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Viel Glück der Silver Spitfire beim Start zum „Längsten Flug“

Viel Glück der Silver Spitfire beim Start zum „Längsten Flug“

War auch für Sie die romantische Epoche der Luftfahrt ein für allemal vorbei? Nun, jetzt können Sie wieder in Erinnerungen schwelgen. Denn zwei britische Piloten sind gestern mit einer herrlich originalen Spitfire zu einer viermonatigen Weltumrundung aufgebrochen. Wir waren beim Start dabei...

Gestern Nachmittag haben zwei furchtlose Piloten mit dem Start in ein Abenteuer mit epischen Proportionen die romantische Epoche der Fliegerei wiederauferstehen lassen. In den nächsten vier Monaten wollen Steve Brooks (58) und Matt Jones (45) mit einer der originalgetreuesten unter allen noch flugtauglichen Supermarine Spitfire Mk IX eine veritable Weltumrundung absolvieren. Und auf dem Weg mit rund 150 Zwischenlandungen 30 unterschiedliche Länder besuchen. 

Wir folgten einer Einladung von IWC Schaffhausen, Titelsponsor des „The Longest Flight“ getauften Unternehmens, um Brooks und Jones beim Aufbruch zur ersten Etappe zu verabschieden. Sie führte vom Goodwood Aerodrome, Standort der Boultbee Flight Academy, nach Lossiemouth in Schottland. Während der ganzen Reise tragen die Piloten spezielle IWC Pilotuhren vom Typ Timezoner Spitfire Editions an den Handgelenken. Schon 1948 hatte IWC mit der Mark XI eine erste Uhr (mit antimagnetischem Werk) für die Royal Air Force entwickelt und gebaut. 

„Es hat zweieinhalb Jahre mit sehr viel Vorplanung gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen“, erklärte Jones auf einer kurz vor dem Start angesetzten Pressekonferenz. „Das Flugzeug sah wie eine Spitfire aus, als wir sie 2017 erworben haben. Doch drei Monate später dann wie die 40.000 Einzelteile, aus denen sie zusammengebaut ist. Die Silver Spitfire hier so komplett stehen zu sehen, ist schon allein für sich betrachtet eine Riesenleistung. Und jetzt ist es unsere Aufgabe, sie in einem Stück wieder zurückzubringen.“ In der Tat: Denn die einsitzige Spitfire war zwar im Zweiten Weltkrieg auf verschiedenen Kriegsschauplätzen im Einsatz, doch noch nie flog eine um die Welt. 

Brooks ergänzte: „Bei diesem Trip steht die Spitfire im Mittelpunkt, als eines der fraglos besten jemals gebauten Flugzeuge. Ein Symbol internationaler Freiheit für die ganze Welt. Wir betreiben die Boultbee Flight Academy seit nunmehr zehn Jahren und haben festgestellt, dass dieses Flugzeug neben dem Vereinigten Königreich auch noch vielen anderen Ländern viel bedeutet. Bei unserem Flug auf niedriger Höhe werden Menschen auf der ganzen Welt den Merlin-Motor hören und die Silver Spirit an ihrem Himmel glänzen sehen.“

Die Mark IX mit Kennzeichen G-IRTY wurde Ende 1943 bei Vickers Supermarine Ltd. in Castle Bromwich gebaut, flog im zweiten Weltkrieg 51 Einsätze und landete danach in einem Museum. Im Krieg wurde sie von zwölf unterschiedlichen Piloten bei Einsätzen über Australien, Kanada, Norwegen, Trinidad und, natürlich, dem Vereinigten Königreich geflogen.

Während der „nuts-and-bolts“ Restaurierung wurden unter anderem alle 80.000 Nieten des historischen Jägers entfernt, zugleich jedes Einzelteil forensisch untersucht und neu konditioniert. Die Originaltreue ist beeindruckend – für eine sichere Flugdurchführung kamen nur ein GTN 650 (GPS/COM/NAV/MFD) und ein GMA 345 Audio Panel von Garmin neu ins Cockpit. Zugleich wurde das Fassungsvermögen der Tanks von 80 auf 120 Liter vergrößert, um so die Reichweite auf rund 1.600 Kilometer zu strecken. Nach dem Zusammenbau wurde das Flugzeug nicht mehr lackiert, sondern nur noch poliert – daher der Kosename „Silver Spitfire“. 

Die viermonatige Reise über eine Gesamtdistanz von 23.500 nautischen Meilen (43.443 Kilometern) führt zunächst über die Zwischenstationen Schottland, Faröer und Grönland nach Kanada. Von da aus geht es für Brooks und Jones quer über die USA bis nach Nome (Alaska) und dann über die Bering-Straße nach Russland. Von dort wollen sie nach Südwesten – über Japan, Südkorea, China, Vietnam, Thailand, Myanmar, Bangladesch nach Indien. Bis Weihnachten will man nach Überquerung des Nahen Ostens, des Mittelmeers (mit Zwischenlandung auf Zypern) und Europas zurück in England sein. Geplant ist die Ankunft in Chichester am 8. Dezember; deutsche Fans können das Flugzeug – wenn alles planmäßig verläuft – am 29. November in Schönhagen (südwestlich von Berlin) bestaunen. Wir drücken die Daumen!

Die Herausforderungen sind groß, und Hindernisse fast unvermeidlich. Jones ist ein erfahrener Spitfire-Pilot, Brooks hingegen hat erst vor kurzem den Umstieg vom Helikopter zu Fluggeräten mit festen Flügeln gemacht und in den vergangenen sechs Monaten entsprechend fleißig trainiert. Im Fall mechanischer Probleme steht eine die Spitfire begleitende Pilatus PC-12 bereit. In ihr reisen neben dem jeweils nichtfliegenden Spitfire-Piloten Gerry Jones als Chefingenieur des Projektes, Lachlan Monro als Projektdirektor und der Luftfahrt-Fotograf John M. Dibbs, der den Flug dokumentiert und später einen Bildband über den Flug veröffentlichen will.Zusätzlich sind auch wichtige Ersatzteile im Gepäck. Schon im Vorfeld wurden Tankdepots angelegt, um die Spitfire auch in entlegenen Gegenden mit dem nötigen Spezialtreibstoff betanken zu können.

Die größte Unbekannte für Brooks und Jones ist jedoch das Wetter. „In Europa gibt es tausende Flugplätze, doch in abgeschiedenen Regionen kann es sein, dass nur alle 600 bis 800 Kilometer ein Ladeplatz vorhanden ist“, sagt Jones. „Aus diesem Grund haben wir alles getan, um uns in heiklen Situationen ein Sicherheitspolster anzulegen, wie zum Beispiel über die vergrößerten Tanks. So können wir zum Beispiel auf einer 400-Meilen-Etappe, bei der 40 Kilometer vor unserem Ziel eine Schlechtwetterfront aufzieht, umkehren und wieder sicher zu unserem letzten Abflugort zurückfliegen.“ 

Zum Glück hatte sich das für den Start angekündigte schlechte Wetter verzogen, sodass während der letzten Vorbereitungen strahlender Sonnenschein herrschte. Und speziell in diesem Licht sah die Silver Spitfire einfach sensationell aus – das Hochglanzfinish akzentuierte ihre perfekt proportionierten Linien besonders gut. Am 11. Juli hatte das Flugzeug zu seinem zweiten Erstflug abgehoben; der Motor wurde danach über 35 Flugstunden getestet und brachte den Jäger auf bis zu 7.620 Meter – so hoch keine andere Spitfire seit 1950 den Himmel erklommen hat. Schon dabei schien es, als könne es die alte Lady kaum erwarten, wieder loszufliegen. 

In seiner Rolle als IWC-Botschafter war neben einer Reihe weiterer VIPs auch Formel 1-Veteran David Coulthard in Goodwood. Wir hatten die Chance, den gemeinhin auskunftsfreudigen Schotten nach seinem Interesse an der Luftfahrt zu befragen. Überraschenderweise kam heraus, dass Klein-David noch vor seinen ersten Gehversuchen im Go-Kart schon in die Lüfte ging!

„Unsere Familie stammt aus der Transportindustrie und wir besaßen seit 1916 ein Fuhrunternehmen an der Westküste Schottlands“, erzählte er uns. „Um das Vereinigte Königreich zu versorgen, betrieb mein Vater ein kleines Flugzeug. So kam es, dass ich schon als kleiner Junge die Steuerknüppel von Flugzeugen bediente. Da ahnte ich noch nicht, dass ich einmal als Formel 1-Fahrer die Welt bereisen würde.“

Während seiner Karriere als Fahrer und später TV-Experte hatte Coulthard das Glück, mit dem Royal Air Force Aerobatic Team – besser bekannt als die „Red Arrows“ – zu fliegen und auf dem Rücksitz einer F/A-18 Hornet der australischen Luftwaffe Platz nehmen zu können. Wir sind ziemlich sicher, dass beide Erlebnisse nicht mit dem Moment mithalten konnten, an dem David an Bord einer Spitfire mit zwei Plätzen abhob, um Matt Jones auf den ersten Meilen des „Längsten Flugs“ zu eskortieren.

Als sich Jones majestätisch von der Formation begleitender Spitfires gelöst und nach einer Schleife die Nase nordwärts gen Schottland gerichtet hatte, erinnerten wir uns an etwas, das er zuvor noch am Boden gesagt hatte: „So schwer das Unternehmen auch werden wird, müssen wir uns immer vor Augen halten, dass es keinen einzigen Piloten von damals geben würde, der jetzt nicht liebend gerne mit uns tauschen würde. Denn es war für immer die Landung, auf die sich am meisten gefreut haben.“ 

Wir wünschen Matt und Steve alles Glück für dieses unglaubliche Abenteuer – wenn Ihr schon eine kleine Zahl von Menschen inspirieren könnt – was ihnen ohne Zweifel gelingen wird – dann war das schon die ganze Anstrengung wert. Hals- und Beinbruch!  

Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2019