Wenn Sie in den siebziger und achtziger Jahren ein auto-verrückter Schüler waren, dann war der Begriff „Turbo“ ein Schlagwort, das sofort für Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit sorgte. Sie wussten vielleicht nicht, was ein Turbolader ist und wie er funktioniert, aber mit Sicherheit wussten Sie, dass nur die schnellsten Autos mit dem markanten Turbo-Logo auf den Türen, der Motorhaube oder am Heckspoiler geadelt wurden. Dieses geradezu magische Wort war gleichbedeutend Hochgeschwindigkeit, einem Leistungsschub und massiven PS, die durch den durchgedrückten Gasfuß entfesselt wurden. Oder, wenn Sie „Knight Rider“ im TV der Eltern schauen durften, dann war da der Augenblick, wenn der Turbo Boost-Knopf auf der Mittelkonsole von K.I.T.T. gepresst wurde. Egal, ob Sie Verfolgungsjagden mit den Modellautos auf dem Wohnzimmerteppich inszenierten oder einfach nur traumverloren die Airbrush-Wunderautos auf den Postern im Kinderzimmer bewunderten: Wo Turbo draufstand, war Turbo-Power drin.
Während andere technologische Innovationen wie der Kompressor oder die Direkteinspritzung ihre Dienste unter der Haube vergleichsweise leise und diskret verrichteten, war es der Turbolader, der dank kettenrauchenden Marketingchefs mit Seitenkoteletten in den siebziger und achtziger Jahren eine glamouröse Karriere erlebte. Nachdem die meisten Sparten des Motorsports von den Le Mans-Langstreckenrennen bis zu den Rallyes der Gruppe B und der Formel 1 von diesem zusätzlichen, wuchtigen Schub profitierten, fanden sie, dass diese Turbo-Technologie auch die Showroom-Verkäufe anheizen würde. Und die Hersteller scheuten sich nicht, das T-Wort nach allen Regeln der Kunst einzusetzen: In großen Lettern entlang der Silhouette eines Porsche 911, auf der Motorhaubenlippe eines BMW 2002 oder eines stämmigen Peugeot 205 versprach das Turbo-Logo schier endlose Leistung. Es warnte aber auch langsamere Fahrer, jetzt besser die Fahrbahn zu räumen – zumindest dann, wenn die Motoren endlich aus ihrem Turboloch explodierten.
Das Kürzel Turbo war so eingängig wie es knackig war. Und es sah einfach immer gut aus – egal, ob die Type in Cartoon-Großbuchstaben gestaltet war wie bei Paul Braques unglaublich coolem BMW Turbo Concept oder in der wie von Hand geschriebenen Schrift von Porsches legendärem Turbo-Logo, das durch den gewaltigen Heckspoiler des Porsche 930 zur Ikone reifte. Selbst ohne tiefere Kenntnis der Typographie werden sich die meisten Petrolheads an das Lancia HF Turbo-Signum auf roten und blauen Martini-Streifen erinnern, an jenes des Saab Turbo mit dem „O“, das wie ein Turbofan gezeichnet war, die elegant überlappenden Konturen beim Lotus Esprit Turbo, die abstrakte Art Deco-Schriftart für den Peugeot 205 Turbo oder die futuristisch komprimierten Buchstaben eines Renault R5. Tatsächlich verkörperten viele der berühmten Turbo-Autos nicht nur den technologischen Fortschritt, sie hinterließen auch ihre Spuren in der Geschichte des Grafikdesigns.
In diesem neuen Jahrtausend hat das aufgeladene Triebwerk zwar den Saugmotor vertrieben, aber der Begriff Turbo hat selbst seine technischen Ursprünge verlassen und steht heute für Leistung, die nicht unbedingt durch eine Turbine und zusätzlichen Beatmungskomponenten entsteht. Obwohl heute alle Porsche 911 aufgeladen sind, ist es doch der Name Turbo, der den höchsten Vertreter der 911-Familie markiert. Selbst die schnellste Version des vollelektrischen Porsche Taycan nennt sich Turbo und verspricht damit jene „Extraportion Wumms“ von der wir alle schon als 7-Jährige träumten.
Foto: Andrea Klainguti