Le Mans spricht die Menschen auf ganz unterschiedliche Art und Weise an, aber für jene, die den Helm aufsetzen, um sich in diesem Klassiker der Langstrecke zu messen, gehen die Erinnerungen von diesen besten Plätzen in vorderster Reihe natürlich besonders unter die Haut.
Und genau deswegen haben wir uns auf die Suche nach Rennfahrern aufgemacht, um sie nach ihren Lieblingserinnerungen vom Circuit de la Sarthe zu bitten. Dieses Jahr waren die 24 Stunden von Le Mans durchaus unterhaltsam, wenngleich nicht unbedingt ein Thriller. Für uns war der Anblick der beiden Teams von Classic Driver-Händlern, die es erfolgreich über die Ziellinie schafften - die Ferrari 488 GTE des reinen Frauenteams Iron Dames von Kessel und GTC Guikas -, natürlich ein besonderes Vergnügen. Glückwunsch an Toyota, die ihren zweiten Sieg in Folge feiern durften und ein besonderer Dank an Porsche, die uns an diesem Wochenende so gut umsorgten. Zu behaupten, dass man gerne an diese Tage zurückdenkt, wäre wirklich eine Untertreibung.
Ein Meer von Menschen
Hurley Haywoods drei Le Mans-Siege sind nur die Spitze des Eisbergs, mit der man seine außerordentliche Karriere vergleichen könnte. Zum Résumé des amerikanischen Rennfahrers gehören fünf erste Plätze bei den 24 Stunden von Daytona, zwei bei den 12 Stunden von Sebring und zwei IMSA GT-Meisterschaften. Um die Leistungen dieser Motorsportlegende zu würdigen, wurden Haywood in diesem Jahr eingeladen, als Grand Marshall in Le Mans zu fungieren.
„Ich hatte Glück, dieses Rennen dreimal zu gewinnen”, erzählte er uns. „Ich war dabei, als die Konfiguration der Pit Lane verändert wurde - der Blick auf dieses Meer von Menschen da draußen hat bei mir für Gänsehaut gesorgt. Einfach nur durchstehen ist hier der Schlüssel, und wenn man dann endlich ankommt, ist es eine solche Erleichterung. Wenn man dann noch das Glück des Sieges erfährt, erlebt man eine schier unglaubliche Achterbahn der Gefühle. Mein Sieg 1994 war etwas Besonderes, denn der Dauer 962 war nicht das schnellste Auto, dennoch hatten wir Fortuna auf unserer Seite und machten ein perfektes Rennen.” Wer das nacherleben möchte, sollte sich unbedingt den Dokumentarfilm „Hurley” ansehen, der von Patrick Dempsey produziert worden ist und Haywoods außerordentliche Geschichte erzählt.
Pedal to the Metal
Der US-Fahrer Cooper MacNeil war hoch zufrieden, beim diesjährigen Rennen - seinem sechsten Auftritt in Le Mans - zwei Teamkollegen zu haben. Im Jahr 2015 waren er und Jeroen Bleekemolen gezwungen, das Rennen als Duo zu fahren und rückten damit als Folge auf ihrem Porsche 911 in die GTE Pro-Kategorie auf. „Ich denke, dass ich damals rund elfeinhalb Stunden am Steuer saß”, erinnert er sich. „Dieser Kursverlauf ist zwar technisch nicht so anspruchsvoll, aber durch das hohe Tempo muss man andauernd top konzentriert sein, vor allem, wenn Gedränge herrscht. Mental hat es uns alles abverlangt, aber mit dem fünften Platz insgesamt haben wir ein unglaubliches Resultat erreicht.” Der Ford GT als Sieger der GTE AM-Klasse am letzten Wochenende wurde wegen eines Kraftstoff-Verstoßes disqualifiziert und somit rückten MacNeil und sein Weathertech Racing-Team unverhofft auf den dritten Platz vor. Bravo, Cooper!
Fortuna und Le Mans
Mit sieben Starts in Le Mans unter seinem Gürtel, weiß Sam Hancock nur zu gut, wie schnell sich das Blatt bei diesem Klassiker der berüchtigten Langstrecke wenden kann. Wir trafen uns mit Sam während einer kurzen Pause bei seiner Aufgabe als Fernsehkommentator. Noch immer hat er sein schmerzliches Ausscheiden 2011 in Erinnerung: Er war auf einem aussichtsreichen vierten Platz insgesamt und nur noch vierzig Minuten auf der Uhr im Cockpit seines wunderbaren Aston Martin LMP1-Rennwagen in Gulf-Farben.
„Das ist der, der mir entkommen ist”, erzählte er uns. „Es gab sechs Dieselfahrzeuge in dieser Kategorie und aus irgendwelchen Gründen fielen die Peugeot zurück und damit waren wir genau dort, wo wir sein wollten - an der Spitze der Benzinautos. Es waren nur noch 45 Minuten bis zum Ende des Rennens, ich hatte gerade meinen letzten Stint absolviert und Darren Turner sollte das Steuer übernehmen als der Motor bei der Ausfahrt aus der zweiten Schikane stockte. Vermutlich war es eine Kombination aus Realitätsverweigerung und überwältigender Müdigkeit, aber irgendwie schleppte und stotterte ich das Auto bis zur Arnage. Der Moment, der mir unvergesslich ist: Ich kletterte aus dem Aston Martin und bei den Zuschauern brandete so etwas wie ein solidarischer Applaus auf. Das ist der Spirit von Le Mans!”
Ganz oder gar nicht
Bevor er sich aufmachte, die heftig umkämpfte GTE Pro-Kategorie in seinem Ferrari 488 GTE zu gewinnen, bekamen wir den Briten James Calado zu fassen, als er die Garage betrat. In seiner Erinnerung hatte sich nicht ein besonderer Moment festgesetzt, sondern eher der schiere Wagemut, der nötig ist, um in Indianapolis mit über 300 Stundenkilometern Runde um runde anzugreifen. „Ernsthaft, man muss allen Mut zusammenreißen, fest auf die Zähne beißen, wenn man das vor sich hat. Es braucht eine Weile bis man den Speed aufgebaut hat. Im Qualifying spürt man aber, dass man immer noch nicht die eigene Komfortzone gefunden hat - jetzt muss man ein strenges Wort mit sich sprechen und der Psyche einen Tritt geben. Man legt sich schlafen und hofft. Und wenn es dann im Rennen tatsächlich passt, ist das ein einfach unheimlich gutes Gefühl!”
Von Hollywood nach Les Hinaudières
„Ich liebe die Rennfahrerei, weil es meine Leidenschaft ist und mir einen größeren Adrenalinstoß versetzt als die Schauspielerei” hat uns Patrick Dempsey auf die Frage entgegnet, ob er lieber hinter dem Steuer eines Rennwagens oder vor der Kamera auf dem Filmset agiert. Der Hollywoodstar, Amateurrennfahrer und Eigner von Dempsey Proton Racing hat sich in der Welt des Motorsports gut etabliert und erfüllte sich 2015 einen langgehegten Traum, denn er sicherte sich auf einem Porsche den zweiten Platz in der GTE AM-Kategorie. Vor dem Start des diesjährigen Rennes, erhielt Dempsey die Auszeichnung Spirit of Le Mans.
„Ich liebe einfach dieses Rennen”, erzählte er uns nachdem er uns zu einer Tour durch die Garage bei Sonnenuntergang geführt hatte. „Ich war das erste Mal 2009 dabei, und es war verrückt, dass einer unserer Fahrer erkrankte und wir uns nunmehr zu zweit diese Herausforderung bewältigen mussten. Ich fand das wirklich toll, weil es mich an die Rennen und hartgesottenen Fahrer der Vergangenheit erinnerte. Ich habe den Fehler gemacht, einzuschlafen. Als ich aufwachte, packte mich jemand und schob mich zurück ins Auto. Während der ersten paar Runden habe ich fieberhaft überlegt, wo zur Hölle ich bin. Aber ich war gerade dabei, einen Traum wahr werden zu lassen und hatte Adrenalin pur in den Adern - ich musste dieses Rennen zu Ende fahren, und das haben wir geschafft.”
Wunderschöne Verwirrung
Für den dreimaligen Le Mans-Sieger und Rebellion Racing-Piloten André Lotterer fand der allererste Sprung auf den obersten Podiumplatz 2011 - ein Sieg für Audi Sport und der unvergesslichste für ihn. Wäre da nicht vorher eine simple Verwechslung gewesen, die ihn zwang, um sein Leben zu fahren, hätte sich dieser Triumph nie ereignet. „Bei meinem vorletzten Stint dachte ich noch ich wäre an zweiter Position. Aber eigentlich führte ich das Feld an und vergrößerte noch den Abstand”, erinnerte sich Lotterer. „Mein Ingenieur gab mir bei jeder Runde den Abstand durch, aber weil ich annahm, dass ich an zweiter Stelle fuhr, dachte ich auch, dass ich immer weiter hinter dem Führenden zurückfiel. Ich habe alles gegeben und konnte nicht verstehen, was sich da gerade abzeichnete. Dieser Moment gab uns beim letzten Pitstop die Chance, gleich alle vier Reifen zu wechseln und wir gewannen das Rennen - wir haben alle drei Peugeot um 13 Sekunden geschlagen.”
Gallische Glorie
Porsches GT-Werksfahrer Richard Lietz ist bereits 13 Mal in Le Mans gefahren und jedes Mal am Steuer eines 911. Wenn das nicht Markentreue ist. Sein Debüt an der Sarthe hat für Lietz eine ganz besondere Bedeutung, nicht nur, weil er siegreich war. „Ich fuhr für das französische IMSA Performance Matmut-Team und teilte mir das Fahrzeug mit Patrick Long und Raymond Narac”, erklärte er uns. „Gleich bei meinem ersten Versuch zu gewinnen, nicht zu wissen, wie herausfordernd dieser Wettbewerb ist und dann noch als Teil eines französischen Teams zusammen mit einem französischen Fahrer war schon ganz besonders. Es war auch das einzige Rennen, das mein Großvater besuchte. Schon deswegen, war es für mich sehr emotional.”
Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2019