Über dem Nürburgring ziehen Nebelschwaden und tauchen die legendäre Rennstrecke in ein mystisches Licht. Noch scheint es ein ganz normaler, wenn auch etwas frischer Dienstagmorgen zu sein. Doch das ändert sich schlagartig, als die ersten Trucks der Carrera Cup Deutschland Teams langsam in das Fahrerlager rollen und ihre Parkposition vor den Boxen an der Strecke einnehmen. Binnen Minuten herrscht eine geschäftige Atmosphäre im Paddock. Mit routinierter Gelassenheit sitzt jeder Handgriff beim Bezug der Teamboxen und dem Entladen der neuen Porsche 911 GT3 Cup Rennwagen. Die Teams haben die meist noch unbeklebten Cup-Elfer erst vor wenigen Tagen übernommen und sind nun an den Nürburgring gekommen, um in den nächsten 48 Stunden ihr neues Rennfahrzeug im Rahmen von Workshops und ersten Testfahrten bis ins letzte Detail kennenzulernen.
Auch das Nebulus Racing by Huber Team bezieht gerade seine Box. Noch hat Teamchef Christoph Huber einige Minuten für ein kurzes Gespräch. Für den bayerischen Rennmanager, dessen Team seit 2016 beim Markenpokal startet, beginnt mit dem neuen Porsche 911 GT3 Cup eine neue Zeitrechnung im Carrera Cup Deutschland. „Wir nutzen das Rollout Event, um alle Feinheiten des neuen Autos im Detail kennenzulernen. Natürlich dienen diese Tage auch dazu, das Team nach einer langen Winterpause wieder an die Rennstrecke zu bringen.“ Für Huber und sein Team ist die Saison 2021 eine besondere Herausforderung – gilt es doch, den Gesamtsieg des Vorjahres zu verteidigen.
Während im Medienzentrum des Nürburgring das erste Briefing der neun Teamchefs und ihrer Chefmechaniker stattfinden, werden die Rennwagen in den Boxen bereits für die Testfahrten am nächsten Tag vorbereitet. Vor der Box des HRT-Motorsport Teams blicken zwei Rennmechaniker mit etwas Sorge in den grauen Himmel: Wird das Eifelwetter für die morgigen Testläufe bessere Bedingungen bieten als an diesem typischen Nürburgring-Tag mit Nebel, Regen, Graupel und stürmischen Böen? Man muss es nehmen wie es kommt. Dieses Credo passt auch perfekt zu dem freundschaftlichem und gelassenen Umgang der Teams untereinander. Noch am späten Abend herrscht geschäftiges Treiben im Fahrerlager, bis auch in der letzten Box die Lichter ausgehen.
Die Sorge der beiden Mechaniker scheint am nächsten Morgen mehr als unbegründet. Über der Start-Ziel-Geraden strahlt die Sonne, als die Phalanx der neuen Porsche 911 GT3 Cup Rennwagen auf der Strecke zu einem Gruppenbild mit dem neuen vollelektrischen Safety Car, einem Porsche Taycan Turbo S, akkurat in Position gebracht werden. Letzterer hat schon in der Saison 2020 bewiesen, dass er auch vollelektrisch mithalten kann, wenn es darauf ankommt. Immer wieder zücken die Umstehenden ihre Mobiltelefone, halten den wichtigen Moment mit einem Schnappschuss fest.
Selbst Porsche-Rennlegende Olaf Manthey ist von dem Anblick der brandneuen Rennsportgeräte sichtlich beeindruckt. Schon 1990, in der ersten Saison des Championats, hatte er sich auf einem Porsche 911 der Generation 964 den Gesamtsieg gesichert. Bis heute ist der Carrera Cup für ihn eine der anspruchsvollsten Rennserien überhaupt – und eine wichtige Schule: „Gegenüber Rennwagen mit Frontmotor und Heckantrieb verlangt ein Porsche 911 von seinem Fahrer einen völlig anderen Fahrstil, um mit dem Auto schnell sein zu können. Dies trägt auch zur eigenen Entwicklung der Fahrer und ihrer Fähigkeiten bei.“
Das Wetter hält und ab 10 Uhr beginnen die ersten Testläufe. Es ist dieser Moment, auf den alle Teams die vergangenen Stunden hingearbeitet haben. Die ersten Porsche 911 GT3 Cup drehen mit brachialem Sound ihre Runden. In den Boxen ändert sich derweil die Stimmung. Immer noch sitzt jeder Handgriff routiniert, doch man spürt deutlich die Euphorie aller Techniker und auch der Porsche-Spezialisten aus Weissach, die neuen Rennwagen nun endlich auf der Strecke in Aktion zu sehen. Nicht zuletzt ruht diese Routine an der minutiösen Vorbereitung auf diesen Tag und die Saison. Die Monate ohne Rennen nutzen die Teams zur Vorbereitung. Der Carrera Cup Deutschland bietet verschiedene Workshops zu ganz unterschiedlichen Themen an.
In der Box des CarTech Motorsport by Nigrin Teams ist es nicht anders. Teamchef David Prusa verfolgt lässig in Nadelstreifenhose und Team-Sweatshirt die ersten Testfahrten seines Talentpools-Fahrers. Der rennbegeisterte Bayer, so verrät er in einem ruhigen Moment, betrachtet den Carrera Cup Deutschland als die beste Talentschmiede überhaupt – und zwar nicht nur für die Piloten, sondern auch die Teams. Und tatsächlich: Sieht man sich in den Boxen um, so fallen nicht nur die vielen jungen Talente in den Cockpits auf, sondern auch die jungen Menschen um die Fahrer herum. Um die Zukunft des Rennsports muss man sich keine Sorgen machen.
Doch auch der spannendste Testtag neigt sich schneller seinem Ende entgegen, als den Teams und Fahrern lieb ist. Und so rasant wie der Rennzirkus des Carrera Cup Deutschland seine Zelte aufgeschlagen hat, so schnell sind auch die letzten Rennwagen wieder verladen und die Karawane der Teamtrucks macht sich auf den Weg nach Hause. Der Abschied ist allerdings nicht für lang: Bereits am 29. April sehen sich die neun Teams auf dem legendären Circuit de Spa-Franchorchamps in Belgien wieder. Dann wird der neue Porsche 911 GT3 Cup beim ersten Lauf der Saison im Rahmen der FIA World Endurance Championship seine offizielle Rennpremiere beim Carrera Cup Deutschland feiern.
Auch der Vorsitzende der Geschäftsführung von Porsche Deutschland Alexander Pollich freut sich auf die Saison 2021: „Man merkt wie sehr die Teams auf den Saisonstart hinfiebern und es kaum abwarten können endlich unter Rennbedingungen den neuen 911 GT3 Cup einzusetzen. Dieses Roll-Out-Event ist daher ein extrem wichtiger Teil der Saison, damit die Teams letzte Detailfragen zum neuen Rennwagen mit unseren Spezialisten vor Ort klären können.“
Fotos: Mathieu Bonnevie für CD Works © 2021