und „avanti” ausgerufen. 

Die Zeit verging dabei wie im Flug, und kaum hatten wir uns versehen, hatten wir alle Pässe schon überwunden. Dann schlug das Wetter wie erwartet um, Regen setzte ein. Lunch wurde im nun nebelverhangenen und sonst für seine atemberaubenden Ausblicke bekannten Grimsel Hospiz serviert. Es war eine schöner Break vom ständigen Geschwindigkeitsrausch und ich hatte Zeit, mir die Formen von bis dahin nicht so stark beachteten Autos anzuschauen. Man nehme nur den futuristisch grünen Citroën SM oder den extrem eleganten Maserati Mexico. 

Als es zurück nach Zürich für ein Dinner mit Beef und Käse ging, war ich erneut überwältigt davon, wie es die Organisatoren schafften, das Event minutiös zu planen, und trotzdem diese lässige Atmosphäre aufrecht zu erhalten. Ich kann jedenfalls die nächste Ausfahrt des Flitzer Clubs kaum abwarten. Wie wäre es mit Italien, Dirk?

Photos: Błażej Żuławski for Classic © 2020