Direkt zum Inhalt

Der Hitze von Kapstadt in einem schwarzen Ferrari Testarossa entfliehen

Der Hitze von Kapstadt in einem schwarzen Ferrari Testarossa entfliehen

Wenn man sich auf etwas verlassen kann in Kapstadt, dann auf traumhafte Sonnenuntergänge. Es ist auch die einzige Zeit, an der man an einem heißen Sommertag einen schwarzen Ferrari Testarossa fahren kann. Um nach der besten Aussicht, die die Stadt zu bieten hat, zu suchen.

Es ist mitten am Nachmittag, als ich in meinem wenig aufregenden Golf 7  den Rhodes Drive hinunterfahre, aber zum Glück ist es nicht dieses gewöhnliche Auto, auf das ich heute mein Objektiv richten werde. Als ich von der Straße abbiege, sehe ich gerade noch, wie ein komplett schwarzer Ferrari Testarossa in eine Parklücke fährt, mit einem bekannten Gesicht hinterm Steuer. Aus steigt jetzt Aaron, den Sie vielleicht noch aus unserer Reportage über den Porsche 996 GT3 RS vom Januar diesen Jahres kennen. Er ist nicht nur der Besitzer dieses Autos, sondern auch der Mann, der die Marke Deus in Südafrika eingeführt hat, was nicht zufällig unser heutiger Ausgangspunkt ist.

Das Deus Café in Hout Bay ist viel mehr als nur ein Ort, an dem man einen Croissant einschieben und einen Kaffee trinken kann. „Wir haben die Marke Deus 2015 von Australien nach Südafrika gebracht und diesen Standort kurz vor Ausbruch der COVID-Pandemie 2019 eröffnet“, erzählt mir Aaron, während wir durch die zahlreichen Räume des alten holländischen Gebäudes gehen. „Deus ist eine Lifestyle-Marke, die Motorräder, Autos, Surfen, Radfahren, Kunst und natürlich das Restaurant und die Bar, die Bäckerei und den Friseursalon hier in Hout Bay umfasst.“ Das Interieur ist eine eklektische Mischung aus Kunst, antiken Möbeln und Langstreckenmotorrädern, die dem Ort eine ausgesprochen coole und entspannte Atmosphäre verleihen und ihn zum perfekten Start- oder Zielpunkt für eine gute Ausfahrt machen.

„Wir veranstalten hier den Parking Lot d'Elegance, der normalerweise unter dem Motto eines bestimmten Landes oder Herstellers steht“, sagt Aaron. „Wir können bis zu 30 Autos unterbringen, was eine wirklich nette Atmosphäre schafft, und wir bereiten auch ein spezielles Menü rund um die Veranstaltung vor - wir haben gerade einen fantastischen neuen Koch eingestellt, so dass unser Abendgeschäft durch die Decke gegangen ist!“ So gern ich auch bleiben und bis zum Abend im Deus Cafe faulenzen würde, draußen wartet ein Testarossa und ein Sonnenuntergang, also schlage ich vor, dass wir uns auf den Weg machen.

Mit Aaron im Testarossa vor uns, der das Sonnenlicht aufsaugt wie ein rollendes schwarzes Loch in Form eines Türstoppers, wundere ich mich, dass mein zehn Jahre alter Golf nicht sofort in den Schatten gestellt wird. Offenbar hat Aaron aber noch nicht richtig Gas gegeben, denn kaum haben wir die Abzweigung zum Ou Kaapse Weg und ein relativ gerades Stück Asphalt erreicht, wird der Ferrari vor mir immer kleiner - beeindruckend schnell, dachte ich, für ein Auto, das auf die 40 zugeht. Als wir die Steenberg-Berge überqueren, halten wir auf einem staubigen Parkplatz an, um ein paar schöne Fotos zu machen. 

Die Hitze ist zwar nicht ganz so brütend heiß wie an dem Tag, an dem wir den Porsche fotografiert haben, aber die stürmischen Winde machen schnell deutlich, dass der Besitz eines schwarzen Autos in Südafrika eine Herausforderung darstellt. Denn es stellt sich heraus, dass die frische Hochglanzpolitur Staub magnetisch anzieht und dem Ferrari schnell ein mattes Finish verleiht. Ich will mich aber nicht zu lange mit dem Lack aufhalten, denn der Anblick eines schwarzen Autos in Südafrika ist fast so überraschend wie der Testarossa selbst - typischerweise verwandeln dunklere Farbtöne den Innenraum unter der afrikanischen Sonne innerhalb weniger Minuten in einen mobilen Backofen. „Man muss sich seine Tage in det Tat aussuchen“, lacht Aaron. „Die Klimaanlage ist großartig, aber sie kann nicht die komplette Hitze ableiten, daher fahre ich den Wagen nicht unbedingt im Hochsommer.“

Auf unserem Weg durch Constantia halten wir an einer Ampel, wo ich ungläubig zuschauen muss, wie eine Gruppe von Radfahrern in einem Schwarm von nach oben gereckten Daumen ankommt, um ihre Zustimmung zum Testarossa zu signalisieren. Das Auffälligste an diesem Tag ist, wie begeistert buchstäblich jeder, an dem wir vorbeikommen, vom Anblick des Ferrari zu sein scheint. Ähnlich wie bei Aarons GT3 RS hat es dieser Supersportwagen aus den 80er Jahren geschafft, mit dem Alter alle Hemmungen fallen zu lassen. Im krassen Gegensatz zu dem kühlen Empfang, den ein zweifelhaft erworbener säuregelber Lamborghini Urus oder ein McLaren erfahren könnte, erntet der Ferrari auf unserer Fahrt durch Kapstadt überall ein Lächeln.

Dieser herzliche Empfang scheint sich noch zu verstärken, als wir uns den farbenfrohen Straßen von Bo Kaap nähern. Hier wird eines der Mankos des Testarossa deutlich, denn wir merken schnell, dass dieser 80er-Jahre-Ferrari nicht für die engen Straßen hinauf zum Aussichtsberg Signal Hill gebaut wurde. Während ich versuche, Aaron bei der Navigation durch das Labyrinth der Einbahnstraßen zu helfen, gibt er zu, dass der Testarossa nicht das am häufigsten bewegte Modell aus seiner Garage ist. „Ich fahre ihn einmal im Monat oder so. Von all meinen Autos ist er wahrscheinlich das furchteinflößendste, weil die Sicht nicht die beste ist und die Lenkung bei langsamer Fahrt sehr schwergängig ist. Es ist am mühsamsten, mit ihm aus der Garage zu rangieren, ein bisschen anstrengend für mich, aber auch am lohnendsten.“ In der Zwischenzeit hat die langsame Fahrt durch Bo Kaap den einheimischen Kindern reichlich Zeit gegeben, ihre BMX-Räder zusammenzustellen und sich um den Ferrari zu gruppieren. Vor allem diese jungen Leute strahlen beim Anblick des Testarossa und übernehmen schnell die Rolle des Bodyguards, der uns bis zur nächsten Hauptstraße begleitet.

Zurück auf dem Highway und während die Sonne langsam in Richtung Meer versinkt, fahren wir nach Norden, in Richtung Blaauwberg und zu einer Postkartenansicht, die weltbekannt ist. Als der 180-Grad-V12 des Ferrari in den Galoppmodus übergeht, frage ich Aaron, wie er in den Besitz eines so makellosen Exemplars gekommen ist. „Ich habe ihn seit etwa fünf Jahren“, erinnert er sich. „Ich habe ihn in einer Sammlung gesehen, und deren Besitzer wollte sich auf Porsche fokussieren, also habe ich drei Autos dafür eingetauscht! Einen 3.2 Carrera, einen 930 Turbo und ein Cabriolet aus der gleichen Epoche. Ich hatte sie seinerzeit günstig erworben und da der Porsche-Hype gerade seinen Höhepunkt erreicht hatte, war das ein guter Deal für mich.“ Die Antwort auf die Frage, was Aaron überhaupt zum Testarossa hingezogen hat, hätte ich mir vermutlich denken können: „Ich bin 47, also genau aus der Zeit des Testarossa und des Countach. Als Kind hatte ich beide als Poster an der Wand, deshalb ist es ein Traum, den Testarossa heute zu besitzen - es ist der ikonische Ferrari der 80er-Jahre.“ 

Das tafelbergähnliche Heck des Testarossa lenkt mich fast vollständig von der anstehenden Aufgabe ab, als wir uns unserem Ziel nähern. Doch der Anblick von Dutzenden geparkter Autos am Blaauwberg Beach holt mich in die Realität zurück - einen freien Blick auf den Tafelberg zu erhaschen, könnte sich schwieriger gestalten als erwartet. Zum Glück lenken Aarons Ortskenntnisse uns in die Richtung des perfekten Ortes - ein völlig leerer Parkplatz direkt am Wasser.

Während Schwärme von Kitesurfern im Wind hin- und herflattern und die Sonne beginnt, den Horizont zu küssen, genießen Aaron und ich eine Aussicht, die direkt von den Postern aus seinem Kinderzimmer stammen könnte. Manchmal passt ein Auto perfekt zu seiner Umgebung, und obwohl ich meine Zweifel an der Funktionalität des schwarzen Ferrari-Klassikers in der südafrikanischen Hitze hatte, lässt sich nicht leugnen, dass ein Testarossa am Meer bei Sonnenuntergang, egal wo auf der Welt, einfach verdammt gut aussieht.

Text und Fotos von Mikey Snelgar © 2022