Herr Manzoni, für den World Design Contest 2011 sollten Studenten aus aller Welt den Ferrari der Zukunft gestalten. Wie konnte Sie der Entwurf der koreanischen Gewinner überzeugen?
Das Projekt war eine Herausforderung – auch professionelle Designer hätten hier ihre Schwierigkeiten gehabt. Für uns war ausschlaggebend, dass der Entwurf Schönheit und Harmonie mit einem hohen Grad technischer Innovation verband. Nicht allen Studenten ist diese Kombination gelungen. Die zweitplatzierten Studenten aus Turin etwa haben zwar ein wunderschönes Modell präsentiert – doch der Wagen könnte auch aus unserer Zeit stammen. Die koreanischen Studenten überzeugten uns nicht nur mit einem sehr professionell gefertigten Modell, auch ihre Ideen für das Karosseriedesign und den Innenraum waren neu und innovativ. Womit sie ebenfalls punkten konnten, war der umweltfreundliche technologie Ansatz.
In der Vergangenheit hat Ferrari eine enge Zusammenarbeit mit Pininfarina gepflegt. Wird das hauseigene Centro Stile in Maranello in Zukunft mehr Relevanz gewinnen?
Schon heute ist unser Design Center voll funktionsfähig. Doch natürlich arbeiten wir auch weiterhin mit Pininfarina zusammen. Zu Beginn eines neuen Projektes rufe ich einen Wettbewerb zwischen beiden Teams aus, um die Motivation zu erhöhen. Sobald das Projekt eine höhere Entwicklungsstufe erreicht hat, versuchen wir die besten Ideen in einem Modell zusammenzubringen. Es ist ein Synergieeffekt. Von welcher Seite sich wieviele Ideen durchsetzen, variiert von Fall zu Fall.
Der Supersportwagen der Zukunft muss gleichzeit extremer und nachhaltiger ausfallen. Wie bringt man diese Gegensätze als Designer zusammen?
Schon heute bedeutet Leistung etwas anderes als noch vor wenigen Jahrzehnten. Früher ging es nur um die maximale Geschwindigkeit, die maximale Beschleunigung. Die Anforderungen sind sehr viel komplexer geworden, wir müssen auch an die Leistung der Materialien denken, beispielsweise beim Leichtbau. Der Ferrari der Zukunft muss deshalb ein Hypersportwagen sein – hypertechnologisch, hyperökologisch und hyperschnell. Diesen Spagat müssen wir bewältigen.
Welcher historische Ferrari ist die größte Inspiration für Ihre Arbeit?
Mein persönlicher Favorit ist der Ferrari 330 P3/4 aus den Sechzigerjahren. Aber ein Revival kommt nicht in Frage. Die Idee des Revivals ist eine rückwärtsgewandte Idee. Als ich jung war, träumte ich von Raumschiffen. Heute beschäftigen wir uns unentwegt mit der Vergangenheit. Das ist nicht die richtige Richtung. Die Historie von Ferrari dient natürlich als Inspiration und Motivation, um auf Basis der DNA der Marke immer wieder etwas völlig Neues zu schaffen und Déjà-vus zu vermeiden. Dieser Anspruch macht unsere Arbeit noch schwieriger, da er ein tiefergehendes Verständnis der Meta-Sprache der klassischen Form verlangt. Doch wie Le Corbusier schon sagte: Tradition ist die Kette vergangener Innovationen.
Stellvertretend für alle Jungen, die davon träumen, eines Tages einen echten Ferrari zu entwerfen: Sie haben den besten Job der Welt, richtig?
(Lacht) Man trägt natürlich auch eine immense Verantwortung. Wenn man an einem neuen Auto arbeitet, darf man träumen. Gleichzeitig hat man natürlich auch immer Enzo Ferrari im Kopf und alles, was er in der Vergangenheit geleistet hat. Man ist praktisch aus Tradition verpflichtet, jedes Mal ein neues Meisterwerk zu schaffen. Ich bin deshalb mein strengster Kritiker – und auch der meines Teams. Wenn ich von etwas nicht absolut überzeugt bin, höre ich auf und beginne mit einer anderen Idee. Bei einem Massenhersteller mit großer Modellpalette lässt es sich verschmerzen, wenn ein einzelnes Modell nicht perfekt gelingt. Ferrari ist anders: Man kann nicht aufhören, bevor man nicht das Maximum an Schönheit erreicht hat. Das ist vielleicht die größte Herausforderung.
Interview: Jan Baedeker