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Sie bauen keine GT-Renner mehr vom Format dieses mächtigen Saleen S7R

Sie bauen keine GT-Renner mehr vom Format dieses mächtigen Saleen S7R

Als ein All-American-Hero trug dieser Saleen S7R maßgeblich zu einer goldenen Ära des GT-Langstreckensports bei. Heute ist er das perfekte Sammlerauto für die PlayStation-Generation unter den Enthusiasten. Wir blickten unter die Oberfläche...

Amerikanische Rennfahrer waren schon immer vom Mythos Le Mans fasziniert. Bei den Konstrukteuren und Teams wechselten sich dagegen Phasen großen und geringeren Interesses ab. Was nicht heißen soll, dass amerikanische Marken der Geschichte des großen Rennens nicht auch ihren unauslöschlichen Stempel aufgedrückt hätten. Vom bizarr geformten Cadillac „Le Monstre“ über die Ford GT40 und Chevy Corvettes bis zum in jeder Hinsicht exotischen Panoz Esperante hat sich der markerschütternde Sound des unsterblichen amerikanischen V8 seit Jahrzehnten in das Gedächtnis der Le Mans-Zuschauer eingebrannt. 

Auch wenn er die Le Mans-Rekordbücher nicht in Flammen gesetzt hat, so ist der Saleen S7R ein Modell, das zur passenden Zeit auf das Radar von Sammlern aus der PlayStation-Generation rückt. Schließlich gehören GT-Rennwagen der Neuzeit zu den wenigen Erfolgsgeschichten im Sammlermarkt der jüngeren Vergangenheit. 

Florent Moulin, Besitzer dieses speziellen S7R und Gründer von Art & Revs in Luxemburg, sieht das ganz genauso. Er behauptet, dass die aktuelle Gruppe junger Sammler die Regeln bricht und nach etwas Anderem sucht. Nach Wagen, zu denen sie noch eine persönliche Beziehung haben. „Man muss daran erinnern, dass von 1982 bis in die frühen 90er-Jahre Gruppe C-Prototypen um die Langstrecken-WM fuhren“, sagt Moulin. „Ab Mitte der Neunziger erlebte dann die GT-Klasse eine Renaissance, auch in Le Mans. Es begann eine goldene Ära voller faszinierender und technologisch bahnbrechender Supercars.“

Der Saleen S7R trug seinen Teil dazu bei. Der imposante Mittelmotor-Sportwagen ist das Werk des langjährigen Ford-Tuners Steve Saleen und trat in der Premier League des Sports, der GT1-Kategorie, an. Während die extrem seltene Straßenversion in Irvine, Kalifornien, gebaut wurde, übertrug Saleen die Konstruktion der ersten Rennversionen an Ray Mallock Ltd. (RML) in England. Der dann in Anbetracht des begrenzten Budgets einen phantastischen Job machte. Verwindungssteifes, leichtes Spaceframe-Chassis mit einem zusätzlich verstärkend wirkenden Unterboden in Honeycomb, eine das Regelbuch voll ausnutzende Langheckkarosse aus Kohlefaser, Aufhängungen nach (liberalen) LMP1-Spezifikationen und ein auf 7,0 Liter aufgebohrter V8 von Roush – mit diesem Gesamtpaket zeigte der S7R anfangs hoffnungsvolle Performance, wurde aber hauptsächlich durch auf den Motor zurückzuführende Zuverlässigkeitsprobleme gebremst. 

So kam es, dass der S7R 2003 zurück an das Zeichenbrett in Kalifornien kam – nachdem zuvor Ford für die Weiter- und Neuentwicklung des Autos eine beträchtliche Geldsumme lockergemacht hatte. Billy Tally, führender Kopf bei Saleens technologischem Ableger Speed Lab, machte sich frisch ans Werk und ließ fast kein Teil unberührt. Der vielleicht größte Unterschied zwischen den bei Mallock gebauten Autos und den von Acemco Motorsports eingesetzten Modellen war der Motor. Zwar noch immer ein 7,0-Liter-V8, kam er diesmal aus der PS-Küche von Don Panoz Firma Elan Technologies. Panoz war selbst ein Opfer des defektanfälligen Roush-Triebwerks geworden und daraufhin zum Bau seiner eigenen Motoren übergegangen. Ein Schritt, der sich voll auszahlen sollte. 

Dieses Modell mit Chassisnummer 029R ist das erste aus der „Evolution“-S7R-Serie und wurde im Januar 2004 im Ford-eigenen Windkanal final abgenommen. Unmittelbar darauf wurde das Auto von Acemco gekauft, einem Team aus Michigan, dass bis dahin GT2-Ferrari und -Porsche eingesetzt hatte. Nun ging es mit dem Saleen in die Rennen zur heiß umkämpften American le Mans Serie (ALMS). Obwohl man aus einer „David-gegen-Goliath“-Rolle gegen die Werks-Corvettes antrat, bescherte der #029R seinen Fahrern sechs Podiumsplätze und Platz zwei in der GT1-Klasse. 

„Die Ankunft des Evolution S7R markierte so etwas wie eine Neugeburt des immerhin schon vier Jahre alten Modells“, sagt Moulin. „Nachdem sie das Potential des Acemco-Autos erkannt hatten, erwarben sowohl Zakspeed als auch Oreca S7R-Modelle, um damit in Europa die Konkurrenz zu ärgern.“ Chassis 029R wurde zusammen mit seinem Schwesterauto 031R – das zufälligerweise nun auch Moulin besitzt – im Jahr 2007 an ein belgisches Team und 2008 weiter an die tschechische Équipe „K Plus K Motorsport“ verkauft. In der Saison 2009 der FIA GT Championship gelang der Fahrerpaarung Karl Wendlinger/Ryan Sharp beim Saisonauftakt in Silverstone mit dem sechs Jahre alten S7 der Sieg gegen die Zwölfzylinder-Maserati MC12. Auch beim fünften Lauf auf dem Hungaroring wurden sie als erste abgewunken, jedoch nachträglich wegen einer technischen Unregelmäßigkeit disqualifiziert. 

Doch das war es auch, und nun sind wir in der Gegenwart. Und fragen, worin in der heute von Rennwagen so besessenen Sammlerwelt wohl der Reiz des Saleen S7R liegt? „Es geht damit los, dass die GT-Fahrzeuge von Aston Martin und Ferrari aussehen wie lediglich für den Rennsport modifizierte Serienmodelle. Der Saleen dagegen sieht genauso aus wie das Straßenauto, nur ergänzt um diesen großen Heckspoiler“, fährt Moulin fort. „In dieser Hinsicht ähnelt er dem Maserati MC12 und immer, wenn ich mit dem Auto bei Veranstaltungen auftauche, scheint er bei den Zuschauern etwas auszulösen.

Zweiter Punkt: Seine Leistung ist so leicht abrufbar. Man muss schon Profirennfahrer sein, um einen Gruppe C-Prototypen aus den Achtzigern wirklich genießen zu können. Beim Saleen dauert es nur maximal fünf Runden, und man ist bestens mit ihm vertraut. Trotz seiner imposanten Erscheinung und den tollen Leistungsdaten fährt er sich wie ein 1100 Kilo schwerer Prototyp. Sicher, man spürt ein Massenträgheitsmoment, doch das Chassis ist unglaublich verwindungssteif und der Anpressdruck spielt bei hohen Geschwindigkeiten eine große Rolle. Eine Corvette oder ein Ferrari 550 haben vielleicht mehr mechanischen Grip, doch kommen sie über eine einzelne Runde nicht mit einem Saleen mit. GT2-Autos werden blitzschnell zu mobilen Schikanen. 

Der 7,0-Liter-Motor von Elan ist eines der besten Triebwerke, die ich je erlebt habe. Er hat die Charakteristik eines Elektromotors, die Drehmomentkurve ist zwischen 4500 und 7000 Umdrehungen flach wie ein Tafelberg. Wir stellten das Auto auf den Prüfstand und maßen 700 PS und 900 Nm Drehmoment. Doch ehrlich gesagt: Das Auto ist aus der Fahrerperspektive eher undramatisch: Es baut dieses leichte Untersteuern auf, was man gerne hat bei einem Rennwagen, und zugleich blockiert niemals ein Rad oder das Heck wird unruhig. Aus dem leisen, kokonartigen Cockpit nimmt man die Geschwindigkeit des Wagens gar nicht richtig wahr. Bis man dann ein GT2-Auto passiert! Ein Ferrari von Prodrive ist im Vergleich dazu weitaus fordernder.“ 

Nach einer peniblen Restaurierung bei Art & Revs in Luxemburg im Jahr 2018 wurde das Potenzial des S7R #029 R unmittelbar offensichtlich: Sieg in der GT1-Klasse der Endurance Racing Legends Championship von Peter Auto und sogar Gesamtsieg mit Florent Moulin himself am Steuer vor den im gleichen Feld startenden Prototypen beim Lauf in Le Castellet. „Trotz ihrer stark gestiegenen Beliebtheit verstehen viele Leute diese modernen Langstreckenautos noch nicht vollständig“, beklagt Moulin. „Sie sind sehr einfach einzusetzen und zu fahren und, was besonders wichtig, unglaublich sicher. Für die jüngeren Kunden von heute übrigens ein sehr wichtiges Kriterium.“ 

Von insgesamt 15 Exemplaren wurden nur acht zu S7R Evolutions-Typen umgebaut. Auch die Straßenversionen sind ähnlich selten. Chassis 029R verkörpert nicht nur das Beste aus dem neuen Segment der modernen GT-Rennwagen, die mit jedem neuen Tag mehr an Marktwert gewinnen, sondern auch ein wirklich unvergessliches – und überraschend leicht zugängliches – Fahrerlebnis. Und ist dazu ein All-American-Hero, der mehr als nur eine Duftmarke in Europa hinterlassen hat. Wie heißt doch das alte (englische) Sprichwort: „There’s no replacement for displacement.“ Frei abgewandelt auf Deutsch: „Es gibt keinen Ersatz für Hubraum. Außer noch mehr Hubraum!“ 

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Art & Revs © 2020

Die Produktion dieses Beitrags wurde unterstützt von Art & Revs. Sie finden diesen Saleen S7R von 2003 zum Verkauf im Classic Driver Markt gelistet; dazu das erlesene aktuelle Inventar des Luxemburger Sammlers und Experten für Wettbewerbsfahrzeuge.