Irgendwie zwischen der Kunst von Andy Warhol und fiebrigen Teenagerträumen angesiedelt, eröffnen die etwas schlüpfrigen Fotoszenen von Riocam dem Betrachter einen Einblick in das historische Zusammenspiel zwischen Frauen und Autos und auch wie die Ersteren das Design des Letzteren über die Jahre beeinflussten. Vor seiner allerersten NFT-Auktion (Non-Fungible Tokens sind der jüngste Trend bei digitaler Kunst) haben wir mit Riocam gesprochen, um mehr über seine Inspirationen und seinen Arbeitsprozess zu lernen und auch um von ihm zu erfahren, wie es ist, einige der seltensten Automobile der Welt zu fotografieren.
Riocam, vielen Dank, dass Sie sich heute für uns Zeit nehmen. Fangen wir gleich bei den Autos an: Was steht in Ihrer Garage?
“Ich hatte einmal einen Mach 1 Mustang aus den siebziger Jahren. Er war sehr schön. Jetzt lebe ich in Miami in South Beach und besitze eine Meyers Manx. Ich träume davon, einen europäischen Sportwagen zu kaufen.”
Wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?
“Zugleich nostalgisch und sexy. Ich wollte schon immer Mode und Autos zusammenbringen, aber ich musste dafür erst den richtigen Ansatz finden. Eine große Inspirationsquelle sind die Bücher aus den sechziger und siebziger Jahren. Wenn damals das neueste Supercar bei einer europäischen Automesse enthüllt wurde, setzte man eine Frau entweder aufs Dach oder daneben, um das Auto besser an den Mann zu bringen. Ich wollte diese Idee aktualisieren, aber auch eine anspruchsvolle, modische Art. Es ist mir sehr wichtig, Frauen nicht zu über-sexualisieren oder zu vergegenständlichen. Das ist überhaupt nicht mein Anliegen.
“Ich bin mit zwei Poster in meinem Schlafzimmer zuhause aufgewachsen: Eines zeigte einen Ferrari 288 GTO, das andere war das berühmte Bild von Nastassja Kinski mit der Boa Konstriktor. Jeder kann ein Bild von einer Frau mit einem Ferrari schießen, aber ich wollte Autos vor das Objektiv bekommen, die man nicht so ohne weiteres auf der Straße sieht. Ich habe mich auf die Suche nach den seltensten Autos der Welt gemacht, es ist dieser Ansatz, den ich auch bei der Mode in meinen Kunstwerken verfolge. Die Kleider, die Schuhe – sie müssen unglaublich tolle Stücke sein.”
Wie sieht Ihr Arbeitsprozess aus? Fangen Sie mit Auto an, der Location oder dem Model?
“Früher fing ich mit einer Idee an, dann wählte ich die Location, dann das Auto und das Styling bildete den Abschluss. Styling ist für ganz wesentlich. Es geht nicht um irgendein Mädchen im billigen Outfit. Ich mache mir sehr viele Gedanken über die Mode, denn sie muss zum Rang des Autos im Kunstwerk passen.
“Jetzt, da die Autos, die ich fotografiere, zunehmend seltener werden, gestaltet sich auch der Zugang zu diesen Schätzen immer schwieriger, auch dann, wenn kein Model dabei ist. Viele dieser Autos sind seit 40 Jahren an einem unbekannten Ort verborgen. Also hängt die Planung sehr stark von den Eigentümern dieser Autosammlungen ab. Manchmal bekommt man nur 30 Minuten Zeit mit diesem Auto. Meine Art zu arbeiten, ist also sehr schnell und anpassungsfähig geworden.”
Sind Ihre Werke reine Fotografien oder manipulieren Sie auch die Bilder?
“Es gibt Szenarien, in denen solche Bearbeitungen unvermeidbar sind, aber 90 Prozent sind tatsächlich real – das ist wirklich erstaunlich! Anfangswollte ich immer ein Model mit diesen seltenen Autos verbinden, weil es ein Novum war. Inzwischen will ich, dass meine Arbeiten schlichter sind. Ein Werk, das ich im Moment sehr liebe, zeigt eine Frau in einem atemberaubend teuren Kleid, die einen Reifen mit einem Kreuzschlüssel wechselt – eine surreale Szene. Aber das mag ich an ihr: Es gibt da diesen Humor und die Schönheit darin, frauenfeindliche Stereotypen ins Gegenteil zu verkehren.
“Es ist für Männer leicht, Autos und Frauen auf die gleiche Art zu Objekten zu machen. Ich versuche, Frauen mit diesen Bildern zu stärken – sie lieben Autos genauso wie die Männer, nur, dass sie weit weniger Gelegenheiten haben, sie selbst zu erleben. Deshalb ist es für mich wirklich cool, online so viel positives Feedback von Frauen zu erhalten. Ich habe jetzt auch angefangen, kurze Filme zu machen. Mein neuester heißt „Drive to Kill“ und erzählt von einer Frau, die Männer in ihren RUF Yellowbird lockt, um sie zu töten."
In Ihrer Kunst gibt sich die Creme de la Creme unter den Autos ein Stelldichein. Welche Autos hätten Sie gerne gleich selber behalten oder gibt es auch welche, die Sie enttäuscht haben?
“Es gibt nicht das eine Exemplar. Sie besitzen für sich genommen eine so einzigartig schöne Ästhetik und einen Klang des Motors, dass die Entscheidung für nur ein Auto unmöglich ist. Ich verstehe jetzt, warum Menschen wie Ralph Lauren so große Sammlungen zusammengetragen haben.
“Unter den Autos, die mich enttäuscht haben, fällt mir nur einer, der Jaguar XJ220, ein. Er sieht von außen toll aus und war irgendwann auch mal das schnellste Auto der Welt, aber das Interieur war für mich abstoßend. Man entdeckt sofort die billigen amerikanischen Materialien und die Gestaltung ist so, dass man fragt: „Wer hat sich das denn einfallen lassen?“ Warum lässt man zu, dass ein cooles Auto innen wie ein Caravan aussieht?
“Aber mit klassischen Sportwagen gibt es keine Enttäuschungen. Sie haben auf ihre individuelle Art die Kraft, dass man sich i sie verliebt. Ich bin ein großer Fan von Marcello Gandinis Design – wahrscheinlich ist unter allen der Miura mein Favorit.”
Gibt es überhaupt kostengünstigere Modelle, die für Ihre Kunst in Frage kämen?
“Die Meyers Manx natürlich! Ein fantastisches Auto und es sieht auf Fotos großartig aus. Es hat Platz für vier Frauen im Bikini und das sieht garantiert immer toll aus. Das Design der Manx ist überragend – ich liebe dieses Modell. Und die Ausstrahlung ist Steve McQueen pur. So einfach und doch eine Ikone.”
Arbeiten Sie mit Film oder digital? Welches Medium bevorzugen Sie und haben Sie Lieblingskameras?
“Film und digital, aber es kommt darauf an, wie bequem ich gerade bin und wie viel Zeit zur Verfügung steht. Ich liebe an Filmmaterial das nostalgische Moment, aber digitale Fotografie ist so komfortabel und einfach – gerade, wenn ich wenig Zeit habe und nichts dem Zufall überlassen darf. Mir geht beim Arbeiten öfters so viel durch den Kopf, dass manchmal Film zu nutzen, verrückt wäre. Ich habe immer meine Polaroid dabei – sie ist für mich wie ein zweites iPhone. Inzwischen habe ich Hunderte von Aufnahmen von meinen Shootings. Skeptiker ärgern sich immer, wenn ich ein Polaroid hervorhole, denn die erlaubt keine Fakes.
“Einer meiner Lieblingsfotografen aus einer anderen Ära, Guy Bourdin, nutzte ausschließlich Polaroid. Guy ist mir besonders wichtig, weil er Farbe so gut beherrschte, und ich liebe Farbe. Ich wuchs als Fotograf in South Beach auf. Farbe ist allgegenwärtig – eine sehr bunte Stadt. Meine Lieblingspolaroid ist die Big Shot, die in 4x5 schießt. Andy Warhol hat sie früher für seine Porträts eingesetzt. Sie ist super hochauflösend und das Licht ist einzigartig und einfach schön.”
NFT bieten eine interessante Perspektive für jeden Künstler. Warum haben Sie dieses Neuland betreten?
“Ich bin mehr Unternehmer als Fotograf, deswegen schätze ich auch Merchandising: NFT sind die perfekte Evolution dieser Geschäftsidee. Ich hatte es im Hinterkopf, war mir aber nicht sicher, wie ich das Thema angehen sollte. Ein Freund, der sehr viel über NFT weiß, hilft mir jetzt. Die NFT boomen zwar gerade nicht so, wie noch vor wenigen Monaten, aber ich habe viele Menschen auf Instagram, die mein NFT kaufen würden, wenn ich eine Idee für ein Bild hätte. Ich wollte mit einem Werk anfangen, das man sofort als meine Kunst erkennen könnte, um mal diese Art der Transaktion zu testen. Es wird mit einem physischen Stück verbunden sein. In Planung ist auch eine zeitgleiche NFT- und Autoauktion. Aber darüber mehr von mir in der Zukunft...”
Wir haben uns darüber unterhalten, wie sich Ihre Kunst über die Jahre entwickelt hat. Was hält die Zukunft für Sie als Künstler bereit?
“Ich habe demnächst ein Shooting mit einem Ferrari 330 P, eines meiner Lieblingsautos schlechthin. Ich darf noch nicht zu viel verraten, aber ich kann es kaum erwarten. Für mich ist der 300 P Ferraris Spitzenleistung. Dann sind da noch einige andere in der Pipeline wie der Alfa Romeo Caribou. Ich versuche, nach und nach alle legendären Keile von Gandini zu fotografieren. Abgesehen von diesen Solitären, möchte ich auch die schönsten britischen Autos fotografieren wie zum Beispiel der Aston Martin Bulldog. Ich überquere demnächst den Atlantik in Richtung britischer Inseln!
“Die Modewelt fängt gerade an, sich mehr für Autos zu interessieren, vor allem im Bereich Streetwear. Es freut mich sehr, dass Klassiker jetzt cool und modisch geworden sind. Sie sind tatsächlich das ultimative Fashion Statement, denn alle Elemente wie Interieur und Design sind vorhanden. Ich möchte diesen Trend für mich nutzen und hoffe, dass diese Welle auch ein wenig länger Bestand hat. Aber ich bleibe offen und sehe, wie sich diese Dinge entwickeln. Nostalgie wird es immer geben, aber ich möchte es auch einer jüngeren Generation als Lebensgefühl näherbringen. So, dass sie sich an Autos erinnern, die es gab, als sie noch gar nicht geboren waren. Autos sprechen zu uns in einer universalen Sprache – ich möchte eine Rolle in dieser Unterhaltung spielen.”