Im Kreise der Wissenden ist die Rückbesinnung längst in vollem Gange. Entschleunigung lautet das Zauberwort in einer scheinbar immer hektischer werdenden Zeit. Doch auch wer gerade nicht mit einem klassischen Fahrzeug auf Reisen gehen kann, muss auf den Vintage-Stil nicht verzichten. Wie schön ist es beispielsweise, sein Reiseziel mit einem klassischen, von Hand kaschierten Globus zu erkunden. Mit dem Finger über den Erdball streichen. Die Kugel in Rotation versetzen, um vielleicht in Oracabessa Bay, Jamaika, zu landen und sein Ziel zuerst in Gedanken zu erreichen. Für die Reiseplanung oder als Andenken an eroberte Destinationen sind auch klassischegund historische Landkarten ein beliebtes Accessoire.
Als unverzichtbar für den „Zeitreisenden“ gilt Klassisches aus Leder und von Hand gefertigtes Reisegepäck - für viele auch ein ergiebiges Sammelgebiet. Meist fängt es mit einem kompakten Weekender-Koffer an, den man vielleicht bei einem Händler wie Sams & Son in München, dem Antikzenter Suarezstraße in Berlin oder auf einer Oldtimermesse bei einem Spezialisten für klassisches Reisegepäck wie etwa Lupus aus Salzburg erwirbt. Der Anblick, die Haptik eines über Jahrzehnte gereiften Leders mit rund polierten Messingschlägen ist mit einem modernen, selbst hochwertigen Produkt schlicht unvergleichbar. Entscheidend bei einem antiken Reisegepäckstück ist die Qualität der Nähte. Spröde Nähte brechen und reißen, lassen einen alten Koffer schnell zum Dekostück verkommen. „Regelmäßiges Nachfetten mit natürlichen Wachsen oder Fetten hilft nicht nur, sondern ist so wichtig wie der regelmäßige Ölwechsel beim Automobil", weiß Wolf Krämer von Lupus aus Salzburg. Er hat sich seit Jahren auf englisches Reisegepäck spezialisiert. „Meine Empfehlung: Achten Sie auf Koffer mit Makers Mark - also von renommierten Malletiers beispielsweise aus Großbritannien oder Frankreich", empfiehlt Krämer gegenüber Classic Driver. Ein guter Weekender, ein Koffer für die Wochenendreise, müsse nicht teuer sein. Ein ausgesuchtes Stück des britischen Herstellers Drew & Sons etwa liegt im Verkauf bei rund 600 bis 1.000 Euro.
Teurer wird es, wenn man sich für einen Koffer von Louis Vuitton, Goyard oder Hérmes entscheidet. Neben wunderbarer Handwerkskunst stehen hierbei auch die Firmennamen für besonderen Anspruch und Qualität. Koffer und Trunks dieser Malletiers stellen nicht nur ein eigenständiges Sammelgebiet, sondern mitunter auch eine Kapitalanlage dar. Als Bezugsquellen empfehlen sich ausgewiesene Anbieter wie die Vintage Luggage Company aus Hamburg oder die Pullman Gallery in London. Auch spezialisierte Auktionshäuser wie beispielsweise Coys oder Artcurial können als Quelle dienen. Bei derlei individuellem Gepäck gilt natürlich: Auf Flugreisen und insbesondere bei Fernreisen immer am Mann führen und niemals am Counter aufgeben. Das wäre so, als würde man kurz vor Ankunft im Flugzeug seinen Füllhalter herum reichen, damit alle Passagiere damit ihre Einreise-Formulare ausfüllen können.
Doch es muss nicht die Weltreise oder Safari sein, um klassischen Reisestil zu leben. Auch die kleinen Wochenend-Touren erfreuen den Reiselustigen. Wer beispielsweise mit seinem ehrenvoll gereiften Geländewagen zum Birdwatching hinaus in die Landschaft fährt, kann natürlich einen edlen Hightech-Feldstecher mit sich führen. Oder aber er zieht ein nostalgisches Pendant aus dem ledernen Köcher. Vielleicht sogar einen von Leica oder Zeiss. Dazu gibt es für die ambitionierte Ornithologen-Runde nach kilometerlanger Wanderung einen Schluck Hochprozentigen aus der handschmeichelnden Field-Flask und kleinen Silberbechern, die im ledernen Futteral mit sich geführt werden. Dann einen frischen Laib Brot aus dem braunen, knisternden Papier hervorholen und dazu die pikante Schweizer Salsiz mit der geschärften Klinge eines alten Taschenmesser aufschneiden, dessen Horngriff warm in der Hand liegt. Das huldigt einfach dem Zauber des Augenblicks. Wunderbar!
Ein ganz besonderes Erlebnis ist ein Picknick im Freien. Es ist nicht nur die fundamentale Antithese zum schrecklichen Fast-Food-Hype des 21. Jahrhunderts. Es ist vielmehr eine eigene Art des Lebens, „savoir vivre par excellence". Besonders angenehm und kultiviert ist es, dieses mit klassischen Picknick-Koffern und Geschirr zu zelebrieren. Hier gibt es wunderbare Stücke aus dem vorigen Jahrhundert: Geflochtene Körbe mit edlen Kristall-Kelchen oder -Flöten, durchdachtem Porzellan-Geschirr und feinem Silberbesteck. Die Picknick-Kultur hatte vor rund 70 bis 100 Jahren ihre Blüte. Vor allen Dingen in England: Man fuhr mit dem Wagen hinaus aufs Land, zum Konzert oder zum Pferderennen. Am Ziel angekommen, wurde direkt neben dem Wagen das Lager aufgeschlagen. Wer es besonders elegant liebte, rollte statt Picknick-Decke auch schon mal den echten Teppich aus, rückte die Feldstühle zurecht und postiere den silbernen Kandelaber auf der Picknick-Trunk.
Wie gesagt: Es ging um Stil, um Kultur. Um die besonderen Momente in freier Natur, die in geselliger Runde zu Stunden oder zu einem ganzen Tag anwachsen konnten. Tatsächlich setzt in Großbritannien seit einigen Jahren wieder eine Bewegung zum klassischen Picknick ein. Und wer dieses im Kreise seiner Freunde erleben möchte, dem seien ebenfalls die Händler von Vintage-Reiseaccessoires empfohlen oder Auktionshäuser wie Bonhams, die immer wieder „Picinic-Auctions" abhalten. Doch auch ein Besuch bei Fortnum & Mason in London kann nicht schaden. Im Gegenteil: Die dortige Picknick-Abteilung am 181 Piccadilly nahe St. James´ und Jermyn Street ist legendär. Hier findet sich für jeden Anlass und jede Runde der richtige „Hamper". Die Koffer „Belgravia" und „Mayfair" beispielsweise sind richtige Klassiker und in Picknicker-Kreisen nationaler Standard. Auch Queen Elisabeth II. nahm bei Fortnum & Mason im März anlässlich ihres diamantenen Thronjubiläums ihren Fortnum-Hamper in Empfang. Es dürfte sicher nicht der erste und vermutlich auch nicht der letzte gewesen sein.
Fotos: Mathias Paulokat bei Antikcenter Suarezstraße in Berlin