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Paul Bouvot, der Mann in Alain Delons Ferrari California Spider

Paul Bouvot, der Mann in Alain Delons Ferrari California Spider

Alain Delon ist der berühmte Besitzer des Ferrari 250 California Spider, der als Scheunengold auf der Rétromobile 2015 versteigert wird. Doch dieses Auto hatte noch einen Besitzer, der unsere Neugier weckt. Wer genau war dieser Paul Bouvot? Die Spur führt in die Berge des Jura.

Den meisten wird der Name nicht viel sagen. Dass Paul Bouvot aber der wichtigste Mann bei der diesjährigen Klassikermesse Rétromobile in Paris sein könnte, hat gleich mehrere Gründe. Erstens führte Bouvot in den 1960er Jahren die Designabteilung von Peugeot und war damit auch verantwortlich für den erfolgreichen Peugeot 204, der nun auf der Klassikermesse sein 50. Jubiläum feiert. Zweitens ist er einer der bekanntesten Automobilkünstler Frankreichs – drei seiner Werke werden bei Artcurial auf der Rétromobile versteigert. Der wichtigste Grund ist jedoch Paul Bouvots Verbindung mit dem großen Star der Rétromobile - dem kürzlich in einer Scheune entdeckte Ferrari 250 California Spider von Frankreichs Filmstar Alain Delon. Der Designer kaufte seinerzeit das Fahrzeug direkt von Delon; während Sohn Marc die Weitsicht hatte, alle Unterlagen der Transaktion aufzubewahren. Classic Driver hat Marc Bouvot in seinem Haus um Jura besucht, um mehr über seinen Vater und die Geschichte, wie der berühmte Ferrari in Paul Bouvots Leben trat, zu erfahren.

Was war Paul Bouvots früheste automobile Erfahrung?

Mein Vater wurde in eine Familie hineingeboren, die Benzin im Blut hatte, sein erstes Tretauto hatte er schon im Alter von zwei Jahren. Seine früheste Kindheit verbrachte er im französischen Jura, im Ohr hatte er die Motorenmusik der Bugatti seiner Onkel und die Violine seines Vaters Auguste, der Citroën-Händler war. Als er noch klein war, zog die Familie nach Dijon, ganz in der Nähe von Terrot, wo hervorragende Motorräder hergestellt wurden. Bald verbrachte er mehr Zeit in der Werkstatt, als auf der Schulbank.

Und dann begann er für Terrot zu arbeiten?

Nicht ganz. Er lernte Edmond Padovani kennen, der technischer Leiter und Werksrennfahrer bei Terrot war, und ihn ermunterte, doch sein Glück als Motorradrennfahrer zu versuchen. Ohne großen Erfolg.

Wie ging es weiter?

Paul arbeitete zunächst für den Traktorhersteller Labourier, der seinen Firmensitz im französischen Jura hatte. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg, und er schloss sich der Résistance an. Er wurde gefangen genommen und nach Dachau deportiert, wo er, wie durch ein Wunder, überlebte. Nach Kriegsende entdeckte er die amerikanische Kultur, kehrte aber auch zu Labourier zurück und arbeitete als Projektmanager am neuen Traktor. Er ließ sich von den amerikanischen Modellen inspirieren und entwarf den ersten europäischen Traktor mit integriertem Chassis – der Labourier LD15.

Wie kam er schließlich zu den Autos?

Er sagte von sich, dass er als „Lohnsklave” bei Terrot und Labourier schuften musste und deswegen nicht die Mittel aufbringen konnte, um sich seinen Traumwagen – einen Bugatti Typ 51 – zu leisten. Aber seine Leidenschaft war so ausgeprägt, dass er beschloss, sich ein eigenes Auto zu bauen. Als Quelle dienten ihm nur die besten Marken wie beispielsweise Ferrari. Das Ergebnis dieser Bemühungen war seine ganz eigene Barchetta mit Rohrrahmen-Chassis, von Hand gedengelter Karosserie und einem kleinen Motor von Simca. Er brauchte vier Jahre, um seine Schöpfung zu vollenden. Weil er aber nach der Fertigstellung schon wieder neue Ideen entwickelt hatte, verkaufte er die Barchetta, um die Idee einer  Berlinetta zu verwirklichen. Dieses Modell ist verschwunden, aber die Barchetta ist wieder zuhause, sie steht in meinem Wohnzimmer.

War dieses zweite Auto ein wichtiger Schritt in seiner Entwicklung?

Auf jeden Fall, denn dieses Fahrzeug war der Startschuss für seine Karriere. Es war sein täglicher fahrbarer Untersatz. Eines Tages, als er es in einem Dorf abgestellt hatte, fand er eine Notiz auf der Windschutzscheibe: „Ich bin der Designchef von Peugeot und möchte Sie kennenlernen.“ Mein Vater konnte das zunächst nicht glauben.

Das war der Beginn seiner Arbeit für Peugeot?

Ja, sie haben sich kurz danach in Paris getroffen und mein Vater wurde von Peugeot angestellt. Zu Beginn war die Aufgabe meines Vaters, die Zusammenarbeit zwischen den Designern von Peugeot und dem damaligen Kooperationspartner Pininfarina zu koordinieren. Weil er natürlich besser verdiente, konnte er auch seinen ersten Klassiker erwerben, einen Bugatti Typ 57. Ende der 1950er Jahre war er zum Designchef aufgestiegen und verantwortlich für die wichtigsten Modelle. Paul und Sergio Pininfarina waren inzwischen gute Freunde geworden. Bei Italienbesuchen zeigte Sergio meinem Vater die neuesten Designentwürfe und machte mit ihm Spritztouren in den allerneuesten Ferrari. Er lernte die legendären Italiener dieser Epoche kennen, sogar Enzo Ferrari höchstpersönlich.

Dann begann er selbst Ferrari zu kaufen?

Nicht sofort. Aber nach seiner Beförderung verdiente er noch mehr und konnte jetzt mit einem Typ 35 seinen zweiten Bugatti erwerben. So hat er auch diese berühmte Bande der Bugatti-Enthusiasten kennen gelernt: Novo, Catanéo, Ampoullier, Mortarini und später Jess Pourret. Und während er seine heißgeliebten Bugattis bewegte, wuchs seine Passion für Ferrari.

In den 1960er Jahren wuchs der Einfluss von Paul Bouvot in der Welt des Autodesigns, nicht wahr?

Stimmt! Und er war der Vater des Erfolges der „X04”-Serie, allen voran der 204. Dieses Modell, das jetzt das 50. Jubiläum feiert, war auch sein erstes Projekt in Eigenverantwortung. An Hand der Skizzen sieht man, wie sehr Paul von der US-Kultur und dem Styling der wichtigsten amerikanischen Modelle wie dem Chevrolet Corvair beeinflusst worden war. Man spürt förmlich diese Inspirationsquelle in seinen Entwürfen. Er entschied erstmals, eine komplette Modellreihe aus dem 204 zu entwickeln: Limousine, Coupé, Cabriolet, Kombi und Kleintransporter. Das Auto war so erfolgreich, das es drei Jahre in Folge Frankreichs Bestseller war, weil es so viele unterschiedliche Kundenwünsche erfüllte. Mein Vater blieb 20 Jahre an der Spitze des Designs bei Peugeot und suchte sogar seinen Nachfolger aus.

Was für eine Art Sammler war Paul Bouvot?

Er sammelte nicht im herkömmlichen Sinn. Mein Vater war immer eher ein Mechaniker und Techniker, der die Autos, die er kaufte, sofort auseinandernahm und modifizierte, egal, wie außergewöhnlich das Modell war. Mit seinem Freund Henri Novo heckte er die verrückte Idee aus, den V12 seines Ferrari 212 Inter in einen Bugatti Typ 35 einzubauen – einfach, damit seine Freunde etwas zu lachen hätten. Dieser „Ferratti” war sicherlich die unglaublichste Hybrid-Konstruktion aller Zeiten!

Wie ging es los mit den Ferrari?

Pauls erster Ferrari war ein 212 Inter, der er sofort zerlegte, um ihn auf 2,4 Meter zu verkürzen. Er fuhr ihn dann als nurmehr nacktes Fahrgestell durch Paris, allerdings waren vorne noch die Scheinwerfer montiert, damit der Ferrari nicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstieß! Meine Ohren sind noch taub vom Gebrüll des V12, vorneweg der Sound von Jess Pourrets Berlinetta, als wir von Colombes zum Restaurant „L`Orée du Bois” im Bois de Boulogne gebraust sind. Er verkaufte dann den 212 Inter, der übrigens völlig aus meinem Archiv und meinem Gedächtnis verschwunden ist, um ein von einem Unfall lädiertes PF Coupé als Instandsetzungsprojekt zu erwerben. Sergio Pininfarina und Enzo Ferrari haben ihm dabei geholfen, alle Teile für die Restaurierung aufzutreiben. Er hat das Auto dann verkauft. Als nächstes war wieder ein PF Coupé da, allerdings in einwandfreiem Zustand. Aber mein Vater fand es zu bürgerlich normal, zu schwer und zu langsam und verkaufte es wieder. Aber dann kam der California Spider, Fahrgestellnummer 2935.

Erzählen Sie uns mehr von diesem Star der Artcurial-Auktion bei der Rétromobile 2015!

Er hat laut den Dokumenten, die ich aufbewahrt habe, den Ferrari direkt von Alain Delon auf Vermittlung von Michel Urman Automobiles in Paris gekauft. Paul hat es nie wirklich interessiert, Dokumente und Archive zu halten und zu pflegen - das war mehr mein Ding. Von jedem Fahrzeug habe ich soviel gesammelt wie möglich: jedes Foto, den Papierkram wie Versicherungsscheine mit Alain Delons Namen, die Verkaufsunterlagen und sogar die monegassischen Kennzeichen, die wir von jenem Bild von Delon am Steuer des California kennen. Jahrzehntelang blieben diese Souvenirs in einer Schuhschachtel, weil alle dachten, das Auto sein auf immer von der Bildfläche verschwunden. Ich erinnere mich an die Geschichte, die Paul mir dazu erzählte: Er bemerkte, dass es im Ferrari bei geschlossenem Dach sehr heiß wurde. Also modifizierte er auch diesen Sportwagen. Er baute eine Heckscheibe mit Reißverschluss ein. Er behielt den California weniger als ein Jahr, legte aber hinter'm Steuer über 2.500 Kilometer zurück.

War es sein letztes Automobil?

Überhaupt nicht! Er verkaufte den California, um gleich durch Jess Pourret den nächsten California Spider zu erwerben: Der Ferrari mit Fahrgestellnummer 2175 hatte Filmregisseur Roger Vadim gehört und sogar 40 PS mehr Leistung als der Wagen von Alain Delon. Von diesem California hat er sich wiederum getrennt, um einen 275 GTB/2 zu kaufen, der dann ein Jahr später durch einen Lamborghini Miura ersetzt wurde. Den veräußerte er zwei Jahre später nach einigen haarsträubenden Erlebnissen. Folgendes war passiert: Mein Vater lieh einem Freund, der Ferrari-Enthusiast war, den Miura für eine Testfahrt. Mit hohem Tempo passierte er eine schwierige Linkskurve, nahm den Fuß vom Pedal, doch das Auto beschleunigte immer noch! Als erfahrener Ferrari-Fahrer wollte dieser den Zündschlüssel ziehen, fand ihn aber nicht gleich. Paul auf dem Beifahrersitz erkannte zum Glück die gefährliche Lage und stellte selbst den Motor ab - er wusste nämlich, dass sich das Zündschloss im Mitteltunnel statt an der Lenkradsäule befand. Sie konnten gerade noch einem Unglück entgehen. Ein paar Wochen später, als mein Vater mit Top-Speed auf der Autobahn unterwegs war, drehte sich der Miura plötzlich zweimal um die eigene Achse. Er hatte nichts getroffen, aber Paul hatte genug. Er tauschte den Lamborghini gegen ein Fahrrad!

Mit welchem Auto verband er die schönste Erinnerung?

Mit den Bugatti seines Onkels aus seiner Kindheit.

Besaß Paul Bouvot mehrere Autos gleichzeitig oder kaufte er sie nacheinander?

Nein, er hatte nie zwei Fahrzeuge zur gleichen Zeit, wahrscheinlich aus finanziellen Gründen. Er hat es immer bedauert, dass er einige Autos verkaufen musste, um andere damit zu finanzieren. Deswegen beschwor er mich: Marc, behalte deine Autos!

Welche Faktoren haben seine Wahl beeinflusst? Die Ästhetik, die Technik oder beides?

Der Motor und seine Melodie! Er sagte oft: Ein Auto, das ist vor allem der Motor.

Wie bewerten Sie seine Karriere als Designer?

Sein Beruf war eine Abfolge von permanenter Begeisterung und permanentem Leid. Denn aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, haben jene, die im Unternehmen den Rotstift ansetzten, seine kühnsten Projekte zerstört.

Was hat Ihr Vater nach dem Ende seiner Karriere gemacht?

Als sein Nachfolger kam 1980 der Designer Gerard Welter, aber mein Vater blieb Peugeot noch viele Jahre als Berater erhalten. Er verbrachte viel Zeit mit seiner anderen Leidenschaft: der Malerei. Seine vier Lieblingsthemen waren Autos, Motoren, Eisenbahnzüge und die Frauen. Wie zu seiner aktiven Zeit als Designer malte er Tag und Nacht.

Wie beurteilen Sie seine bildnerische Arbeit?

Seine Werke sprechen echte Connaisseure an. Ich bin wirklich stolz auf das, was er auf diesem Gebiet geleistet hat. Er hat rund 150 Meisterwerke hinterlassen, wovon einige unvollendet geblieben sind. Mein Freund und Nachbar Lionel und ich erstellen gerade ein Verzeichnis unter Berücksichtigung der Inventur, die im Jahr 2000 von Christian Huet geschaffen wurde. Noch in diesem Jahr wollen wir seine Werke ins Internet stellen und zum Verkauf anbieten. Vorher werde ich drei Arbeiten beim Artcurial Automobilia-Verkauf während der Rétromobile anbieten.

Wenn Sie von Ihrem Vater sprechen, nennen Sie ihn oft Paul Bouvot, aber selten Vater und nie Papa? Warum?

Trotz seiner charismatischen Ausstrahlung, seiner Kultiviertheit, seinem Vermögen, zuzuhören, seiner Menschlichkeit und seinem Talent war er für mich immer eher der Freund und gute Ratgeber. Er war nie der typische Vater im traditionellen Sinn, aber diese Eigenschaft habe ich auch nie vermisst. Er war einfach eine außergewöhnliche Persönlichkeit.

Was für ein Sammlertyp sind Sie selbst?

Ich bin kein Sammler. Paul und mein Ingenieurstudium haben mir eine Liebe zur Mechanik geschenkt. Aber diesem Rezept fehlt noch die Würze: Nehmen wir eine Portion Erinnerungen, eine Prise Nostalgie, ach ja, und in meinem Garten finden Sie dann noch ein Peugeot 204 Coupé, einen Ladourier LD15-Traktor, die Paul-Bouvot-Barchetta und ein paar Ferrari, die ich nie verkaufen werde, so wie Paul es mir geraten hat!

Gibt es ein Auto, das Ihr Vater gerne gehabt hätte, es sich aber nicht leisten konnte?

Einen Bugatti Typ 51. Aber Paul war vor allem Realist, und eigentlich ein sehr einfacher Mann. Nachdem er das Konzentrationslager in Dachau überlebt hatte, war er mit allem, was das Leben ihm bot, zufrieden. Er hat mir diese Lebensphilosophie geschenkt und ich denke, wenn bei der Artcurial-Auktion diese ganz besondere Nummer 2935 unter den Hammer kommt, dann werde ich mich für den neuen Besitzer riesig freuen. Das war's.

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2015

Paul Bouvots ehemaliger Ferrari 250 California Spider, den auch Alain Delon besaß, kommt am 6. Februar 2015 bei Artcurials Rétromobile-Auktion zum Aufruf. Bei der selben Auktion werden auch drei Gemälde von Paul Bouvot versteigert.