Giorgetto Giugiaro nannte den Boomerang einmal den „irrationalsten Wagen, den Italdesign je entworfen hat“ – und dennoch, oder gerade deshalb, gehört das futuristische Concept Car zu den großen Klassikern des italienischen Designstudios. Nachdem 1971 bereits auf dem Turiner Salon ein hölzernes Modell die Ankunft des keilförmigen Sportwagens angekündigt hatte, stand im Frühjahr in Genf ein voll funktionsfähiger Prototyp auf Basis des Maserati Bora. Giugiaro sagt rückblickend, die Idee sei ihm bereits zwei Jahre vor dem Debüt gekommen. Eine der Inspirationen war sicherlich der bereits 1968 präsentierte, von Bertone entworfene Alfa Romeo Carabo – die Studie hatte die geometrische Epoche im italienischen Sportwagendesign ausgelöst und gilt als stilistischer Vorfahre von Countach und Co.
Bertone hatte vielleicht den Grundstein gelegt, doch Giugiaro wollte sich noch lange nicht mit dem zweiten Platz begnügen. Ausgehend von seinen jüngsten Projekten – den Alfa-Studien Caimano und Iguana sowie dem Porsche-VW-Prototypen Tapiro – setzte sich Giugiaro ans Zeichenbrett. „Der Boomerang ist hauptsächlich mit dem Lineal entstanden“, erinnert sich der Designer heute selbstkritisch. „Wenn man neue Wege sucht, geht man natürlich auch das Risiko ein, die falsche Abzweigung zu erwischen. Beim Boomerang ging die Suche nach der perfekten geometrischen Form einen Schritt zu weit. Die Form mag ästhetisch gelungen sein, doch aerodynamisch war der Wagen ein einziger Widerspruch.“ Auch wenn wir dem Mann, der sich Automobildesigner des Jahrhunderts nennen darf, zu seiner Kreation natürlich das letzte Wort lassen möchten, geht die Selbstkritik vielleicht etwas zu weit: Vielleicht konnten die CW-Werte nicht halten, was die Pfeilform versprach – doch ästhetisch hat Giugiaro eine Ikone geschaffen. Wer als autobegeisterter Junge in den Siebzigerjahren aufgewachsen ist, dürfte den Boomerang für seine Ecken und Kanten angebetet haben.
Zudem brachte es der Maserati Boomerang mit seinem 4,7 Liter großen V8-Motor auf eine Geschwindigkeit von knapp 290 km/h – zu dieser Zeit ein überragender Wert. Und obwohl die Konzeptstudie ein Einzelstück war, hatte Giugiaro sich Gedanken über die passive Sicherheit gemacht. Das Lenkrad beispielsweise war so gestaltet, dass es den Fahrer bei einem Unfall vor Verletzungen schützen sollte. In der Regel wurde in Concept Cars auf solche Maßnahmen verzichtet – selbst Sicherheitsgurte waren gerade erst vorgeschrieben worden. Ursprünglich hatte das gewaltige Steuerrad einen Airbag enthalten sollen, doch aus unbekannten Gründen entschied man sich bei Italdesign für ein überdimensioniertes Rundinstrument. Fraglich ist zudem, ob die superflache Windschutzscheibe mit einem Neigungswinkel von nur 13° jemals eine Zulassung erhalten hätte – als Giugiaro später den Lotus Esprit entwarf, durfte er im Sinne der Serienproduktion einen Winkel von 24,5 ° nicht unterschreiten.
Nach einem finalen Messe-Auftritt im Jahr 1974 in Barcelona wurde der Maserati Boomerang an einen spanischen Cabaret-Besitzer verkauft. Damals eine ungewöhnliche Entscheidung, wurden doch viele Studien nach ihrem Schaulauf zerstört. Erst 1980 kehrte der Boomerang ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurück, als ein deutscher Tourist den Prototyp in Spanien entdeckte. Doch bis zum nächsten großen Auftritt sollten erneut zehn Jahre vergehen: 1990 wurde der Boomerang beim Bagatelle Concours mit seinem Schöpfer vereint. Giugiaro war damals Jurymitglied und ließ es sich nicht nehmen, das Heck zu signieren. Das Steiß-Tattoo schmückte den Prototypen auch noch, als er 2002 bei Christie’s für rund 720.000 Euro verkauft wurde. Bei einer weiteren Auktion im Jahr 2005 brachte der Boomerang bereits rund 780.000 Euro ein. Im Rahmen des Verkaufs erhielt der Ausnahme-Maserati sogar die Straßenzulassung durch den deutschen TÜV – unter der Voraussetzung allerdings, orangefarbene Blinkerlampen nachzurüsten.
Im Nachhinein ist der Maserati Boomerang jedoch vor allem von ideellem Wert – als Beweis für die Genialität des Designers Giorgetto Giugiaro und als Vorbild für zahlreiche Italdesign-Automobile. Der Boomerang soll sogar die VW-Vorstände dazu veranlasst haben, Giugiaro den Auftrag für den ersten Golf zu übertragen. Und wohin diese Geschichte geführt hat, ist ja hinlänglich bekannt.
Fotos: Franck Minieri, Maserati & Italdesign