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Abenteuer in den Schottischen Highlands mit Amy und "Mayo the Mini"

Abenteuer in den Schottischen Highlands mit Amy und "Mayo the Mini"

Wer sich von Regen und Nebel nicht schrecken lässt, findet in den Schottischen Highlands einige der schönsten und spannendsten Straßen der Welt. Unsere junge Fotografin Amy Shore hat sich mit ihrem getreuen Mini "Mayo" auf den Weg in den hohen Norden gemacht - und berichtet nun von ihrem Road Trip.

Es war vielleicht nicht die ausgedehnte Grand Tour am Steuer eines Ferrari 250 GTO, aber für meinen kleinen Austin Mini Mayfair, Baujahr 1985, war es auf seine Art eine durchaus herausfordernde Reise. Ich besitze meinen Mini, den ich Mayo getauft habe, weil er in einem cremigen Weiß lackiert ist, nun schon fünf Jahre. Das Auto war mir schon immer ein wahrer Schatz, und jetzt haben wir gemeinsam unsere längste Reise unternommen. Übrigens ist es auch der längste Road Trip, den ich "solo" absolviert habe. Also gleich zwei Premieren.

Tag 1 - Die Nacht vor dem Morgen danach

Es ist nicht wirklich Tag, sondern eigentlich schon der Abend. Ich bin nach einer wunderbaren Hochzeit, bei der ich auch die Fotografin war, wieder zuhause in den Midlands. Zuerst packe ich aus, dann packe ich schon wieder von Neuem meine Ausrüstung und Kleidung für den großen Trip. Vor allem dicke Socken und viele Pullover. Meine verständnisvollen Eltern wussten, wie eng mein Zeitplan war und hatten schon vorher Mayo mit vollen Benzinkanistern, Werkzeug und Ersatzteilen bestückt. Schnell noch ein Update von Songs für den iPod geladen und die Postleitzahl des Hotels griffbereit gepackt und dann ging's los Richtung Norden auf dem großen Motorway M1. Mit lautem Gesang am Steuer vergingen die Stunden nach Preston im Eiltempo. Ich hatte mir vorgenommen, schon abends loszufahren, weil mir die sechs Tage für die Highlands schon zu kurz vorkamen. Irgendwie musste ich Fahrtzeit gutmachen. Morgen stehen uns 347 Meilen bevor: Umgerechnet sechs Stunden und 45 Minuten am Steuer. Angehalten wird nur, um zu tanken.

Tag 2 - Wackelkontakte als Nervensägen

Nachdem ich Mayo vom Eis befreit und auch die Benzinbehälter wieder aufs Dach gezurrt hatte, lenkte ich auf die M6. Immer wieder wurden wir von fröhlichen Pensionisten überholt, die große Mäntel in kleinen Autos trugen und mir zuwinkten. Ich habe natürlich begeistert zurück gewinkt.  Endlich erreichte ich die schottische Grenze.  Aber kaum hatte ich das blauweiße Schild passiert, setzte schlagartig ein anderes Klima ein - und die Schleusen des Himmels öffneten sich. Je weiter ich Richtung Norden fuhr, desto heftiger wurden Regen und Schneeregen. Diese Situation erhielt noch eine aparte Note, weil jetzt sowohl Heizung und Scheibenwischanlage immer wieder ihren Dienst versagten. Ich hatte kaum die ersten 40 Meilen absolviert und saß bereits schlotternd hinterm Steuer, während ich durch eine zunehmend graue, verschmutzte Scheibe starrte. Kaum 20 Meilen später kam plötzlich eine kleiner Moment der Freude, weil sich die Wackelkontakte irgendwie von selbst reparierten. Es war nun wohlig warm in Mayo und die Scheibe herrlich klar. Doch das Glück hielt nur 40 Meilen lang an. Also wieder im Blindflug den Schal anlegen und auf Besserung hoffen. Nach weiteren 20 Meilen kehrte wieder Freude ein, weil die Bordtechnik wieder mitspielte. Nachdem ich Glasgow umfahren hatte, rollte ich vergnügt am Ufer des berühmten Loch Lomond entlang und freute mich über sein Farbspiel. Wenn ich nicht allein gewesen wäre, hätte ich viele Fotos gemacht. Aber dafür hätte ich auf der schmalen Straße anhalten müssen. Das sind die unerwarteten Nachteile eines Alleingangs. 

Die Stunden vergingen wie im Flug während ich am Steuer die Eindrücke in mich einsaugte. Ich erreichte Glencoe ein paar Stunden vor Sonnenuntergang. Aber alles war von Wolken verhangen und es regnete ohne Unterlass, die Sonne blieb ein Versprechen hinter dem grauen Himmel. Trotzdem gelangen mir ein paar ganz schöne Fotos von der legendären Strasse nahe Glencoe, wo auch James Bond mit seinem Aston Martin DB5 in „Skyfall” unterwegs war. Als ich losfuhr, war ich restlos durchnässt. Glücklich, aber durchnässt. Mein roter Dufflecoat bekam einiges ab, ich habe fast eine halbe Rolle Küchenpapier aufgebraucht, um die Kameralinse vom Regen zu befreien. Morgen wollte ich um 8.30 Uhr mit der Fähre zur Isle of Skye übersetzen, um dann in Richtung Quiraing auf dieser schönen Route wenigstens einen ersten kleinen Eindruck dieser Insel zu gewinnen. Danach würde ich weiter nach Plockton fahren, wo die in Großbritannien sehr beliebte Kindersendung „Balamory” gedreht wurde. Die Nacht würde ich dann in Ullapool verbringen - und hoffen, dass sich endlich einmal wieder die Sonne zeigt.

Tag 3 - Benzinschmuggel

Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Zeilen von einem Lokal mit dem vielversprechenden Namen Saucy Mary's schreiben würde. Mary habe ich zwar nicht kennen gelernt, dafür aber ein reizendes Wesen, die sich als Saucy Mandy vorstellte und mir den Weg zur Rezeption zeigte. Ich holte mir den Zimmerschlüssel und drehte im Zimmer sofort die Heizung voll auf: Vielleicht würde ich es schaffen, meinen schon wieder triefenden Dufflecoat über Nacht zu trocknen. Manchmal sind Fotografien alle die Mühen und Schmerzen wert, die man in ihr Gelingen investiert. Manchmal leider auch wieder nicht. Der Nachteil, wenn man alleine auf sich gestellt einen Road Trip fotografisch dokumentieren will, ist beispielsweise der Versuch, ein grandioses Bild von einem Auto in einer Landschaft zu machen. Man muss es erst parken, dann zum idealen Punkt für die Aufnahme sprinten, dann das Foto - im Regen - schießen und wieder zurück zum Auto spurten. Inzwischen beherrsche ich diese Abfolge schon ganz gut. Aber heute ist mir ein Missgeschick unterlaufen. Ich parke Mayo („Tolle Location”, denke ich) und jogge im leichten Regen („Ach, wie herrlich, dass es sich aufgehellt hat”), der heftiger wird („Uppps.”), aber jetzt war ich bereits mitten in meiner Vorbereitung („Das ist jetzt nicht wirklich erfreulich”). Trotzdem trottete ich zu meinem Standpunkt für die Aufnahme. Dann fing es an zu schütten, und ich befand mich fast einen Kilometer von meinem Auto entfernt („Ich habe gerade einen riesigen Fehler gemacht”). Das Foto war nicht einmal besonders spektakulär. Es war eines der ersten Bilder nach der Fähre und bedeutete, dass ich den ganzen Tag komplett durchnässt war.

Als ich mich für die Fähre am Morgen eingereiht hatte, klärte mich ein bulliger, schottischer Fährmann in einer fluoreszierenden Jacke höflich auf, dass die Benzinkanister auf meinem Dach verboten sind. Ich fragte, ob er so tun könnte, als hätte er sie nicht bemerkt, wenn ich einfach das Benzin in Mayos Kofferraum verstaute. Er nickte zögerlich. Ich wartete in der Autoschlange, trank einen aufbauenden Eiskaffee und studierte auf der Karte die für den heutigen Tag markierte Route. Ich war in einem Funkloch. Statt den Anweisungen des Navis zu folgen, würde ich auf gute alte Art die Karte lesen. Es klopfte plötzlich ans Fenster. Es war der bullige Schotte, der mich wissen lies, dass ich anfahren sollte. Er verabschiedete sich von mir mit dem verspielten Rat: „Los geht's, Sie kleine Benzinschmugglerin.” Als ich die Isle of Skye erreichte, hielt ich vor einem kleinen Laden, um ein kleines Souvenir dieser Reise zu kaufen. Dieses kleine Holzschaf baumelt jetzt selbstbewusst am Innenspiegel. Das war ein ereignisreicher Tag. Morgen wird alles einfacher und es erwarten mich Traumstraßen. Was will man mehr? Wie wär's mit trockenem Wetter?

Tag 4 - Eine Straße für die Bucket List

Zu den Bucket Lists mit ihren Auflistungen aller Erfahrungen, die man unbedingt einmal gemacht haben muss, zählt normalerweise Fallschirmspringen, die Nordlichter erleben oder eine Sprache erlernen. Ich habe noch eine Ergänzung: Man muss den Applecross Pass befahren haben und dann auf der A896 nach Ullapool unterwegs gewesen sein. Die Straßen wurden geformt aus den Träumen eines Mannes, der nichts so liebte, wie die Faszination eines langen, gewundenen Wegs. Ich trug ein Grinsen wie die Cheshire Cat aus „Alice im Wunderland” im Gesicht, als der Mini und ich den Pass Kurve um Kurve genossen. Ich verbrachte einen bezaubernden Vormittag beim eleganten Schloss Eilean Donan, das jeder Postkarte zur Ehre gereicht hätte. Danach teilte ich meinen Müsliriegel mit einem Rotkehlchen und machte mich auf nach Applecross.

Ich mag keine Mechanikerin sein, aber ich bilde mir ein, dass ich Dinge ganz gut reparieren kann. Schließlich habe ich genügend Ersatzteile dabei, um eine kleine Werkstatt auszustatten. Aber vor der Elektrik versagt mein Wissen. Mein Sicherungskasten ist, wie der Leser schon erraten hat, nicht sonderlich zuverlässig. Trotzdem konnte ich guten Mutes ohne Heizung und Scheibenwaschanlage dahinrollen. Als ich an diesem Nachmittag auf der A896 reiste - die Sonne stand schon tief -, entdeckte ich, dass die Anzeigentafel nicht beleuchtet war. Aus Erfahrung weiß ich, dass damit auch meine Heckscheinwerfer nicht funktionierten. Also hielt ich an, öffnete die Motorhaube und rüttelte ein wenig an den Kabeln der Sicherungsbox. Kein Glück. Ich wünschte, ich könnte behaupten, noch ein paar andere Tricks auf Lager zu haben. Um ehrlich zu sein, das war's: Rütteln. 

Zurück im Auto griff ich nach der Mini-Bibel in der Türablage. Ich blätterte in den verschlissenen, ölverschmierten Seiten im Haynes Mini Manual und fand den Abschnitt über Sicherungen (noch jungfräulich weiß) und konnte an Hand der Anleitung die Problemkabel und die Sicherung lokalisieren. Kurz danach nahm ich wieder in Mayo Platz und drückte den Lichtschalter. Die Armatur leuchtete mit ihrem herrlich gelben Licht auf. Was für ein Gefühl.

Der zweite Teil von Amys großer Highlands-Tour erscheint nächste Woche bei Classic Driver.

Fotos: Amy Shore für Classic Driver © 2015