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In einem Porsche 356 die Antarktis umrunden war das ultimative Abenteuer unter Null

In einem Porsche 356 die Antarktis umrunden war das ultimative Abenteuer unter Null

Winterreifen aufgezogen, Skandinavier-Flick geübt, Frostschutz im Scheibenreiniger und Schaufel im Kofferraum. Trotzdem käme man nicht weit bei der Wintertour, die Klassikerrallye-Spezialistin Renee Brinkerhoff gerade in ihrem Porsche 356 überstanden hat.

Warum? Weil sich Renee Brinkerhoff im Dezember das eine Weihnachtsgeschenk erfüllte, das sie sich immer gewünscht hat. Sie hat ihr Ziel, alle sieben Kontinente in einem klassischen Auto unter mörderischen Bedingungen zu erfahren, mit einer geglückten 356 Meilen-Tour rund um die Antarktis geschafft. Ihr geliebter Porsche 356 war annähernd 20.000 Meilen lang ihr treuer Begleiter bei einer Reihe der härtesten Ausdauer-Events. Aber für Renee geht es hier um weit mehr, als die Fahrt selbst. Am Start in den Farben von „Valkyrie Racing“ hat sie jetzt fast 500.000 US-Dollar für ihre wohltätige Stiftung „Valkyrie Gives“ gesammelt, deren Mission das Ausmerzen des Menschenhandels ist. Eine Aufgabe, die durch Spenden und ein wachsendes Bewusstsein für diese globale Situation unterstützt wird.

Ihr Projekt nahm 2013 seinen Anfang, als die in Denver lebende und damals 57-jährige Renee Brinkerhoff beschloss, an ihrer Langstreckenrallye teilzunehmen – die berühmt-berüchtigte Carrera PanAmericana Mexikos. Inzwischen hat sie diese Rallye schon dreimal erfolgreich abgeschlossen und wurde „First in Class“ in 2014 und 2016. Seither haben sie und ihr silberfarbener 356, die nun beide mit 65 Jahren gleich alt sind, alle Veranstaltungen dieser Art, von der Targa Tasmania bis zu den Caminos del Incas und von der Peking-Paris-Rallye bis zur East African Classic, gemeistert, um die sechs Kontinente „abzuhaken“. Damit blieb nur noch die abweisende Antarktis. Und für eine Unmenge an Gründen verkörperte dieser in Eis gepanzerte Kontinent die größte Herausforderung von allen.

Die Vorbereitungen begannen bereits im Sommer 2020, als der Chassis-Design-Ingenieur und extremer Entdecker Kieron Bradley sich daran machte, das Auto speziell für die polar Bedingungen vorzubereiten. Dazu zählte, Gewicht wo es praktikabel war, zu reduzieren, die normale Straßenbereifung durch Tracks hinten und Skier vorne zu ersetzen. An der Front wurde ein sogenannter Gletscherspaltenrahmen mit zusätzlichen Solarmodulen montiert, zusammen mit speziellen Stützen und Aufhängung, um das Extragewicht der Skier tragen zu können. Diese spielen eine wesentliche Rolle bei dem Unterfangen, weil sie den Weg für die Tracks ebnen und in die richtige Richtung führen helfen. 

Weitere Modifikationen waren ein WIG-geschweißter Überrollkäfig, ein Niedertemperatur-Kompressor, ein Wagenheber mit vier Tonnen Kapazität, um das Auto aus tiefem Schnee heben zu können, ein Winch-Punkt am Motorrahmen und eine Getriebetemperaturanzeige. Das Design des Autos war so gestaltet, dass von Fahrersitz auch Überlebensausrüstung, Wasservorräte und Kommunikationsmittel erreicht werden könnten. Im schlimmsten Fall, wäre es auch möglich, sich über das Heckfenster aus dem 356 zu befreien.

Der treue Begleiter, der normalerweise vorbereitet und gepflegt wird von Tuthill Porsche in Großbritannien, erlebte seinen ersten Kontakt mit der Antarktis am Union Glacier, wo er Anfang Dezember ankam, um beinahe fast wieder abreisen zu müssen. Aber eine Kombination aus weltweiten Covid-Beschränkungen – die das Projekt bereits um zwei Jahre verzögert hatten – und Wetterverhältnisse, die noch schlimmer als sonst waren, bedeuteten, dass das Team beim Aufbauen des Camps drei Wochen hinter dem Zeitplan lag und außerdem nicht die Chance gehabt hatte, Kraftstofflager entlang der Route anzulegen. Deswegen entschied das Team, diese 356 Meilen lange Challenge erfolgreich zu absolvieren, in dem jeden Tag bis zu 140 Meilen gefahren würde, welche die Crew nach jeder Etappe zurück zum Base Camp führen würde. Schlechtes Wetter und andere Rückschläge hatten für Renee zur Folge, dass sie jeden Tag über mehrere Stunden fuhr. Aber sie hat es geschafft! Während eines zehn Minuten Telefonats mit Classic Driver vor dem Abflug von Punta Arenas zurück nach Denver, um mit der Familie Weihnachten zu feiern, erzählte sie uns, wie sie dieses Abenteuer erlebte.

„Ich muss zugeben, da waren Momente, in denen ich nicht sicher war. Menschen, die diese Region gut kennen, sagten, dass das Wetter seit acht Jahren in dieser Saison nicht so schlimm gewesen war: Temperaturen von minus 18 Grad – ohne die gefühlte Kälte des Windchill gerechnet – und regelmäßige White-outs, welche die Luftfeuchtigkeit extrem ansteigen ließen. Zum Glück war mein Beifahrer der Navigator und rekordbrechende Polarforscher Jason de Carteret. Simon Redhead, seit den Anfängen der Chefmechaniker von Valkyrie Racing, war in einem für die Antarktis vorbereiteten Toyota Hi-Lux mit Werkzeug und Ersatzteilen dabei.“

„Es war absolut unmöglich, schnell zu fahren, vor allem auf dem blauen Eis, dass mit Rillen und scharfen Kanten gespickt war. Manchmal waren wir mit nur 12 Meilen gut eine Stunde unterwegs, aber dann auf der glatten Schneefläche war der 356 wie entfesselt. Wir erreichten zwar nur maximal 34 Meilen die Stunden, aber es fühlte sich an, als würde wir fliegen. Aber es ergaben sich endlos Probleme. Einmal fuhren wir in einem White-out einen Gletscher hoch, die Radios funktionierten nicht und die beiden Gefährten wussten nicht, wo das andere sich befand. Es ist total desorientierend: kein Sicht, keine Zeichen oder Punkte in der Umgebung, keine Spuren.“

„Als Folge der extremen äußeren Verhältnisse verbrauchten wir rund einen Liter Kraftstoff pro Meile und manchmal würde das Auto wegen Vereisung unvermittelt liegenbleiben. Die Luftfilter würden zum Beispiel Feuchtigkeit absorbieren und dann festfrieren. Einmal musste Simon die Vergaser in einem Blizzard austauschen, weil sich die Düsen mit Eis gefüllt hatten. In zwei Situationen wollte der Motor einfach nicht laufen – es sah aus, als müssten wir ihn ausbauen und das Ersatztriebwerk, das wir in der Expeditionsausrüstung dabei hatten, einbauen. Beide Male wachten wir morgens auf und das Auto sprang perfekt an. Es war eine sehr, sehr merkwürdige Erfahrung. Aber man erzählte uns, dass es in der Antarktis häufig vorkommt, dass ein Motor wirkt, als hätte seine letzte Stunde geschlagen und dann wird er „irgendwie von alleine“ wieder flott.“

„Aber eines der größten Probleme, dass sich uns entgegenstellte, befand sich im Trägersystem der Ski. Die Naben waren mit absolut massiven Bolzen befestigt, die größer als notwendig schienen, aber sie scherten immer wieder ab, erst auf einer Seite, dann auf der anderen. Manchmal schlichen wir super langsam mit einer gebrochenen Radnabe zurück ins Camp.“ Aber nach fünf extrem belastenden Tage schaffte der kleine Porsche mit dem Herz eines Löwen dieselbe Meilenzahl wie seine Kennung – damit hatte Renee Brinkerhoff ihr Ziel erreicht. „Dieses Auto ist einfach unglaublich“, sagte sie uns. „Jedes Mal, wenn uns wieder gemeinsam etwas gelungen ist, schätze, liebe und respektiere ich es mehr und mehr. Das mag sich lächerlich anhören, aber wir sehen es fast wie eine Persönlichkeit. Niemals könnte ich mir vorstellen, mich von diesem Porsche zu trennen, es sei denn -und auch da wäre ich mir nicht so sicher -, jemand würde anbieten, den 356 zu kaufen und eine wirklich gewaltige Spende für unsere Charity zu geben“, betont Renee.

„Worüber ich aber gerade nachdenke, ist, so bald als möglich mit dem Auto an den Union Gletscher zurückzukehren. Auf der Basis seiner Performance während dieser Woche würde ich gerne versuchen, einen neuen Rekord für eine Fahrt zum Südpol aufzustellen. Es sind umgerechnet 1.138 Kilometer und der Rekord liegt bei aktuell 39 Stunden. Ein paar einfache Veränderungen am Auto – ich denke, wir könnte diese Zeit schlagen.“ Und irgendwie denken wir das auch!

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Valkyrie Racing © 2022