Juni
Zu Beginn des Sommers hatte RM Sotheby‘s bei seinem „European Sale“ 96 Autos aus der Marcel Petitjean-Sammlung aufgeboten, die schon drei Monate vorher bei der abgesagten Techno Classica Essen unter den Hammer hätten kommen sollen. Der frühere französische Rennfahrer bot zwar alles ohne Reserve an, aber dennoch waren keine echten Schnäppchen darunter. Sein Mercedes-Benz 300SL von 1958 war mit 759.000 Euro der Spitzenreiter der Auktion, gefolgt von einem Lamborghini Miura von 1968 mit 715.000 Euro. Abgesehen von der Sammlung Petitjean wurden noch über 200 andere Autos aufgerufen, die zu einem totalen Erlös von 19,2 Millionen Euro führten – der größte Erfolg bei einer Online-Auktion von RM Sotheby‘s. Im Vereinigten Königreich bewies H&H mit einem neuen, monatlichen Online-Format, dass man die richtige Strategie für außergewöhnliche Zeiten gefunden hatte. Beispielsweise übertraf der Verkauf eines Lagonda M45 von 1934 mit 188.600 Pfund den Schätzwert um 50 Prozent, ein Ford Escort RS2000 wechselte sogar für 40.000 Pfund den Besitzer.
Juli
Ein weiterer Beleg dafür, dass ernsthafte Käufer nicht unbedingt physisch im Verkaufsraum anwesend sein mussten, war Ende Juli zu erleben, als Silverstone Auctions mit 15,8 Millionen Pfund den höchsten Gesamterlös überhaupt bei einer Auktion erzielte – allein 1,9 Millionen Pfund generierte dabei ein Lamborghini Miura SV von 1972. Auch Historics verzeichnete auf der Insel erfreuliche Resultate mit einer Open-Air-Versteigerung in Windsorview Lakes – einem Veranstaltungsort, der allen Teilnehmern genügend Abstand ermöglichte. Bonhams veranstaltete eine weitere MPH-Auktion in Bicester, bei der ein Bentley 3-Litre von 1927 für 225.000 Pfund unter den Hammer kam. Aber das ganz große Spektakel in diesem Monat fand in den USA statt. Bei Mecum wurde ein Shelby GT350R-Prototyp von 1965 für 3,8 Millionen Dollar verkauft und bei der „European Sale“ von RM Sotheby‘s kam ein Ferrari 275GTB-Leichtbau von 1966 für 1,4 Millionen Dollar unter den Hammer.
August
Es war Zeit für Monterey! Oder auch nicht. Statt der üblichen großen Schau betrat Gooding & Co. als offizieller Versteigerer im Rahmen des Pebble Beach Concours Online-Neuland mit der ersten „Geared Online“-Auktion – und erlöste gleich zum Debüt stolze 3 Millionen Dollar mit einem Ferrari 275 GTB Long Nose und 2,3 Millionen Dollar für einen Enzo. Beide Ergebnisse wurden allerding von RM Sotheby‘s übertrumpft, die 4,3 Millionen Dollar für einen Ferrari 550 GT1 von 2001 erzielten. Damit wurde auch der nächste Online-Rekord aufgestellt. Durchaus erfolgreich war auch Bonhams Versteigerung mit einem Gesamterlös von 12,5 Millionen Dollar und dem Porsche 718 RSK von 1959 als Highlight, der zwar nicht den unteren Schätzwert erreichte, aber dennoch für 2,3 Millionen Dollar unter den Hammer kam.
September
Der Herbst kündigte sich an und alle Augen blickten ins Vereinigte Königreich zur Versteigerung der verschobenen „Passion of a Lifetime“-Privatkollektion, die der belgische Industrielle Hubert Fabri zusammengetragen hatte. Die 15 Lose, die in der Gegenwart eines ausgewählten Live-Publikums während des Concours of Elegance in Hampton Court Palace aufgerufen wurden, erzielten die atemberaubende Summe von 34 Millionen Pfund. An der Spitze standen ein Bugatti Type 59 von 1939, der mit 9,3 Millionen Pfund einen Markenrekord erzielte sowie ein Type 57S Atlantic und Type 35C, die 7,8 Millionen beziehungsweise 3,9 Millionen Pfund einbrachten. Nur ein Auto aus der Privatsammlung suchte vergebens nach einem Käufer – ein Aston Martin DB4 GT Zagato von 1961. Bis 6,3 Millionen Pfund wurden geboten, 700.000 Pfund unter dem Schätzwert. Andere bemerkenswerte Veranstaltungen in diesem Monat waren Artcurials Versteigerung von 170 Autos aus der Sammlung des Franzosen Andre Trigano – vor allem sein Lamborghini 400GT aus Erstbesitz mit 481.600 Euro – und Bonhams Verkauf eines Lamborghini Veneno von 2014 für 8,2 Millionen Schweizer Franken.
Oktober
Bonhams hatte sich für Oktober einiges vorgenommen mit Versteigerungen in Philadelphia, um das Simeone-Automuseum abzulösen – man erzielte 3,3 Millionen Dollar – und im belgischen Zoute, wo man den BMW 507 aus dem Besitz von Prinz Konstantin von Griechenland für annähernd 2,1 Millionen Euro verkaufte. Schließlich ging es noch nach Goodwood. Der Speedweek mit ihren strengen Abstandsregeln und Internet-Streaming, dafür ohne die sonst üblichen Zuschauermassen, war kein großer Erfolg beschieden – obwohl bei Bonhams 5,3 Millionen Pfund erlöst wurden. Auch RM Sotheby‘s Londoner Auktion endete mit einem schwachen Ergebnis. Derweil war die US-Versteigerung des Auktionshauses mit der „Elkhart Collection“ – mehr als 270 Autos und Motorräder aus dem Besitz des Interlogic-CEO Najeeb Khan, die gezwungenermaßen ohne Reserve angeboten wurden – mit dem astronomischen Erfolg von 42 Millionen Dollar im Lauf von zwei Tagen durchaus erstaunlich.
Der Monat kam in New York zu einem äußerst erfreulichen Ende, als Sotheby's die drei Alfa Romeo B.A.T. Concept Cars für 14,8 Millionen Dollar als Teil der renommierten Contemporary Art-Auktion unter den Hammer brachte. Autos und hohe Kunst sind kein Gegensatz mehr.
November
Normalerweise bittet Silverstone Auctions immer zur letzten Veranstaltung des Jahres zur NEC Classic Motor Show. Aber nach auch dieser Absage gab es als Alternative eine Online-Auktion, die von der Midlands-Zentrale des Hauses aus durchgeführt wurde. Zuvor hatte es die Möglichkeit gegeben, die Autos nur nach Verabredung persönlich in Augenschein zu nehmen. Es wurden 7,7 Millionen Pfund erlöst, wobei das Highlight unter den Losen ein BMW M1 von 1980 war, der die Bieter zu einem abschließenden Gebot von 382.500 Pfund enteilen ließ. Außerdem wurden Erinnerungsstücke an den verstorbenen Sir Stirling Moss angeboten – darunter eine Uhr mit einem „abwischbaren“ Armband, das der große Rennfahrer selbst entworfen hatte. Sie fand mit 67.850 Pfund einen neuen Liebhaber.
Dezember
Für viele unterschiedliche Branchen in der Welt bleibt 2020 als „Annus horribilis“ in Erinnerung. Aber dieses schwere Jahr hat auch gezeigt, wie widerstandsfähig der Markt für Sammlerautos tatsächlich ist – und wie engagiert und begeisterungsfähig die Bieterschar. Auch der Jahresabschluss setzte noch einen positiven Akkord: Artcurial erzielte in Paris 2 Millionen Euro, unter anderem mit einem Spitzenlos: ein fantastischer und unrestaurierter AC Ace wechselte für 310.000 Euro den Besitzer. Bonhams schloss das Kapitel 2020 mit einem der wohl attraktivsten Autos ab, das in den letzten zwölf Monaten aufgerufen worden ist: Das Mercury Cougar-Cabrio, das im 007-Film von 1969, „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, einen unvergessenen Auftritt hatte. Es sprengte mit 365.500 Pfund die Schätzung und wurde auch noch mit den saisonal angemessenen Skiern aus der Epoche angeboten.
Auf ein Jahr 2021, in dem vieles wieder leichter werden wird!