Der rekordträchtige Bieterkrieg um die vergessenen Klassiker der Baillon Collection und der Verkauf von Alain Delons verbeultem Ferrari California Spider für 16,3 Millionen Euro bei Artcurials Rétromobile-Auktion im Februar 2015 dürfte der Automobilszene noch lebhaft im Gedächtnis sein. Für die Automobilspezialisten von Artcurial stellte sich seitdem natürlich die schwierige Frage, wie man an den Erfolg anknüpfen könnte. Tatsächlich ist es dem Team um Matthieu Lamoure und Pierre Novikoff gelungen, für den Rétromobile Sale 2016 einen noch dickeren Fisch an Land zu ziehen – jenen Ferrari 335 Sport Scaglietti, der 1957 bei der Mille Miglia den zweiten Platz belegt und 1958 den großen Preis von Kuba gewonnen hatte. Seit 1970 war der Werksrennwagen in der Pierre Bardinon Collection unter Verschluss gewesen, nun könnte er einen Sensationspreis von 28 bis 32 Millionen Euro erzielen. Das Auktionsjahr 2015 hat gezeigt, dass Sammler mehr denn je zuvor auf die Qualität und individuelle Geschichte achten und – während zweitklassige Exemplare oft stehen blieben – für ein einmaliges Auto wie diesen Ferrari fast jeden Preis zu zahlen bereit.
Für Marktbeobachter und Analysten wird derweil fast noch interessanter sein, ob auch der Ferrari 250 GT SWB von 1963 mit Chassisnummer 4065 GT, der sich die letzten 33 Jahre im Besitz derselben Familie befand und nun erstmals auf dem Markt angeboten wird, seinen Schätzpreis von 9 bis 12 Millionen Euro erreicht. Im vergangenen Jahr hatten die Preise für den einstigen Rekordpreisgaranten etwas an Zugkraft verloren – doch immerhin handelt es sich hier um das letzte gebaute Exemplar. Mit prominenten Vorbesitzern kann derweil das Ferrari 250 GT Pininfarina Cabriolet von 1960 prahlen, das einst dem Bruder des Königs von Marokko gehörte. Ob es für den Schätzpreis von 1,4 bis 1,8 Millionen Euro reicht? Auch beim einst für Gianni Agnelli gebaute Ferrari Testarossa Spider setzt Artcurial auf den VIP-Bonus und rechnet mit 680.000 bis 900.000 Euro. Wir mögen den schrägen Achtzigerjahre-Charme des Einzelstücks, fragen uns jedoch, ob ein Ferrari 365 GTB/4 Daytona mit Classiche-Zertifikat und „Matching Numbers“ für diese Summe nicht die sichere Investition wäre? Da scheiden sich selbst in der Maranello-Franktion die Geister.
Während es einst die Vorkriegs-Bugatti aus Molsheim waren, die den Markt weltweit elektrisierten, rücken nun die modernen Klassiker der „italienischen Phase“ ins Rampenlicht. Sammler und Investoren werden sehr genau beobachten, ob die Renn- und Rekordversionen des Bugatti EB110 tatsächlich die geforderten 800.000 bis 1,2 Millionen Euro einbringen – und ob der Bugatti EB112 von 1999 einen Käufer findet, der sich für sein merkwürdiges Design begeistern kann. Auch moderne Sportwagen anderer Marken halten mittlerweile ganz selbstverständlich in den Auktionskatalogen Einzug: Porsche 959 und Lamborghini Countach findet man kaum noch unterhalb der Millionengrenze und ein Neunzigerjahre-Exot wie der Lancia Hyena Zagato soll plötzlich 220.000 bis 260.000 Euro kosten. Ob 250.000 bis 300.000 Euro für einen zwanzig Jahre alten Porsche 911 / 993 Carrera RS eine vernünftige Summe sind, während der seltenere Carrera RS der 964-Reihe bloß auf 150.000 bis 200.000 Euro geschätzt wird, muss die Sammlergemeinde entscheiden. Unverständlich ist uns derweil, warum man 400.000 bis 600.000 Euro für einen Ferrari California der ersten Serie von 2010 ausgeben sollte – Top-Ausstattung und Schaltgetriebe hin oder her.
Besonders angetan haben es uns zwei Autos aus dem Katalog: Da ist zunächst ein, wie es scheint, wunderbar behutsam restaurierter Alfa Romeo 6C von 1929 mit Originalmotor und interessanter Renngeschichte, der 1,35 bis 1,55 Millionen Euro kosten soll – wir sind gespannt, uns den legendären Rennwagen in Paris genauer anzusehen. Das vielleicht angemessenste Auto, um die Pariser Auktion mit französischer Nonchalance zu verlassen, ist schließlich der erste jemals produzierte Facel Vega FV von 1954; ein Meilenstein in der französischen Automobilgeschichte und mit einem Schätzpreis von 350.000 bis 550.000 Euro vergleichsweise ein Schnäppchen! Zudem präsentiert Artcurial in Paris mit den 48 klassischen und modernen Citroën aus der André Trigano Collection erneut eine prominente französische Sammlung, aus der es uns vor allem der abenteuertaugliche 2 CV Sahara angetan hat. Doch egal, an welches Auto aus dem Katalog man letztlich sein Herz verschenkt: Wir wünschen allen Bietern bonne chance!