Mit der Versteigerung der sagenhaften Baillon Collection und des Ferrari 250 California Spyder von Alain Delon für 16,3 Millionen Euro hat Artcurial bei der Retromobile-Auktion 2015 die Sensation des Autojahres geliefert. Doch wer hätte gedacht, dass dem Team um Auktionator Matthieu Lamoure nochmals ein ähnlicher Fund glücken sollte? Tatsächlich bringt Artcurial am 5. Februar 2016 einen Ferrari unter den Hammer, der zu den begehrenswertesten Werksrennwagen der Scuderia gehört. Der 1957 gebaute und von Scaglietti karrosserierte Ferrari 335 S Spider mit Chassisnummer 0674 stammt aus der Sammlung von Pierre Bardinon und wird auf atemberaubende 28 bis 32 Millionen Euro geschätzt. "Dieser Ferrari ist gleichzeitig ein Kunstwerk und eine Königin der Geschwindigkeit", kommentierte Artcurial-Geschäftsführer Lamoure. "Er ist schön, selten, er hat Rennen gewonnen, Geschichte geschrieben, zahlreiche besondere Besitzer gehabt - und er ist absolut authentisch."
Mit seinem 3,8-Liter-V12-Tipo-40-Motor, der rund 360 PS auf die Straße brachte, war der Spider Scaglietti wie geschaffen für die großen Rennen seiner Zeit. Im März 1957 startete er für die Scuderia Ferrari bei den 12 Stunden von Sebring - mit niemand Geringerem als Peter Collins und Maurice Trintignant hinterm Steuer. Sie beendeten das Rennen auf dem sechsten Platz. Doch eigentlich war Sebring nur die Übungsrunde für die Mille Miglia im Mai desselben Jahres: Ferrari trat mit vier Werksrennwagen zum 1.600-Kilometer-Rennen quer durch Italien an, der Spider mit Chassisnummer 0674 wurde Wolfgang von Trips anvertraut, der hinter seinem Teamkollegen Piero Taruffi auf dem zweiten Platz landete. Zurück im Werk wurde der Hubraum des Zwölfzylinders auf 4,1 Liter vergrößert - der 335S war geboren. Mit fast 400 PS erreichte der Ferrari nun fast 300 km/h. Für die 24 Stunden von Le Mans wurden Mike Hawthorn (der im kommenden Jahr die Formel-1-Weltmeisterschaft gewinnen sollte) und Luigi Musso als Fahrer ausgewählt. Hawthorne stellte den ersten Rundenrekord über 200 km/h auf, musste sich aber nach fünf Stunden mit mechanischen Problemen aus dem Rennen verabschieden. Auch wenn kein wahrer Sieg mehr für den Spider hinzukam, halfen ein vierter Platz beim Grand Prix von Schweden und ein zweiter Platz beim Grand Prix von Venezuela der Scuderia Ferrari doch, den Konstrukteurstitel des Jahres 1957 für sich zu beanspruchen.
Doch damit ist die Geschichte des Ferrari 335 S Spider Scaglietti noch nicht beendet: Im Januar 1958 kaufte der berühmte New Yorker Ferrari-Importeur Luigi Chinetti den Rennwagen und ließ ihn bereits am 24. Februar beim Grand Prix von Cuba starten - mit Masten Gregory und Stirling Moss am Steuer. Das Duo siegte souverän. Nach weiteren erfolgreichen Rennen wurde der Spider im Jahr 1960 an den Architekten Robert N. Dusek verkauft. In den 1970er Jahren fand der Wagen schließlich seinen Weg nach Frankreich. Genauer gesagt: In die Hände von Pierre Bardinon, der über die Jahre rund fünfzig Ferrari-Werksrennwagen zusammengebracht hat und dessen Ferrari-Sammlung als eine der wichtigsten der Welt gilt. Wir sind gespannt, welchen Preis der Ferrari in Paris tatsächlich einbringen wird.