Wenn Sie in den letzten Wochen die sozialen Medien verfolgt haben, dann ist Ihnen bestimmt dieser fantastische Porsche 911 2.0 von 1965 ins Auge gestochen. Selbst Porsche gehört zu den Followern dieses Kunstwerks in den charakteristischen Streifen des namhaften britischen Designers Paul Smith.
Dieser farbenfrohe 911 entstand aus einer Idee von James Turner, dem Mitgründer von Sports Purpose und Richard Tuthill von Tuthill Porsche. Sie begeisterten Marcus Black, zuständig für Licensing bei Paul Smith um gemeinsam dieses kühne Konzept in exquisiter Manier zu realisieren.
„Marcus und ich hatten uns vor einiger Zeit über ein anderes Projekt von mir unterhalten - und es hatten zwischen uns Klick gemacht”, erzählt Turner als wir uns im Drivers`Club-Garten beim Goodwood Festival of Speed 2018 am letzten Wochenende zusammen mit seinen Partnern trafen. „Er hat schon viele Jahre mit Paul Smith gearbeitet. Als sich die Möglichkeit ergab, gemeinsam mit Richard einen Rennwagen zu bauen, war es naheliegend, bei Marcus anzufragen, ob wir das Fahrzeug im breiten, für Paul Smith typischen Artist Stripe lackieren dürfen.”
Diese ersten Sondierungen fanden vor erst sechs Monaten statt und - wie man hört - musste Paul Smith höchstpersönlich nicht erst überzeugt werden. „Es brauchte nur die Skizze des Autos, die auf einer Seite Platz hatte und das Farbschema”, sagt Black. „Paul Smith war immer ein Fan des Porsche 911, schließlich gehörten ihm auch über die Jahre mehrere Exemplare. Es gibt sogar ein schönes Bild von Paul und seiner Frau Pauline mit ihrem 911 im Hintergrund.”
Nachdem Paul Smith an Bord war, machte sich Richard Tuthill mit seinem 35-köpfigen Team bei Tuthill Porsche sofort an die Umsetzung. Der Plan war ursprünglich, rechtzeitig zum Porsche Classic-Rennen bei der Le Mans Classic Anfang Juli ein 2-Liter-Fahrzeug mit kurzem Radstand zu bauen, dass den FIA-Spezifikationen vor 1966 entsprach. Turner sollte der Fahrer sein. Klar war auch, dass der Le Mans-Termin natürlich unverrückbar war, auch für ein verrücktes neues Art Car-Konzept.
„Abgesehen von dieser Deadline war auch die Lackierung problematisch, weil wir von Paul Smith nicht die exakten Farben erhalten konnten”, erklärt Tuthill. „Das Unternehmen hatte diese für Materialien und Vinyl, aber die Farbcodes ließen sich nicht in die Pantonefarben für den Lack übertragen. Es ging soweit, dass wir in unserer eigenen Lackiererei Farben selbst zusammenmischten und miteinander berieten, welcher Ton wohl am besten zur Vorgabe passte.”
Als Folge wurde drei unterschiedliche Lackierungen bei dem 911 aufgetragen, wobei für jede ein unterschiedlicher Prozess zur Anwendung kam. Und als wäre das nicht genug, wurde entschieden, dass der Artist Stripe sowohl im Innenraum wie auch auf der Unterseite fortgeführt werden sollte. Insgesamt hat das Paul Smith-Treatment noch mal 400 Arbeitsstunden mehr beschert, als die 200 Stunden, die Tuthill normalerweise fürs Lackieren eines 911 veranschlagt.
Aber das Trio, das uns in Goodwood gegenüber saß, war sich uneingeschränkt einig, dass sich diese enorme Mühe gelohnt hat. Die Qualität und di Detailversessenheit sind schlicht umwerfend und belegen die Expertise, die Geduld und den Einsatz des Tuthill-Teams. Die Streifen sind millimetergenau an einander gefügt. Selbst die nicht sichtbare Rückseite eines jeden Karosserieteils ist perfekt. „Als wir einmal losgelegt hatten, konnten wir uns nicht mehr bremsen”, sagt Tuthill. „Selbst die Ballastbox im Beifahrerfußraum und die Batteriebefestigung sind halb in der einen, halb in der anderen Farbe gestrichen.”
Wo Innenraumaspekte wie Sitze und Überrollkäfig nicht an das Farbspiel des Fahrzeugs angepasst werden konnten, zerbrach man sich darüber den Kopf, ob sie für die ästhetische Ausstrahlung des Porsche von Vor- oder Nachteil sein würden. „Wir diskutierten, ob ein Käfig in schwarz den totalen Look zerstören würde”, erläutert Turner. „Aber Marcus hatte einen Geniestreich - wir würden den Käfig in dem Dunkelgrün wiederholen, das man an der Nase des Autos findet.”
Zu den krönenden Details des Art Car zählen ein vom 917 inspirierter hölzerner Schaltknauf mit Paul Smiths Unterschrift und das „2 LTR”-Nummernschild, das and den „2.0L Cup” erinnert, eine neu formierte Einzelhersteller-Rennserie für 2,0-Liter-Porsche 911 mit kurzem Radstand und gebaut vor 1966. Turner selbst hat diese neue Serie zusammen mit Lee Maxted-Page, Historika und Peter Auto ins Leben gerufen.
Tuthill Porsche ist nicht nur weltweit für die hochwertige Bearbeitung von rennbereiten Porsche 911 berühmt, sondern auch für deren Verlässlichkeit und Leistung. Aber Richard war in dieser 2-Liter-Klasse in einem anderen Fabrikat unterwegs gewesen und konnte nur etwa zehn Meilen im Paul Smith-911 absolvieren, denn er musste sofort nach Le Mans transportiert werden, wo er sich drei Rennstunden lang hervorragend schlug. Auch in Goodwood erfreute sich das Art Car bester Gesundheit: Charlie Settrington, der Erbe Goodwoods, jagte den Porsche enthusiastisch über die Hügellandschaft des legendären alten Bergrennens.
Kaum hatte sich die Start-Ziel-Flagge das letzte Mal gesenkt, sprang Turner in den Multicolor-Porsche und eilte damit vom Paddock direkt zum Pub. Er bog nur einmal ab, um am Goodwood Motor Circuit für Fotos parat zu sein und die eine oder andere nicht langsame Runde zu drehen. Die untergehende Sonne tauchte die kunstvoll inszenierte Karosserie des „65ers” in goldenes Licht. Wie kann man da nicht von diesem kleinen Rennwagen hingerissen sein?
„Wenn ich mir persönlich einen Porsche aussuchen dürfte, dann wäre es der Short-Wheelbase-911 von 1965”, ist sich Tuthill sicher. „Diese kleinen Modelle sind toll zum Fahren - kompakt, leicht, gut zu beherrschen. Man kann so wild fahren, als wollte man die Türen absprengen, und bringt sich dabei doch kaum in Schwierigkeiten.” Dieses große Lob stammt immerhin von einem Mann, der in einem selbst umgebauten 997 R-GT-Rallyefahrzeug mehrere Etappen der Rallyeweltmeisterschaft WRC meisterte.
Neben Aktionen wie dem Paul Smith-911 und „The 2.0L Cup” hat Turners ansteckende Porsche-Passion auch dazu geführt, dass er das erste Luftgekühlt-Treffen auf britischem Boden organisierte - mit der ausdrücklichen Zustimmung von Patrick Long und Howie Idelson, den Gründern dieses luftgekühlten Kultevents. „Ich liebe Dinge, die neu und anders sind. Als Pat mit Luftgekühlt startete, war klar, dass er damit den üblichen, konventionellen Rahmen sprengen würde. Wenn man eine neue Geschäftsidee entwickelt, überlegt man auch, wie man das auf eine pfiffige Art beweben könnte. Es ist schon ein Wagnis, aber Patrick ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit und es macht Spaß, mit ihm zu arbeiten.” Und natürlich wird sich Classic Driver dieses Fest nicht entgehen lassen - wir sind schon ganz gespannt.
Aber wie sieht die weitere Zukunft des Paul Smith 911 aus? „Die Resonanz war überwältigend”, freut sich Turner. „Wenn man sich so ein Projekt vornimmt, mit allen Kräften drinsteckt, dann ist das Licht der Öffentlichkeit wie eine Feuerprobe. Der Porsche erhielt die meisten Likes auf dem Paul Smith-Instagram Account. Ich mag es sogar, dass er nicht jedem gefällt. Ohne Marcus wäre das nie realisiert worden, die Leistung von Tuthill Porsche hat uns überhaupt sprachlos gemacht.”
Turner hofft, dass er bei ein paar europäischen 2.0L Cup-Läufen mit von der Partie sein kann, ebenso wie bei der Tour Auto. Und noch etwas hat er sich ganz fest vorgenommen: In zwanzig Jahren steigt er in den Kunst-Porsche, um in Südfrankreich bei der örtlichen Boulangerie die Frühstücks-Croissants abzuholen. Wetten, dass die Bewohner eines verschlafenen Dörfchens genauso verblüfft reagieren werden, wie Goodwoods Pub-Besucher an jenem Freitagabend?
Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2018
Wir bedanken uns bei Gabriel Ludlow, Matt Hearn und Sam Fairweather für die Erlaubnis, dass wir uns nach der offiziellen Öffnungszeit am Goodwood Motor Circuit aufhalten durften.