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LeJog 2014 – warum hat uns bloß niemand gewarnt?

LeJog 2014 – warum hat uns bloß niemand gewarnt?

Sind Sie vom schnöden Ehe-Alltag gelangweilt? Nicht genug ausgelastet? Hatten seit langer Zeit keine wirklichen Probleme mehr und genossen sehr viel Schlaf? Oder sind Sie vielleicht einfach nur neugierig, wer oder was „LeJog“ sein könnte?

Nun, auf uns, das Team Classic Driver, trifft keiner der oben genannte Fälle zu, als wir vor zwei Wochen zum 20. LeJog antreten – dem Zuverlässigkeits-Jubiläumslauf von Land’s End, dem südlichstem Zipfel Englands, nach John O’Groats, dem nördlichsten Punkt Schottlands. Am 5. Dezember 2014 am Start in Land’s End angekommen, fühlen wir uns bestens vorbereitet, um mit unserem 1978er Range Rover und jeder Menge Werkzeug und Ersatzteilen an Bord durch die Abnahme zu rollen und rechtzeitig zum 30-minütigen Fahrerbriefing zu erscheinen. Wir sind überzeugt davon, dass das, was vor uns liegt, einfach nur eine unvergessliche Sightseeing-Tour durch Englands, Wales' und Schottlands grüne Landschaften wird, die wir mit gleichgesinnten Enthusiasten teilen.

Keine Ahnung, auf was wir uns einlassen

Wir haben zu dem Zeitpunkt wirklich noch keine Ahnung, worauf wir uns einlassen. Dann, beim Black-Tie-Dinner, die erste Überraschung: Hier treffen wir auf eine ganze Reihe sehr erfahrener LeJog-Veteranen, die schon viele Male die Tour absolviert haben. Es sind wohl unsere leicht perplexen Gesichtsausdrücke – am Ende der Tafel sitzend, zwischen all diesen erfahrenen Hasen –, die selbige dazu bewegen, uns schmunzelnd die Frage zu stellen, ob wir denn wüssten, was uns bevorstehe? Unsere ehrliche Antwort – und dabei müssen wir wirklich ahnungslos ausgesehen haben: „Nein, wir haben keine Ahnung!“ Glücklicherweise organisiert Verbindungsoffizier Tony sofort ausreichend Support für uns, um sicherzustellen, dass wir wenigstens den ersten Zwischenstopp am späten Nachmittag erreichen werden.

Verloren, verwirrt, aber entschlossen

Nach einem kurzen Frühstück am nächsten Morgen brechen wir in Land’s End zur ersten Etappe auf und sind gleich überrascht darüber, dass die anderen Teilnehmer mit einem Affenzahn durch die Spezialprüfungen fahren. Die Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 km/h erschien uns eigentlich absolut realistisch. Eine halbe Stunde später, als wir gerade die Hälfte der Prüfung absolviert haben, meldet sich bereits unser Timer – um uns unmissverständlich mitzuteilen, dass wir viel zu langsam sind! Zeit kostet vor allem die Navigation, die nur durch bloßes Erkunden des Terrains durch die Windschutzscheibe und einigen Hinweisen des Co-Piloten erfolgt, der bemüht ist, das sogenannte „Roadbook“ zu entziffern. Schnell wird uns klar, dass unser Bestreben, irgendwo vorne im Feld mitzufahren, dem Untergang geweiht ist. Hätten wir vielleicht doch lieber die „Classic Car Tour“ gewählt, anstatt uns diesem Ultra-Marathon zu stellen? Die Karte auf dem Schoss und den Tripmaster im Blick, lernen wir langsam, wie man das vom Veranstalter täglich servierte Kartenmaterial im Maßstab 1:50.000 richtig liest.

Wir hatten beide schon einmal von der wunderschönen Landschaft Cornishs gehört, doch das Roadbook und die zahlreichen Spezialprüfungen machen uns schnell klar, dass es hier keine Zeit gibt für Sightseeing. Schon werden neue Dokumente und Instruktionen gereicht, und anstatt gemütlich das Abendessen zu genießen – geschweige denn überhaupt irgendeine richtige Mahlzeit während der Fahrt – hängen wir prompt wieder über den Karten. Einige Kilometer der gesamten Tour führen zwar über Autobahnen, doch viele Teilnehmer (auch wir) verpassen die Ausfahrt und verlieren wieder Zeit. Wir sind erneut spät dran. Zu spät, um rechtzeitig am Kotrollpunkt einzuchecken. Wären wir in einem älteren Fahrzeug ohne Allradunterwegs gewesen, hätten wir wahrscheinlich noch eine Chance gehabt, da diese weiter vorne im Feld starten dürfen. Autos, mit Allrad starten grundsätzlich von ganz hinten.

Die Kehrmaschine im Nacken

Ständig die Piloten-Kehrmaschine im Nacken, bleibt uns keine Zeit für Pausen, Fotos, Mahlzeiten oder um eine öffentliche Toilette aufzusuchen. Man muss einfach immer weiter fahren und kann sich darüber freuen, wenn man als eines der Schlusslichter überhaupt einmal einen der anderen Teilnehmer zu Gesicht bekommt. Von Chester aus durchqueren wir sehenswerte englische Landschaften und fahren hinauf nach Carlisle. Wir sind auf dem vorletzten Platz – vor einem Vater-Sohn-Gespann in einer 1985er Mercedes-Benz S-Klasse. Dieses Team bestand darauf, jeden Wegpunkt zu passieren, anstatt einfach abzukürzen, um wieder Anschluss zu bekommen. Letzteres wäre sinnvoller gewesen, auch wenn dafür viele Strafpunkte notiert werden. Aber wir wollen nicht belehrend sein, schließlich sind wir nur einen Deut besser.

Im Norden Englands ist Winter und die Tage sind kurz. Daher ist eine exzellente Beleuchtung – maximal vier Frontscheinwerfer sind erlaubt – ein gutes Investment. Zu unserer unerlässlichen Ausstattung zählen neben dem großartigen Roamer (große Kartenlupe mit Beleuchtung) dreißig Karten im Maßstab 1:50.000, ein Handvoll Stifte, Marker und sogar ein Taschenrechner, der uns bei der Navigation hilft. Da die Herausforderung der Spezialprüfungen vor allem im Navigieren liegt, ist ein Tripmaster – unserer zählt glücklicherweise auch Rückwärts, was uns viele Male von Nutzen war – unverzichtbar.

Nach drei Tagen und 2.600 Kilometern im Ziel

Strahlender Sonnenschein wechselt sich mit schweren Regenfällen und Schneegestöber ab. Teilweise ist der Asphalt vereist. Als wir Schottland erreichen, finden wir uns auf immer schmaleren Straßen wieder, gesäumt von endlosen Steinmauern und schottischen Schafen mit tiefschwarzen Gesichtern. Oben in Kyle of Lochalsh ist die Brücke zur Isle of Skye wegen starken Windes gesperrt. Einige der Teams haben zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon aufgegeben. Aber wir halten irgendwie durch, fahren quer durch Schottland und erreichen schließlich nach drei Tagen und rund 2.600 Kilometern John O’Groats, wo uns bekannte Gesichter, Dudelsackspieler und die Crew mit der altbekannten Kehrmaschine begeistert empfangen. Alle versicherten uns, sie haben nie daran gezweifelt, dass wir bis zum Ende durchhalten.

Als Klassenzweite und 56ste im Gesamtfeld feiern wir unser Resultat mit Stil. Auch sind wir uns einig, dass wir LeJog noch einmal fahren werden – dann vielleicht mit einem etwas leistungsstärkeren Range Rover, aber vor allem mit einer besseren Planung und mehr Wissen über jene Tour, die von den Veranstaltern zu Recht als härteste ihrer Art bezeichnet wird.

Text: Ulrich J. Schödel Fotos: © F&R Rastrelli and HERO / Classic Driver

Wer sich dieser Herausforderung stellen möchte, kann sich hier für LeJog 2015 bewerben.