Mit stilvollen Boutiquen in Brüssel, Knokke, Luxemburg, Paris und Ibiza ist Le Collection'Heure einer der wenigen, wirklich multinationalen Händler in der Uhrenwelt. Das Unternehmen wurde 2001 von dem Belgier Antoine Rauis gegründet, ein ehemaliger Anwalt, dessen Leidenschaft für die Uhrmacherkunst so stark wurde, dass er seinen Brotberuf aufgab, um sich künftig dem An- und Verkauf von Sammleruhren zu widmen. Es war die beste Entscheidung seines Lebens.
Mit der Gründung von Le Collection'Heure, wo man in den frühen 2000ern bereits die Vorteile des Internets erkannte und mit Tausenden der weltweit seltensten und begehrenswertesten Zeitmessern handelte, ist Rauis zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten dieser Branche avanciert. Das belegt allein schon seine Präsidentschaft des European Union of Important Watch Dealers und die Popularität seiner Website Vintage Rolex, deren Fokus auf den Rolex-Chronographen mit Handaufzug liegt. Was nicht weiter erstaunen dürfte: Rauis ist auch ein Autoenthusiast, wie man an dem prachtvollen Bentley Brooklands, der anlässlich unseres Besuchs in der Knokke-Boutique von Le Collection'Heure einen sehr passenden Parkplatz erhielt.
Was sind Ihre frühesten Erinnerungen an Uhren?
Seit ich denken kann, üben Uhren eine unwiderstehliche Faszination auf mich aus. Als Kind habe ich mich in Shopping Malls herumgetrieben und alle nur möglichen Modelle ausprobiert – meistens Uhren mit einer technischen Spielerei wie TV-Bildschirm, eingebauten Taschenrechnern oder Walkman. Das waren damals futuristische Extras.
Welche Uhr war die erste, die Sie selbst gekauft haben?
Die allererste dürfte eine digitale Casio gewesen sein. Aber die erste Uhr mit echtem Sammlerwert war eine Omega Speedmaster. Ich war damals 16 Jahre alt und hatte über den Sommer bei McDonald´s gejobbt und mir die grandiose Summe von 850 Euro erarbeitet. Es war mein Traum, eine Speedmaster zu kaufen, aber in meinem Land waren sie so überteuert, dass ich einen Tag vor dem italienischen Urlaubsbeginn Feria d`Agosta den Nachtzug nach Mailand bestieg.
Ich war dann um 14 Uhr im Geschäft, der Händler wollte um 16 Uhr in die Ferien fahren. Ich bestand darauf, das Geschäft nicht zu verlassen, ehe er mir die Uhr für 850 Uhr verkaufte – der Preis war natürlich weit unter Marktwert. Nachdem er alles versuchte, um mich loszuwerden, verkaufte er mir schließlich die Speedmaster für 850 Euro. Ich spürte, wie er zwischen Verärgerung und Sympathie schwankte. Ich habe diese Uhr zehn Jahre lang behalten und bin diesem Herrn bis heute dankbar!
Verraten Sie uns ein wenig über Ihren Geschmack beim Sammeln von Uhren?
Wie Ihnen viele bestätigen werden, ist der Gemütszustand eines wahren Sammlers ohne Unterlass schlicht pathologisch. Der Geschmack entwickelt sich nicht nur mit der Zeit, sondern auch mit dem Erreichen der „Ziele“ als Sammler. Letztlich muss man eines verstehen: Wenn man einmal das Stück, das man sich schon so lange vorgestellt hat, endlich sein Eigen nennt, dann sind die Gedanken, genauer das Herz, schon bei der nächsten Uhr. Ein wahrer Sammler wird mehr von der Suche, von der „Jagd“, angetrieben, als einfach nur von dem Wunsch, ein bestimmtes Stück zu besitzen.
Nichts desto trotz werde ich einigen Uhren in meiner persönlichen Sammlung auf ewig treu bleiben wie beispielsweise der Rolex pre-Daytona Referenz 6238 in Gunmetal Grey, der Audemars Piguet Royal Oak Ref. 5402 A-Serie und der Patek Philippe Aquanaut Ref. 5065 mit Tritium-Zifferblatt.
Wie sind Sie nach Ihrem Anwaltsstudium zum Uhrenhandel gekommen?
Durch die Entwicklung meiner eigenen Sammlung, denn das bedeutete, immer wieder eine Reihe von Geschäften abzuschließen. Dabei entdeckte ich, dass ich bei den meisten Transaktionen sogar einen Mehrwert erzielen konnte. Die beste Art in einem Business zu lernen, besteht darin, sein eigenes Geld zu investieren. Ich hatte nur wenige Mittel zur Verfügung, weswegen jeder Abschluss in wirtschaftlicher Hinsicht für mich absolut existenziell war. An einem Punkt meiner Karriere war ich tagsüber Anwalt und abends Uhrenhändler. Langfristig ließ sich das nicht durchhalten, also musste ich wählen, ob ich mein Leben vor einem Computerbildschirm verbringen oder mich ins Abenteuer stürzen wollte. Ich bin sehr dankbar, dass meine Entscheidung zu diesem Erfolg geführt hat.
Was hat Sie bewogen, Le Collection'Heure zu gründen?
Ich spürte, dass vom Markt ein Momentum ausging, vor allem durch das Aufkommen des Internets und das neue Konsumverhalten, das daraus resultierte. Auf einmal war es möglich, eine Uhr in London zu kaufen und sie problemlos in New York oder Paris wieder zu verkaufen. Ich war einer der ersten Uhrenhändler, die online verkauften – schon 2001 – und damit habe ich mir schnell eine internationale Reputation erworben, obwohl ich in meinem kleinen Heimatland Belgien basiert bin.
Was sind die Schlüsselwerte in diesem speziellen Geschäft?
Kurz gesagt, Qualität, Aufrichtigkeit und langfristige Nachhaltigkeit. Aber es fällt mir das eine oder andere Motto ein, dass unsere Philosophie beschreibt, darunter „Kein Geschäft ist wichtiger als unserer guter Ruf“, „Es dauert 10 Jahre eine Reputation aufzubauen und nur 10 Minuten, um sie wieder zu verlieren“ und „Kauf den Händler, nicht die Uhr.
Sie zählen zu den wenigen „physischen“ Händler in der Uhrenwelt – was ist Ihr Vorteil?
Zunächst meine geschäftlichen Möglichkeiten. Der Rahmen für potenzielle Abschlüsse ist breiter gesteckt, weil Menschen sich auf physische Boutiquen verlassen, um „hochriskante“ Deals wie beispielsweise jene im Uhrenhandel zu machen. Zweitens, hoffe ich, dass es uns mehr Glaubwürdigkeit verleiht. Würden Sie Ihre teure Uhr jemandem in Kommission anvertrauen, der ein junger und kleiner Händler mit winzigem Store ist oder eher jemandem mit einer umfassenderen Organisation, Erfahrung und Ressourcen? Drittens, da der Markt global geworden ist, erhalten wir mehr Wissen und Expertise, wenn wir mehr „Sensoren“ am Marktplatz haben, als unsere Konkurrenz.
In diesem Geschäft lernt man jeden Tag neu dazu, desto mehr verlässliche Informationen und Transaktionen, desto besser. Und schließlich ist es für mich als Unternehmer aufregend, etwas Komplexes aufzubauen und einen engeren Kontakt mit unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten pflegen zu können. Fraglos ist zum Beispiel die Mentalität auf Ibiza eine völlig andere als jene in Luxemburg. Man lernt aus diesen Unterschieden.
Wie hat sich Ihrer Meinung nach der Uhrenmarkt in den letzten Jahren verändert und was erwarten Sie – auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – von der Zukunft?
In den Jahren 2000 – 2010 hat sich der Markt eher sanft entwickelt. Dann wurde er fünf Jahre lang sehr stark, in den letzten drei bis vier Jahren war das Geschehen sehr viel substanzieller. Der Markt für Vorbesitzer-Uhren wird jetzt auf 20 Milliarden Dollar pro Jahr taxiert! Die Preissteigerungen waren auch dramatisch, manchmal um bis zu 500 Prozent in fünf Jahren, wenn Sie beispielsweise an die Rolex Daytona Paul Newman „JPS“ denken.
Dieser ganze neue Zufluss sorgte für einen gereifteren und strukturierteren Markt mit neuen Akteuren wie Auktionshäusern und Investment Fonds und einem neuen Kundentypus, der in Uhren als sicheren Hafen in Sachanlagen investierte. Was das Investment in eine Uhr auszeichnet, ist der unglaubliche aber dabei stabile Wertzuwachs. Es gibt tatsächlich eine begrenzte Zahl an Sammlerstücken, aber die Zahl der Käufer, also die Nachfrage, erhöht sich täglich und steigert die Preise. Dieser Markt ist global und transparent, es gibt hier keine übermächtige oder fehlende „Zone“ oder „Währung“. Das Risiko ist gleichmäßig über die ganze Welt verteilt und nicht von Wechselkursschwankungen abhängig während sich die Preise selbständig an den Weltstandard anpassen.
Was die aktuelle Pandemie betrifft, hatten wir alle Sorge, dass sie zu einem Wertverlust bei Uhren führen könnte, aber das genaue Gegenteil ist eingetroffen. Alle Auktionen, die seit dem Lockdown stattgefunden haben, waren enorm erfolgreich und die Vorstellung des „safe haven“ hat sich bewahrheitet. Wir haben eben dieses Phänomen auch während der globalen Finanzkrise von 2008 beobachtet.
Sie stellen weltweit bei vielen Kunst- und Automessen aus – warum ist das für Sie wichtig?
Wir wollten zeigen, dass die Uhrmacherei und damit auch das Sammeln von Uhren eine Kunstform ist und auch als solche ausgestellt werden sollte. Es existieren bekanntlich Parallelen zwischen Uhren und Autos. Wir haben bei Messen wie der Techno Classica Essen und der InterClassics Maastricht ausgestellt. Das Genie des menschlichen Handwerks ist nach meiner Überzeugung absolut künstlerisch. Wenn Sie einen Ferrari 250 betrachten oder eine Patek Philippe Ref. 2499, dann löst das in Ihnen Gefühle aus. Der beste Test ist die Reaktion eines Kindes zu beobachten, das eines von beiden zum ersten Mal sieht – sie sind sofort angezogen. Es ist klar, dass die Leidenschaft für Uhren, Autos und Kunst so etwas wie das „goldene Dreieck“ unserer Welt darstellt und wir sind bemüht, Synergien zwischen diesen Bereichen herzustellen. Ich bin stolz darauf, dass einige prominente Autohändler und Kunsthändler zu meinen Kunden gehören.
Was hält die Zukunft für Le Collection ´Heure bereit?
Hoffentlich noch 20 Jahre in diesem Geschäft, angetrieben von Leidenschaft. Meine sechsjährige Tochter ist bereits süchtig nach Uhren. Wer weiß, da entwickelt sich vielleicht noch mehr daraus.
Fotos: Sian Loyson für Classic Driver © 2020