Die große Ankunft
„Gebt mir ein Mikrofon, ich bin den ganzen Tag hier“, scherzte der Conférencier, während er die vor dem majestätischen Brunnen des Hampton Court Palace aufgefahrenen Stars des diesjährigen Concours of Elegance vorstellte. Unter einem spätsommerlich-sonnigen Himmel rollten die Fahrzeuge und ihre Besitzer – die meisten direkt von der vorangegangenen „Tour of Wessex“ kommend – auf den roten Teppich, wo sie per Handschlag von seiner Königlichen Hoheit, Prince Michael of Kent, begrüßt wurden. Der bekannte Automobilfreund und Schirmherr der Veranstaltung war kurz vor dem Grand Arrival in einem Vorkriegs-Bentley vorgefahren – stilgerecht ausstaffiert mit historischer Fliegermütze.
Faszinierender Rundgang
Der Hampton Court Palace und seine malerischen Gartenanlagen bildeten die perfekte Umgebung für die Präsentation von siebzig der weltweit schönsten und wichtigsten Klassiker aller Epochen. Von der 1896 gebauten Arnold Benz Motorkutsche – angeblich das erste Auto, dessen Fahrer einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung kassierte – bis zu den jüngsten Hybridsupersportwagen von Ferrari und McLaren reichte das imposante Teilnehmerfeld. Zu den Autos, die uns besonders ins Auge fielen, gehörten der glänzendweiße und den Geist des Jet-Zeitalters versprühende Fiat 8V Supersonic, das zierliche OSCA MT4LM Vignale Coupé von 1952 und der 1956 zugelassene Maserati A6G 2000 Grand Sport aus der legendären Baillon Collection, der sein Debüt im Vereinigten Königreich gab. Einige Autos trugen ihre Patina würdevoller als andere – und der Maserati gehörte definitiv zur ersten Kategorie.
Kurioses neben den üblichen Verdächtigen
Neben den Abordnungen großartiger, aber von vielen Veranstaltungen der letzten Jahre leidlich bekannten Alfa Romeo, Bugatti und Ferrari fanden wir die exzentrische Tatra 77 Stromlinienlimousine von 1934 – ein erstes tschechisches Auto bei einem Concours – und Pietro Fruas allererstes Auto, eine Fiat 1100 Barchetta mit Baujahr 1946, besonders erfrischend. Immer wieder erhebend war auch der Anblick puristischer Rennwagen wie einem Jaguar XJR-8 Gruppe C und einem Aston Martin DBR 9, welche mehr durch ihr kompromissloses Design als durch klassische Eleganz begeistern.
Teile des Puzzles
Das Auto mit der fraglos interessantesten „Lebensgeschichte“ war der im Besitz von Sammler Jim Clarke befindliche 1928er Bentley 4½ Litre Victor Broom Drophead. Das Auto war vor drei Jahren in ziemlich heruntergekommenem Zustand in einem Haus im Süden Londons gefunden worden. Vom bekannten Markenexperten Williams Medcalf erworben, wurde es danach einer kompletten Restauration unterzogen, die erst am Morgen des Concours wirklich abgeschlossen war! „98 Prozent des Autos sind original“, betonte Medcalf gegenüber Classic Driver. „Anstatt Teile auszutauschen, benutzten wir 90 Jahre alte Techniken, um so viel wie möglich von der Grundsubstanz zu erhalten.“ Im Übrigen hat er an dem Auto gewisse Dinge entdeckt, die ihm bei anderen Vorkriegs-Bentleys noch nie begegnet waren – und man kann ohne Übertreibung sagen, dass Medcalf schon an vielen gearbeitet hat. „Ich werde den Wagen jedenfalls ausgiebig bei Straßenrallyes ausführen“, kündigte Clarke mit breitem Grinsen im Gesicht an.
Das Jahr des Springenden Pferdes
Ferrari durfte im 70. Jahr der Firmengründung natürlich auch beim Concours of Elegance nicht fehlen. Die rote Brigade umfasste solche Highlights wie den Ex-James Coburn 250 GT „California“ Spyder, Nick Masons Ex-Carrera Panamericana 250 MM und jenen 340 MM Vignale Spyder mit Baujahr 1953, der das von Charles Avalon gestaltete Poster des 2017er-Events zierte. Bei seiner ersten Rückkehr nach Europa nach Verlassen des Werkes trug der 340 MM am Grill die Aufschrift „Aluminium Body“ – ein dezenter Hinweis auf die Fragilität seiner hoch taillierten und bezaubernden Karosserie.
Einkaufstherapie im Classic-Driver-Stil
Im Bereich „Specialist Showcase“ waren auch eine Reihe von Classic-Driver-Händlern präsent. Mit Modellen, die keinen Deut weniger ansprechend als die Autos im Hauptwettbewerb waren. Nicholas Mee & Company fuhr ein Aston Martin-Trio aus DB2, DB4 und einem bildschönen pinken DB6 Volante auf, während Abbeyfield Sports & Classics einen Ex-Prinz Charles Aston Martin Virage Volante 6.3 zeigte. Joe Macari stellte die Breite seines Angebots mit einem direkt neben einem Ferrari 250 GT Lusso geparkten und bedrohlich schwarzen Bugatti EB110 SS zur Schau. Auf dem Stand von Duncan Hamilton & Co feierten wir Wiedersehen mit einem guten alten Freund: Sir Paul Vesteys AC Cobra ’39 PH’, während der Ex-Maurice Charles Jaguar E-type ‘Semi-Lightweight’, den Fiskens nach 30 Jahren in die USA zurück nach England gebracht hat, durch seinen aggressiven Auftritt beeindruckte. Schön zu sehen auch die typisch breite Auswahl an Klassikern von Graeme Hunt und Ben Mitchell von Pendine Historics, der die „Tour of Wessex“ mit seinem skurrilen Gomm-Jaguar Special zurückgelegt hatte.
Last but not least
Exakt um 12 Uhr mittags erfüllte schließlich eine Kakophonie von ohrenbetäubenden Motoren den Hampton Court. Es defilierten jene fünf Jaguar D-type, die 1957 in Le Mans die Plätze 1, 2, 3, 4 und 6 belegt hatten. Nach einer dreitägigen Fahrt mit Startpunkt bei Jaguar Classic Works in Coventry waren die Besitzer und Fahrer sicher nicht unglücklich, nun die verschiedenen Hospitality-Zelte vor Augen zu haben.
Sollten Sie an diesem Wochenende in London oder der näheren Umgebung sein, empfehlen wir wärmstens einen Besuch beim Concours of Elegance im Hampton Court Palace. Es gib nur wenige Events, bei denen man so nah an eine so hochwertige und breite Auswahl von Autos und an deren Besitzer herankommt wie hier. Wir haben in vergangenen Jahren zwar noch besser besetzte Starterfelder erlebt, und jeder hat seine persönlichen Favoriten, doch bleiben die Inhalte die gleichen. Und was den Segen der Queen hat, sollte uns allemal würdig genug sein.
Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2017