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Über die Kunst des Sammelns mit Phillips' Uhrenexperte James Marks

Über die Kunst des Sammelns mit Phillips' Uhrenexperte James Marks

Von einer Swatch und einem Peugeot 106 zu Rolex Daytonas und einem Porsche 993 – Ex-Hedgefond-Manager James Marks hat über die Jahre das ein oder andere über das Sammeln gelernt. Nun hat er dem Börsenparkett den Rücken gekehrt, um bei Phillips in London eine aufregende neue Abteilung aufzubauen.

„Ich denke nicht, dass jemand schon als Uhrensammler geboren wird“, sagt James Marks, als wir im schicken Hauptquartier von Phillips am Londoner Berkeley Square einen Aufzug besteigen, um in einen kleinen, aber hellen Raum mit Blick auf Mayfair zu fahren. Der frühere Hedgefond-Manager trat im Juni 2018 bei Philipps ein, um die Londoner Abteilung des Auktionshauses für Privatverkäufe auszubauen. Und nachdem die Einarbeitungszeit nun vorbei ist, schien es für uns höchste Zeit, ihm einen Besuch abzustatten und herauszufinden, wie seine private Erfahrungen im Sammeln von Uhren helfen, ein aufregend neues Unternehmen zu formen, das Welten entfernt von den Dramen des Börsenparketts ist.

Wenn also niemand der geborene Uhrensammler ist, wie konnte sich James Marks dann so sehr von der Welt der Zeitmesser angezogen fühlen? „Als ich sieben Jahre alt war, gab es da einen Bekannten, der sehr viel reiste und immer limitierte Editionen von Swatch-Uhren mit nach Hause brachte“, erinnert er sich. „Da war plötzlich diese Marke mit diesen kunstvollen und so ganz anderen Plastikuhren. Und bei mir haben sie damals wohl etwas ausgelöst!“ 

Marks verkaufte seine Swatch-Sammlung, als er 17 Jahre alt war, um damit sein erstes Auto, einen Peugeot 106, teilweise zu finanzieren. Was, wie er sich beeilt herauszustellen, den Wert seiner von ihm zusammengestellten Sammlung illustriert. Nur ein Jahr später machte er seine ersten Schritte im Finanzsektor und wandte parallel dazu seine Aufmerksamkeit mechanischen Uhren zu. Ein Interesse, das eine frühe Rolex-Anzeige mit Norman Foster weckte – dem großen Architekten, der das Londoner Bankenviertel, wie wir es heute kennen, schuf. 

„Foster trug in dieser Beilage der Sunday Timeseine Explorer II mit weißem Zifferblatt und ich fand das ziemlich cool. Zu jener Zeit wurden gerade die Docklands neu entwickelt, die City erfuhr so etwas wie eine Renaissance, und diese Uhr blieb die ganze Zeit in meinem Hinterkopf. Am Ende wurde sie zur ersten Uhr, die ich kaufte.” Mit den Erfahrungen aus seinen Swatch-Tagen machte sich James Mark fortan auf seine Reise als Uhrensammler – die bis heute ihre Ebben und Fluten erlebt, da sie stets seine wechselnden Vorlieben und seine beruflichen und privaten Umstände widerspiegelt. 

„Eine Sammlung aufzubauen ist ein zutiefst persönliches Erlebnis und bildet die Persönlichkeitsentwicklungen ab, die mit zunehmenden Alter eintreten“, erklärt der 40-Jährige. „Natürlich geht man zunächst in eine gewisse Richtung, doch realisiert man bald, dass man nicht jede Uhr zu besitzen braucht und man stattdessen lieber die Sammlung verfeinern sollte. Doch um was geht es beim Sammeln wirklich? Ich denke, wenn man mit dem Uhrensammeln anfängt, sollte man es nicht mit dem Gedanken machen, ein bestimmtes Publikum zu beeindrucken. Egal, was man sammelt: Es ist nicht so wichtig, was etwas wert ist, sondern was dich selbst zum Lächeln bringt und dir Freude bereitet. Viele Leute da draußen geben an, ernsthafte Sammler zu sein – doch alles, was sie tun, ist es, Likes auf Instagram und falsche Freunde zu sammeln.“  

Und welche Uhr zaubert James Marks denn nun ein Lächeln ins Gesicht? Nun, alles von der künstlerisch-technologischen Güte der hochkomplexen Uhren eines Laurent Ferrier bis zu den Variationen der Cosmograph Daytona, für ihn das Juwel in der Rolex-Krone. Doch da gibt es noch eine Uhr, die in seiner Erinnerung einen ganz speziellen Platz einnimmt: die Patek Phillipe Ref. 5004 aus Stahl. „Für mich ist diese Uhr unterbewertet – ich liebe die 5004 für ihre Proportionen bis hin zum Lemania-Laufwerk. Ich mag auch die Tatsache, dass sie faktisch die Enkelin der Ref. 2499 ist. Es ist eine Uhr für den denkenden Mann – man muss wirklich ihre DNA verstehen, um ihren Reiz schätzen zu lernen.“ 

Es folgt die naheliegendste Frage, die wir Marks stellen wollen: Warum entschied er sich nach fast zwei Jahrzehnten in der so lukrativen Finanzwelt, in das kommerzielle Geschäft mit Uhren und zugleich beim Auktionshaus Phillips einzusteigen? „Ich war gegen in meiner Karriere eine Mauer gestoßen“, bekennt er. „Ich erinnere mich, wie ich als Portfolio-Manager in einem Meeting saß und ein junger Kollege bemerkte, dass ich mehr Zeit mit dem Betrachten gelbgoldener Rolex Daytonas als goldener Charts zubrachte. Was eine sehr zutreffende Beobachtung war!“

„Wenn Du 24 Jahre alt bist und in einer Bank arbeitest, ist das alles wie in ‚Wolf of Wall Street.’ Doch mit 34 hast du schon andere Wünsche ans Leben. Als einstiger Kunde von Phillips hatte ich schon immer bewundert, was Aurel Bacs – der frühere Auktionator bei Christie’s, der im November 2014 mit seiner Partnerin Livia Russo das neue Uhren-Department von Phillips aufbaute – nach seiner Ankunft getan hatte und wie er jeden Aspekt des Geschäfts anging. Das setzte Phillips von den anderen Häusern ab. Ich wollte ein Teil dieses Teams sein, und als sich in London eine Vakanz ergab, schrieb ich einen einseitigen Businessplan, und von da an entwickelte es sich einfach so weiter. Von diesem Punkt an war ich wieder total motiviert.“ 

Der angesprochene Plan sah die Expansion des Privatgeschäfts von Phillips in London in Form neuer Räumlichkeiten am Berkeley Square vor. Marks hatte erkannt, dass Großbritannien historisch betrachtet Uhrauktionen immer gemieden hatte und – dass zumindest in London – der Markt von einer Handvoll mächtiger Händler dominiert wurde. Weil dem so war, erwartete er, dass diese Händler ohne zu viele Fragen zu stellen oder zu antworten gerne mit ihm handeln würden. Die erweiterte Abteilung ist für ihn ein Werkzeug, dass es Philipps erlauben wird, seine britischen Kunden besser zu „erziehen“ – entweder durch interessante Ausstellungen oder private Beratungen. Zugleich will man breitere Kundenschichten erreichen. 

„Wir mussten die Abteilung so erweitern, dass sie die Auktionsseite des Geschäfts nicht schmälern, sondern sie eher ergänzen würde“, erklärt Marks. „Wir müssen verstehen, dass es Kunden gibt, die eine Uhr im August kaufen oder verkaufen wollen und nicht bis zu einer Auktion im Oktober warten wollen – wir müssen also 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche im Einsatz sein.“ 

„Es gibt in punkto Qualität übrigens absolut keinen Unterschied zwischen unseren Auktionlots und und den Stücken, die wir in Privatverkäufen anbieten. Es geht uns vielmehr darum, unseren Kunden mit anfassbaren Stücken unser Verständnis von Qualität zu demonstrieren. Letztendlich ist unser Anspruch so hoch, dass wir rund 90 Prozent der Uhren, die uns angeboten werden, ablehnen müssen.“

James Marks verlässt den Raum und kommt kurz darauf mit einer kleinen Schachtel voller Uhren zurück – manchmal sprechen Uhren einfach besser als Worte. Und in der Tat ist die Qualität der Stücke – vier Rolex Daytona und eine Patek Philippe Nautilus, alle aus trendigem Edelstahl – außergewöhnlich. Die Rolex Cosmograph Daytona Ref. 6263 zum Beispiel wirkt makellos, bis hin zum hellroten „Daytona“-Schriftzug auf dem kristallklaren Zifferblatt sowie der vertrauenerweckenden Sicherheit des Armbandverschlusses. 

„Wir konzentrieren uns auf zwei Dinge: Herkunft und Qualität. Ich denke, der Uhrenmarkt ist noch anspruchsvoller als der Sammlermarkt für Autos – die Leute würden eine Rolex Daytona aus den 1970er Jahren mit unpassendem Gehäuse oder falschen Zeigern einfach ignorieren. Es ist für uns weitaus schwerer, eine gute Herkunft zu erforschen und sie zu belegen, doch ist das fundamental wichtig für unser Geschäft und hält unsere Motivation hoch. In dieser Hinsicht darf man die Bedeutung von Paul Newmans sogenannter „Paul Newman Daytona“, die wir 2017 für 17,8 Millionen Dollar verkauft haben, nicht unterschätzen.“  

Marks betont darüber hinaus, dass beim Sammeln von Dingen auf so hohem Preisniveau – seien es Uhren, Autos oder Weine – das Investment immer ein signifikanter Faktor ist. Und zwar unabhängig von deinen Intentionen oder wie sehr du wirklich liebst, was Du kaufst. „Ich denke, dass Leute, die sich als Sammler und nicht als Investoren bezeichnen, ein Stück weit naiv sind“, kommentiert er. „Sie stecken Geld in etwas, für dessen Erwerb sie sehr hart gearbeitet haben. Und wenn es dann heißt, das Auto oder die Uhr sind plötzlich nichts mehr wert, sind sie entsprechend unzufrieden. Das sind dann dieselben Leute, die, wenn sie mit Gewinn verkaufen, ihren Freunden nicht erzählen, wie schwer es ihnen gefallen ist, das gute Stück weggegeben zu haben – sondern lieber, wieviel mehr Gewinn sie damit herausgeschlagen haben!“ 

Ehe wir gehen, können wir nicht ablehnen, zusammen mit Marks noch eine kleine Spitztour in seinem exquisiten Porsche 911 Carrera 4 durch Mayfair zu machen. Es ist ein Auto, das wie so viele seiner Uhren einen speziellen Platz in seinem Herzen hat. „1997 brachte Porsche genau so einen 911 der Baureihe 993 zur Docklands Motor Show. Ich war damals 17 Jahre alt und erinnere mich, wie ich regelrecht durch und über ihn gekrochen bin – und dachte, dass dies das absolut Größte sein müsste.“ 

„Ich sage den Leuten immer, dass sie Autos oder Uhren nicht für die Ewigkeit kaufen müssen. Es ist schließlich kein Eheversprechen. Man sollte einfach das Beste kaufen, das man sich in diesem Moment leisten kann. Eine höhere Stufe kann man später immer noch erreichen. Doch bei diesem Auto habe ich wirklich Schwein gehabt: Es hatte nur zwei Vorbesitzer und 153.000 Kilometer auf der Uhr, dazu eine komplette Händlerhistorie. In meinen Augen ist das nicht mein Auto, sondern das meines Sohnes. Wir verbringen eine Menge Zeit damit und es repräsentiert unsere Vater-Sohn-Verbindung.“ 

Die voluminösen Hüften des Carrera 4, die schlichten silbernen Bremssättel und der Perleffekt des Lacks lassen den 993 selbst im Vergleich zu den aktuellen Porsche 911 sehr modern aussehen. „Ich bin immer zum Alten zurückgekehrt, um das Neue zu verstehen“, fasst Marks seine Philosophie zusammen. „Bei den Uhren ist es das Gleiche. Für mich ist dieses Auto der letzte große Porsche 911 und ich liebe einfach alles, wofür er steht.” Während wir uns entfernen, schallt uns noch das dröhnende Knistern des luftgekühlten Boxers hinterher – und Marks grinst über das ganze Gesicht. Müssen wir noch mehr sagen? 

Fotos: Tom Shaxson for Classic Driver © 2019 

Phillips wird seine nächste private Verkaufsausstellung mit dem Titel Well Suited: An Exhibition in Partnership with Thom Sweeney vom 15. bis 21. März 2019 in seiner Zentrale am Berkeley Square in London abhalten.