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Dieser brave Familiengolf ist eigentlich ein Porsche 928

Dieser brave Familiengolf ist eigentlich ein Porsche 928

Im Jahr 1979 schuf der verrückte Tüftler Günter Artz ein Vexierbild auf vier Rädern: Mal VW Golf I, mal Porsche 928. Dino Pannhorst verknüpft Kindheitserinnerungen mit ihm und ruhte nicht, bis er ihn wieder zurückkaufen konnte. Heute zieht er bei Pannhorst Classics stets die Blicke auf sich.

Günter Artz war zwar Geschäftsführer eines Autohauses in Hannover, doch inoffiziell muss er eher ein Alchimist gewesen sein: Er mixte Autos und gewann dabei zwar nicht Gold, kreierte dafür aber erstaunliche Schöpfungen wie einen VW Karmann Ghia mit dem Sechszylinder-Boxermotor aus der Chevrolet Corvair. Bekannt wurde auch sein „Nordstadt Carrera-Käfer“, der 1972 aus einer VW 1303-Karosserie und dem Fahrwerk eines Porsche 914/6 zusammen mit dem 2,7-Liter-Motor aus dem Porsche 911 entstand. Ein besonderes Kunststück gelang ihm und seinem Karosseriespezialisten Celeste di Santolo im Jahr 1979 mit dem Artz Golf 928, wie dieser Eigenbau offiziell heißt. Vermutlich bemerkten nur sehr aufmerksamen Zeitgenossen, dass dieser Golf der ersten Generation breiter, länger und irgendwie anders wirkte. Und dann erst der Sound und die Beschleunigung, die so gar nicht zur wenig emotionalen Kompaktklasse passen wollte!

Fasziniert von diesem Golf (oder Porsche), der aus der Reihe tanzt, kauften der Vater und Onkel von Dino Pannhorst dieses Artz-Konstrukt im Jahr 1980. „Mein Vater hat ihn als Daily Driver genutzt“, erzählt der Chef von Pannhorst Classics, „und wir sind als vierköpfige Familie damit zum Urlaub an den Gardasee gefahren – 1.000 Kilometer von Gütersloh hin, 1.000 Kilometer wieder zurück.“ Später wurde der Golf 928 verkauft. Doch die Erinnerungen an dieses einmalige Exemplar ließen Dino nicht ruhen: Detektivisch fahndete er nach dem Verbleib des Autos, bis er auf den Besitzer stieß und es 2014 wieder zurückkaufen konnte. „Ich fahre heute kaum damit, allenfalls zu besonderen Anlässen – schon aus Respekt vor der Seltenheit. Der Golf ist in gutem Zustand, wobei die 928-Technik eine kundige Hand braucht, aber über die verfügen wir hier in unserer Werkstatt.“ 

 

Heute steht der Artz Golf im Showroom von Pannhorst Classics neben den modernen Klassikern aus Zuffenhausen und erweist sich immer wieder als Publikumsmagnet – nicht zuletzt, weil er auch Auftritte auf Instagram hatte und mehrfach von Fachzeitschriften im In- und Ausland gewürdigt worden ist. 

Ursprünglich sollte aus dem Arzt-Golf eine exklusive Kleinstserie entstehen. Aber die Herstellung erwies sich als sehr aufwändig. Angeblich soll er zu seiner Zeit rund 150.000 Mark gekostet haben. Als Spenderauto diente Günter Artz und seinem kreativen Schlosser ein verunfallter Porsche 928, über dessen Fahrgestell und Karosseriestruktur eine Form gelegt wurde, die zwar wie ein Golf I aussieht, aber tatsächlich eigens gefertigt werden musste. Rund 21 Zentimeter breiter und 30 Zentimeter länger als die Wolfsburger Serie, wurden Motorhaube und Heck in die Breite gezogen, der Kühlergrill und die Stoßfänger sind neu und auch die Scheiben mussten eigens angefertigt werden. 

Unter der Motorhaube entfaltet der Achtzylinder aus dem Porsche 928 seine 260 PS. Sportwagenwerte, die ihrerseits weitere technische Modifikationen wie Eingriffe an der Vorder- und Hinterachse nötig machten. Seinerzeit fuhr die Arzt-Schöpfung bei einem Test knapp über 230 Stundenkilometer schnell – sogar etwas schneller, als der 928, der in Zuffenhausen normalerweise vom Band lief. Im Innenraum entpuppt sich dieser Golf dann als echter Porsche 928: Für Kenner ist das Cockpit so vertraut wie die Innenverkleidungen der Türen, die ebenfalls vom Spenderauto stammen. 

Günter Artz baute noch einen zweiten Golf-Wolf im Schafspelz, diesmal auf der Basis des kraftvolleren 928 S. Es wurde von dem Holzhändler Louis Krages gekauft, der neben seinem beruflichen Erfolg auch noch einen Sieg in Le Mans 1985 auf einem Porsche 956 mit dem Team Joest verbuchen konnte. Mit diesem zweiten Artz Golf war übrigens der Schöpfer höchstpersönlich unterwegs, ehe es verkauft wurde und heute einem Sammler in Rheinland-Pfalz gehört.

In gewisser Weise berühren sich die Lebenslinien der beiden Fahrzeuge hier wieder, denn der jetzige Besitzer und Dino Pannhorst kennen sich und tauschen sich aus. Für Günter Artz muss gerade der Porsche 928 das Potenzial zu schillernder Wandlungsfähigkeit besessen haben, denn aus diesem lange von Enthusiasten kaum beachteten Achtzylinder schneiderte er auch noch einen Shooting Brake. 

Im Englischen gibt es mit  „Sleeper Car“ einen wunderbar treffenden Ausdruck für jene Autos, deren wahrer sportlicher Kern sich nicht gleich auf den ersten flüchtigen Blick enthüllt. Um Missverständnissen zuvor zu kommen: Dino Pannhorsts Artz Golf 928 schläft nicht, er ruht nur.

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2021

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