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Dieser maßgeschneiderte Autobianchi ist ein federleichtes Kunstwerk

Dieser maßgeschneiderte Autobianchi ist ein federleichtes Kunstwerk

Am Anfang dieser Geschichte steht ein Unfall im November 2017. Maxime Leroys Autobianchi Eden Roc Baujahr 1968 stieß in Paris mit einem anderen Auto zusammen. Zunächst war Leroy, der das Auto im zarten Alter von 25 erworben hatte, geschockt. Doch was folgte, war eine außergewöhnliche Neugeburt...

Maxime Leroy ist genau das Gegenstück des typischen Klassiker-Sammlers. Er ist ein visionärer und kreativer Mensch mit einer starken Persönlichkeit, der sein Erwachsenenleben der Zurschaustellung von Federn widmet. Er entdeckte die Kunst der „Plumasserie“ dank zweier Lehrer auf seiner Schule. Zu jener Zeit war dies die letzte in Frankreich, die die aussterbende Kunst des „Federschmückens“ noch unterrichtete. Und ist es dank Leroy, der nun zwei Tage dort selbst lehrt, bis heute. 

War der Beruf des Federschmückers oder -putzers solange üblich, wie jedermann noch Hüte trug, so verschwand er mit der Geburt der modernen Mode. In Paris haben heute noch drei mit Federschmuck arbeitende Ateliers überlebt, sie sind in der Regel für Haute Couture-Projekte tätig. Der ewig neugierige Leroy pflegt eine sehr zeitgemäße, kantige und offene Art, seine ausgefeilten Federarbeiten zu präsentieren. Sein Atelier, M. Marceau, arbeitet ausschließlich mit Federn, welche die Vögel während ihrer Mauserzeit verlieren. Entgegen allgemeiner Überzeugung sind Federn sehr stabil und trotzen der Zeit ebenso wie allen Bewegungen. 

Leroy erklärt. „Ich bearbeite und forme die Federn zu einem Material, mit dem sich ein Kleidungsstück, ein Accessoire, ein Möbel oder jedes andere Objekt veredeln lässt – es ist ein Gegenstand, über den ich leicht kommunizieren kann.“ Im Alter von 29 Jahren hat Maxime schon in den Bereichen Mode, Kunst, Fotografie, Kino und Interieur Design gearbeitet. Seine Zusammenarbeit mit Haute Couture-Giganten wie Chanel, Givenchy, Jean Paul Gaultier und Louis Vuitton haben ihm ebenfalls große Anerkennung verschafft. Im März 2017 verlieh die renommierte Stiftung Ateliers d’Art de France Leroy sogar den Preis Lauréat du Prix de la Jeune Création Métiers d’Art.

Leroy hat auch schon mit Turnschuhen, Gitarren, Kostümen für Tänzer des Moulin Rouge und sogar einem Motorrad gearbeitet, das im Pariser Atelier de Tokyo ausgestellt wurde. Er lehnt für sich den Begriff Künstler ab, will lieber als (Kunst)handwerker verstanden sein, getrieben von seinem zeitaktuellen Ansatz. „M. Marceau wurde gegründet, um unter einer neuen Generation Aufmerksamkeit für diese sterbende Kunstform zu erzeugen. Und um meinen sehr modernen und grafischen Ansatz für diese Kunstform zum Ausdruck zu bringen.“ 

Vor diesem Hintergrund und mit dem unbändigen Willen, etwas Neues zu schaffen, verwundert es kaum, dass Leroy seine Fühler auch in die Automobilwelt ausstreckte. Doch begann er nicht mit irgendeinem Oldtimer, sondern mit seinem ganzen Stolz: dem glamourösen und ach so eleganten Autobianchi Eden Roc. Das Cabriolet auf Basis des Fiat 500 wurde von 1960 bis 1969 als Bianchini in nur etwa 3150 Exemplaren gebaut und genoss den Ruf eines „Fiat für den reichen Mann“. Im Kinofilm „Wie klaut man eine Million?“ von 1966 fährt Audrey Hepburn ein rotes Bianchina-Cabriolet und das Foto von Brigitte Bardot am Steuer des offenen Italieners auf den Seiten des Magazins Jours de France machten den Eden Roc und sein etwas gewöhnlicheres Schwestermodell Bianchini zusätzlich populär. Heute sieht man berühmte Künstler wie Sophie Calle, Modedesigner wie Sylvia Rielle oder eben Maxime Leroy, die mit einem der kleinsten Cabrios aller Zeiten noch fast täglich unterwegs sind. 

Nach seinem Unfall im Jahre 2017 brachte Leroy das Auto als Erstes zu einer alt eingesessenen Autowerkstatt in Clichy. Die Garage de Staël wurde berühmt durch ihren Auftritt im Kinofilm „Max et les Ferrarileurs“ (deutscher Verleihtitel: Das Mädchen und der Kommissar) von 1971, mit Romy Schneider und Michel Piccoli in den Hauptrollen. Die Tochter des Gründers, Cecile Malardier, begann schon mit 19 in der Werkstatt zu arbeiten und ist heute die Leiterin. Spontan gefesselt von Leroys Vision und Persönlichkeit, entschied sich Malardier, mit ihm bei der Restaurierung des Autos zusammenzuarbeiten. Obwohl ihm die finanziellen Mittel für eine solch langes und umfassendes Projekt fehlten. 

Nach der Wiederherstellung der Karosserie wählten die beiden als Farbe ein schickes Dunkelblau, nicht unähnlich einem Maserati-Farbton aus den späten Sechzigerjahren. Anschließend war es an Leroy, das Auto auf seine sehr eigene, sowohl elegante wie diskrete Weise maßzuschneidern. „Dieses Auto ist mein einziger Besitz und ich liebe es wirklich“, erklärt er. „Ich möchte es für immer behalten, daher betrachte ich es wie ein Kostüm, mit den Federn als Krawatte und Manschettenknöpfe.

Das Interieur ist mit russischem Leder ausgeschlagen; das Verhältnis zwischen den Federn und den anderen Materialien wurde so gestaltet, dass die Federn nicht dominieren, sondern zusätzlich betonen. Ich habe die Federn geflochten wie für Schilfrohr, als Hommage an italienische Lederwaren und um die Illusion zu wecken, dass es sich hierbei um eine ursprüngliche Sonderausstattung handelte.“ 

Als Folge ist das gesamte Armaturenbrett mit Einlegearbeiten aus Federn dekoriert. Die Sitze sind mit speziell bearbeitetem russischen Leder bezogen und tragen im Schulterbereich einen waagerechten Zierstreifen aus Federn-Flechtwerk; ein Abarth 750-Lenkrad gibt dem Ganzen noch einen etwas sportlicheren Touch. Auf beiden Seiten der Karosserie legte Leroy dann noch ein fünf Zentimeter breites Federnband in die Chromzierleisten. Der Prozess erforderte eine akribische und hochqualifizierte Arbeit. Alle Federn bezog Leroy vom Hühnerstall seiner Eltern. Sie wurden vier Tage lang in ein Bad getaucht, dann mit einer goldbraunen Farbe eingefärbt und schließlich zusammengeklebt und verwoben. Es dauert stolze 90 Minuten, um zehn Zentimeter der Einlegearbeiten zu weben. Und trotz der Tatsache, dass Leroy das Auto nur von Hand wäscht, sind die Federeinlagen wasserabweisend. 

Für die mit der Restaurierung beauftragte Werkstatt brachte Leroys Perfektionsanspruch eine sehr präzise Arbeitsweise mit sich; ganz besonders in Bezug auf die Karosserie und die zahlreichen kleinen Details. 

Das Endergebnis ist eine Hommage an die ursprüngliche Bedeutung von Haute Couture – dieses Auto hat es nicht nötig, zu imponieren oder schrill aufzufallen. Es steht zuallererst für überragende Handwerkskunst, gepaart mit extremer Feinarbeit. Wenn Sie das nächste Mal in Paris sind und bemerken einen dunkelblauen, von einem jungen, eleganten und üppig tätowierten Mann gesteuerten Eden Roc: Zögern Sie nicht, einen genaueren Blick auf das von Leroy raffiniert geknüpfte Federkleid des kleinen Cabrios zu werfen. 

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2019 / Text: Etienne Raynaud