Die Kunst der Wirkung
Wenn man Papiertaschentücher herstellte und auf der Suche nach einem unvergesslichen Firmenlogo war, dann wandte man sich an Saul Bass, auch dann, wenn man für einen neuen Film ein einprägsames Plakat brauchte, dass Menschen in die Kinos lockte. Der Mann, der heute zu den wichtigsten Grafikdesignern des 20. Jahrhunderts gezählt wird, entwarf den Kleenex-Schriftzug und das Poster für Hitchcocks Thriller „Vertigo”. Was zunächst als Druck, Stich und Lithographie begann, entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einer visuellen Form, die neuen, noch jungen Feldern wie Tourismus, Industrieprodukten und Film ein Gesicht verlieht. Aber auch politische Parteien und Bewegungen profitierten von den graphischen Möglichkeiten, ein Publikum zu erreichen. Aber anders als Künstler haben Grafiker und Kommunikationsdesigner, wie man sie heute nennt, selten die Anerkennung erfahren, die ihren Beitrag zum Zeitgeist und zum Erspüren von Trends widerspiegelt. In seiner umfassenden und reich illustrierten „Geschichte des Grafikdesigns” (auf Englisch, Französisch und Deutsch) beschreibt Jens Müller die Entwicklung dieser unterschiedlichsten Formen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die späten fünfziger Jahre. Der Band bietet einen internationalen Überblick und spannt zugleich eine visuelle Zeitlinie zusammen mit Porträts der wichtigsten Gestalter und ihrem Einfluss auf die unterschiedlichsten grafischen Anwendungsgebiete. Zu den bedeutendsten Persönlichkeiten gehört auch Edward Johnston, der als Lehrer für Kalligrafie, das Logo und die Typografie der Londoner U-Bahn entwickelte - visuelle Ikonen, die jeder auch außerhalb Londons sofort wiedererkennt. Das Buch kostet 50 Euro, aber wessen Interesse für Kommunikationsdesign dadurch geweckt wurde, darf sich auf eine Zugabe freuen, denn Jens Müller und Taschen bereiten gerade den zweiten Band vor. Er ist den Epochen zwischen den sechziger Jahren und der Gegenwart gewidmet.
Fotos: Taschen