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Fünf Fragen an: Emerson Fittipaldi, Formel-1-Legende

Fünf Fragen an: Emerson Fittipaldi, Formel-1-Legende

Er zählt zu den Helden des Formel-1-Rennzirkus: Emerson Fittipaldi, Lotus-Pilot und zweifacher Worldchampion, 1972 und 1974. Classic-Driver-Autor Mathias Paulokat sprach mit Emerson Fittipaldi am Rande des 18. Goodwood Festival of Speed.

Herr Fittipaldi, Sie sind regelmäßig zu Gast in Goodwood und reisen meist extra aus Brasilien an. Wie sind Ihre Eindrücke vom diesjährigen Festival?

Das stimmt, ich komme oft und gerne hierher. Das Goodwood Festival of Speed ist ein jährliches Highlight. Das Festival wächst von Jahr zu Jahr. Das besondere an Goodwood ist, dass es Generationen verbindet. Das ist weltweit einmalig. Man läuft hier über den Platz und trifft auf Sir Stirling Moss, Tony Brooks und wenig später auf Lewis Hamilton und Jenson Button. Wo gibt es das sonst? Dann kommen natürlich die Fahrzeuge hinzu, diese ungeheure Vielfalt aus allen Epochen des Motorsports - das ist faszinierend. Für uns Fahrer ist dieses Aufeinandertreffen auch sehr besonders. Man trifft auf Weggefährten und auf seine alten Rennwagen, mit denen man gelitten und gewonnen hat. Das ist Geschichte, die plötzlich lebendig wird. Zudem freue ich mich, dass Lotus sehr stark zurück kommt. Nicht nur hier in Goodwood. Kimi ist gut unterwegs. Das aktuelle Team fährt insgesamt sehr erfolgreich in der Formel 1 und knüpft an alte Erfolge an. Man spürt das - auch hier beim Festival. Ich bin sehr stolz darauf, ein kleiner Teil einer großartigen Geschichte sein zu dürfen.

Beim diesjährigen Festival gehen Sie mit zwei Rennwagen an den Start. Was genau geht da in Ihnen vor?

Ja, ich fahre hier den Lotus 49 und den Typ 72, mit dem ich Weltmeister wurde. Wenn ich in eines dieser Fahrzeuge steige, ist es so, als würde ich mich in eine Zeitmaschine setzen. Alles fühlt sich so an wie früher. Der Geruch ist noch da. Die Sitzposition stimmt. Das Lenkrad liegt noch genau wie vor 40 Jahren in meinen Händen. Der Motorklang - alles so wie früher. Auch die Tücken von früher sind noch vorhanden. Jedes Fahrzeug hat seine besondere Eigenschaften, die man sich erarbeiten musste, um ihrer Herr zu werden. Der 72 von Lotus war ein positives Beispiel. Er war und ist beeindruckend konstant. Man konnte enorm verlässlich mit dem Auto arbeiten und Dinge anpassen und verändern. Für mich ist heute klar, dass dieses Auto das beste gewesen ist, das ich in meinen rund 300 Rennen gefahren bin. Wenn ich mich in dieses Auto setze, steigen Erinnerungen auf und werden plötzlich lebendig. Unsere alten Rennwagen, das sind heute Zeitmaschinen.

 

Fünf Fragen an: Emerson Fittipaldi, Formel-1-Legende
Fünf Fragen an: Emerson Fittipaldi, Formel-1-Legende Fünf Fragen an: Emerson Fittipaldi, Formel-1-Legende

Dann steigen wir gedanklich doch in eine dieser Zeitmaschinen: Wie war das eigentlich, vor 40 Jahren die Formel 1 zu fahren?

 

Für uns Fahrer war es großartig, emotional mitreißend. Jedoch auch sehr gefährlich. Als ich in England ankam, das war 1969, war Jim Clark bereits Tod. Er verunglückte 1968. Das schwor die Fahrer damals noch stärker zusammen. Es gab Kameradschaften und enge Freundschaften, die heute wohl so nicht mehr möglich sind. Man begegnete einander mit großem Respekt. Denn jeder wußte: Mit diesen Autos gegen die Zeit zu fahren, das bedeutete höchstes Risiko. Für einen selbst, aber auch für die anderen Piloten. Ich sprach gerade eben mit Jacky Ickx darüber. Er fuhr damals direkt vor mir im Team Lotus und später dann bei Ferrari. Die Teams, das waren für uns beinahe Familien.

Und wie muss man sich den damaligen Lotus-Rennstall vorstellen? Heute arbeiten über 500 Personen im Lotus-Formel-1-Team bei Enstone. Der Ort wirkt wie eine Raumschiff-Basis. Den Ingenieuren steht modernste Technik zur Verfügung. Alles wirkt klinisch rein und bis auf den Nanometer durchdacht...

Das war früher anders. Das gesamte Team bestand damals aus vielleicht 40 Personen für zwei Fahrzeuge. Chef, Entscheider und auch erster Techniker war Colin Chapman. Computer? Was für Computer? Wir hatten damals keine Computer. Ich behaupte: Brauchten wir auch nicht. Denn wir hatten Colin. Der legte kurz seinen Finger an die Stirn, überlegte einen Moment, und schon kamen die Ideen und Informationen, die wir benötigten, um das Auto besser zu machen. Der Chefmachaniker und seine Mannschaft setzte das dann sofort um. Colin Chapman war ein Genie. Der alle Daten in seinem Kopf abgespeichert hatte und sie zu jeder Zeit abrufen konnte. Das war beeindruckend. Das Team war klein, aber sehr effizient.

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Wie unterscheiden sich die Fahrer damals und heute - was macht Ihrer Meinung nach einen guten Rennfahrer aus?

Ich denke, an erster Stelle kommt die Passion. Die absolute Passion. Man muss sich zu 110 Prozent seinem Sport verpflichten, sonst wird es nichts mit einer Rennfahrerkarriere. Dann kommt ein gewisses Talent hinzu und der unabdingbare Wille, hart an sich zu arbeiten, um gute Ergebnisse zu erzielen. Wichtig sind zudem noch körperliche Fitness und eine sehr schnelle Reaktionszeit. Motorsport auf höchstem Niveau ist ein komplexer Sport. Es mag leicht aussehen, doch es ist oft hart erarbeitet. Körper und Geist müssen im ersten Schritt komplett verzahnt sein und zusammen wirken. Im zweiten Schritt müssen Fahrer und Auto zu einer Einheit werden. Ich sage immer: Das Auto ist die Verlängerung des Fahrers. Und der Fahrer ist die Verlängerung des Autos. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Autos allerdings sind viel schneller geworden. Die Elektronik reizt die Technik bis auf das letzte Quentchen aus. Deswegen kommt es so sehr auf den Fahrer an. Heut gilt mehr denn je: Der Fahrer entscheidet, ob das Team ein Rennen gewinnt oder verliert.


Fotos: Lotus

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