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So hat Singer den klassischen Chronographen neu erfunden

So hat Singer den klassischen Chronographen neu erfunden

Die große Beliebtheit der von Singer Vehicle Design restaurierten Porsche 911 ermunterte Firmengründer Rob Dickinson, sich mit Uhren-Designer Marco Borracino zusammenzutun. Um die ikonische Sportuhr der 70er neu zu entdecken. Rémi Dargegen traf sich mit Borraccino im Genfer Designstudio der Marke.

Mitte des Jahres sorgte Singer mit der Vorstellung des neuen Track 1 Chronographen für ein kleines Beben in der sonst so erdigen Uhrenindustrie. Ein revolutionärer Ansatz für eine klassische Sportuhr, inspiriert von den auf einzigartige Weise bei den kalifornischen Restomod-Experten von Singer Vehicle Design restaurierten Porsche 911. Mit der Expertise des früheren Designchefs der Officine Panerai, Marco Borraccino, und Jean-Marc Wiederrecht von Agenhor entwickelt, bezieht der Track1 Chronograph seine Ästhetik aus Sportuhren der 60er- und 70er-Jahre. 

Im Gegensatz zu einem konventionellen Chronographen wird die Zeit an der Peripherie des Zifferblatts angezeigt, während der Chronograph die zentrale Position bezieht. Und man kann 60 Stunden stoppen und nicht nur die üblichen zwölf. Unser Hausfotograf Rémi Dargegen besuchte Marco Borraccino im Genfer Hauptquartier von Singer Reimagined. Um herauszufinden, warum und wie die von so vielen „Car nuts“ geliebte Marke nun einen Ausflug in die Uhrenwelt unternimmt.

Was sind Ihre frühesten automobilen Erinnerungen?

Da gäbe es einige, denn mich haben Autos schon immer begeistert. In meiner Kindheit war mein Vater im Management von Peugeot Italien beschäftigt. Ich begleitete ihn oft zu Händlerbesuchen und Messen sowie zu Präsentationen neuer Modelle. Ich erinnere mich noch genau, wie er einmal mit einem ersten Werksfoto des damals neuen Peugeot 205 aus Paris nach Hause kam. Ein paar Monate kam er mit einem Turbo 16 vorgefahren, einfach unglaublich. Zur gleichen Zeit besaß mein Onkel einen Lancia Beta Montecarlo – bis heute eines meiner Traumautos. 

Haben diese frühen Erlebnisse ihre späteren ästhetischen Vorlieben beeinflusst?

Absolut. Ein anderer Onkel war ein Künstler und ein echter Freak. Er sammelte jede neue technische Spielerei oder trendigen Gegenstand, und ich habe alle seine bunten Lampen, Telefone und Fernsehgeräte aufbewahrt. In dieser Zeit schärfte ich meine Wahrnehmung für eine speziell aus dieser Epoche hervorgegangenen Ästhetik – einer Ära, der ich mich noch immer sehr verbunden fühle. In den 60er- und 70er-Jahren passierte in Sachen Design einfach ungemein viel. Zum Beispiel wurde mit alternativen Materialien experimentiert oder man lotete neue Grenzen in punkto Formen und Funktionalität aus. Alles wurde bis ans Limit getrieben.

Können Sie uns ein wenig über Ihre Karriere vor dem Einstieg in das Singer Reimagined Projekt erzählen?

Ich begann meine Laufbahn in den späten Neunzigerjahren in Italien als Produktdesigner im Zubehörbereich. 2000 nahm ich die Arbeiten für eine italienische Uhrenfirma an; gründete dazu mit drei anderen Jungs ein Designstudio. Das war mein Entrée in die Uhrenbranche. 2004 schloss ich mich Panerai an, als erster fest angestellter Designer. Ich erhielt dort die Gelegenheit, das Studio gemeinsam mit dem CEO aufzubauen und leitete es vier oder fünf Jahre lang. Dann suchte ich nach einer neuen Herausforderung. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe gerne für Panerai gearbeitet, doch reichte die Arbeit nicht, um meine ganze Kreativität zum Ausdruck zu bringen. Und so entschloss ich mich, von Mailand nach Genf zu ziehen, wo ich mein eigenes Designstudio gründete und sofort mit Arbeiten für diverse Uhrenhersteller startete. 

Was hat Singer dazu veranlasst, eine Uhr herauszubringen?

Das kam so ziemlich aus heiterem Himmel. Ich traf Rob, und wir sprachen über Gott und die Welt. Dabei entdeckten wir unsere gemeinsame Passion für klassische Uhren und Automobile. Ich erzählte ihm von meiner Tätigkeit und wäre er jemals interessiert an einer Singer Uhr, möge er mich gerne kontaktieren. Er verriet mir, dass er bereits von mehreren Uhrenmarken bezüglich einer Zusammenarbeit angesprochen worden wäre, doch er allen abgesagt habe. Weil alles, was mit Singer in Verbindung stünde, spektakulär und anders sein müsse, nicht nur eine weitere effekthaschende Co-Branding-Übung. Ich schlug ihm daraufhin eine Uhr vor, die perfekt die Philosophie von Singer Vehicle Design wiederspiegeln würde, ohne Kompromisse. Ich machte den richtigen Vorschlag zur passenden Zeit, und so kamen wir zusammen.

Hatten Sie komplett freie Hand beim Designprozess?

Nach den ersten Brainstorming Sitzungen schossen mir sofort tausend Ideen durch den Kopf. Also fing ich sofort mit Zeichnungen und Konzepten für eine solche Uhr an. Tatsächlich waren die ersten Skizzen schon sehr nah am Thema der Uhr, wie wir sie heute kennen – es gab zum Beispiel schon die zentrale Chronographen-Anzeige und die seitliche Skala für die Zeitangabe. Mir ging es vor allem darum, den 60er- und 70er-Geist der Porsche 911 reimagined by Singer auch in die Uhr zu transportieren. Da half es auch, dass ich selbst alte Uhren sammle und die auch aus dieser Epoche stammende Heuer Autovia und die Omega Speedmaster zu meinen Favoriten zählen. So haben diese ikonischen Uhren das Design der neuen Singer Uhr fast automatisch beeinflusst.

Doch vor allem wollte ich das wichtigste Elemente dieser Uhren mit neuem Leben erfüllen: das Chronographen-Uhrwerk. So wie Singer Vehicle Design für die automobile Gemeinde etwas Wichtiges auf neue Weise umsetzt, wollte ich auch den Uhrenliebhaber etwas Besonderes zurückgeben. Die einzige Möglichkeit, eine Singer Uhr glaubwürdig darzustellen, lag demnach darin, die Art und Weise, wie der Chronograph zur Schau gestellt wird, zu revolutionieren.

Inwieweit wurden Sie bei Ihren Entwürfen von den bei Singer Vehicle Design restaurierten Porsche 911 beeinflusst?

Die Verbindung liegt eindeutig im Stil – die Formen, die so auch in den 60er- und 70er-Jahren bestimmend waren. Zum Beispiel wiederholt das leicht tonnenförmige Gehäuse Vorbilder aus jener Zeit. Dazu kommen einige subtile Details, die direkt auf die Autos von Singer Vehicle Design deuten. Für mich war wichtig, dass Auto und Uhr derselben Philosophie folgen. Natürlich greifen sie ineinander, doch bedingen sie sich nicht gegenseitig.  

Könnten sie diese gemeinsame Philosophie noch etwas näher erläutern?

Nun, wenn sie eines der Autos auf der Straße sehen, denken sie zunächst vielleicht nur an einen schönen klassischen Porsche. Doch bei näherer Betrachtung entdecken sie die Passion, die Arbeit und die Technologie, die dahintersteckt. Das Gleiche trifft auf die Uhr zu – Form und Zifferblatt muten vertraut an, doch unter der Oberfläche ist alles anders. Sie müssen alles vergessen, was Sie bislang über Chronographen zu wissen glaubten, denn hier handelt es sich um ein komplett neues Paradigma. Das mir und Rob so viel Freude bereitet.

Also was entdeckt man, wenn man an der Oberfläche kratzt?

Diese Uhr ist gut für viele Geschichten. Denn es gilt, viele Dinge zu erklären, und viele davon sind versteckt. Nehmen Sie nur das satinierte große Zeigerauge aus Alu – es findet sich ganz genauso in Tachos alter Porsche wieder. Oder – an der Unterseite des Gehäuses – das Rad, das die Aluminium-Scheiben antreibt. Es ist geformt wie damals die Fuchs-Felge. Schließlich die Ösen im Rallye-Armband: Sie sind aus Titan und zugeschraubt, genauso wie bei den Sitzen von Singer Vehicle Design.

Wie kam es zur Wahl des AgenGraphe Laufwerks für den Track1 Chronographen?

Es klingt wie ein Klischee, wenn ich das sage, doch ich habe es nicht selbst ausgewählt – eher brachte es das Schicksal zu mir. Ich habe diese Uhr mit der Vorstellung designt, den klassische Chronographen neu zu entdecken. Nachdem wir uns über die generelle Marschrichtung verständigt hatten, stellte ich einen Business Plan auf, um zu berechnen, ob sich das Projekt rechnen würde. Dann begann ich, mich mit Uhrenbauern zu treffen und sie zu fragen, ob sie das Laufwerk entwickeln würden. Ich lud Jean-Marc Wiederrecht von Agenhor zum Mittagessen ein und erzählte ihm von dem Projekt. Er sagte mir: ‚Mach Dir keinen Kopf’ – bis ich die Zeichnungen und Skizzen auf den Tisch legte. Völlig überraschend eröffnete er mir, dass er an exakt einem solchen Chronographen - den es zuvor noch nie gegeben hatte – seit sieben Jahren arbeitete. Wir hatten also die gleiche Idee zu unterschiedlichen Zeiten – das ist die ganze Geschichte! 

Wie bringen Sie Ihre Begeisterung für Uhren in Einklang mit der Passion für Autos?

Es ist vor allem eine Platzfrage – doch wenn ich nur in Autos investieren könnte, würde ich das natürlich tun. Doch habe ich nicht die Mittel, um mich nur auf die Autos zu konzentrieren. Sollte ich aber eines Tages die Chance haben, ernsthaft Autos zu sammeln, würde ich meine ganze Zeit darauf verwenden. Heute besitze ich einen Porsche 993 Carrera 2 aus erster Serie und ein BMW Z4 M Coupé. Ich bin sicher, dass Letzterer ein Sammlerstück wird. Ein Auto, das bei seiner Präsentation zunächst nicht viele positive Kritiken erhielt. Doch wenn man sich die Linien heute anschaut, dann sind absolut zeitgemäß.   

Unabhängig vom Budget – was wäre Ihr Traumwagen?

Das Problem ist, dass ich meine Meinung alle fünf Minuten ändere. Doch meine ultimative Dreiwagen-Garage steht fest: Ferrari 288 GTO, Alfa Romeo Tipo 33 Stradale und Lancia Stratos. 

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2017

Sie finden die Singer Reimagined Track1 Chronograph „Launch Edition“ im Classic Driver Markt.