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Ist es wirklich in Ordnung, einen Autoklassiker zu individualisieren?

Ist es wirklich in Ordnung, einen Autoklassiker zu individualisieren?

Diese Debatte wird immer intensiver geführt. Aber gibt es schon einen Standpunkt, auf den man sich einigen könnte? Simon de Burton erläutert zunächst seine Meinung. Das Classic Driver-Team beurteilt danach Beispiele für ein Phänomen, das man „Restauration à la mode” nennen könnte.

Wie es dazu kam, weiß ich heute nicht mehr so genau, aber im Jahr 1983 geriet ich zum stolzen Besitzer eines Jaguar XJ6, den ich mir aber als 19-jähriger nicht wirklich leisten konnte. Es war zwar ein wundervolles Auto in Regency Red mit patiniertem, feinsten Leder im Interieur, aber jenseits meiner Mittel. Schweren Herzens habe ich den Jaguar gegen eine Kawasaki mit 250 Kubik und einer rassigen Verkleidung von Ian Dyson eingetauscht.

Wenige Wochen später rief mich der neue Besitzer des XJ6 an, um mir zu zeigen, was er zwischenzeitlich damit gemacht hatte. Langsam und theatralisch hob er das Garagentor und ich bereitete mich darauf vor, angesichts prachtvoll funkelnden Lacks und Chrom vor Neid zu erblassen. Aber es kam ganz anders.

Das Auto, das vorher komplett in Originalzustand war, trug nun eine schlecht aufgetragene Lackschicht in Racing Green und dann auch noch gewaltige, sportlich ausgestellte Radläufe von Broadspeed, die absolut unpassende Leichtmetallfelgen umschlossen.

„Kommt es Ihnen bekannt vor? Das ist John Steeds Auto aus den New Avengers!”, begeisterte sich der Besitzer. Es war eine Schandtat, eine Travestie, ein Sakrileg. Ich war sehr traurig.

Wann ist es angebracht?

Gab es je einen Fall, bei dem das „Customising” eines klassischen Designs gerechtfertigt wäre? Ein Blick auf diese Bilder verrät uns, dass man durchaus Hand anlegen kann an große Formen. Die 911er von Singer sehen nicht nur sehr gut aus, sie fahren sich auch so. Die Interpretation des MKII von Jaguars Designchef Ian Callum unterstreicht nicht nur den Auftritt des Fahrzeugs, sondern macht ihn auch alltagstauglicher. Der wilde Equus Bass Mustang übersetzt den Charakter eines typischen Pony Car der sechziger Jahre in diese Zeit und gibt ihm noch soviel Leistung mit, dass auch ein Carrol Shelby beeindruckt gewesen wäre.

Der Vorschlag für einen BMW E30 M3-„Leichtbau” der britischen Firma Redux verspricht ebenfalls, durch Optimierung ein großartiges Modell noch großartiger zu gestalten. „Für uns zählt vor allem die Hingabe zum Detail,” sagt Gründer Simon Lord. „Wir wollen ergänzen, was BMW seinerzeit geschaffen hat. Deswegen muss unser Design schlüssig sein, dabei aber in Bezug auf Verarbeitung und Leistung die Standards des Herstellers übertreffen.”

Andererseits: Was soll man vom Ferrari 412 halten, der zum Pick-up mutierte? Oder der Pantera, der aufgemotzt wurde, um möglichst modern auszusehen? Ich fürchte, das ist nicht meine Welt. Aber wie der Fall des Mannes, der meinen XJ6 übernahm, beweist, lässt sich auch über automobilen Geschmack streiten. Oder, in den Worten von John Steed: „Ich habe nie viel von Regeln gehalten.”

Und jetzt die Classic Driver-Übersicht zum Thema „Resto-Mod”

Typ 1 - Besser als das Original?

Neben etablierten Spezialisten wie Singer, Emory, Eagle, Twisted und Icon gibt es inzwischen auch einige Newcomer, für die umfassendes und durchdachtes Design sowie Hingabe zum Detail von zentraler Bedeutung sind. Da ist beispielsweise wie schon erwähnt Redux Leichtbau, die ihre Interpretation des M3 der E30-Baureihe im Sinne einer Evolution des Originals - hätte BMW das Thema weiterverfolgt - verstanden wissen wollen. Der „Martini Mustang” von Pure Vision Design entstand dagegen auf der Grundlage eines Gedankenspiels: was wäre gewesen, wenn sich Ford- und Martini-Manager 1965 auf ein gemeinsames Projekt geeinigt hätten?

Man kann immer auf Nummer sicher gehen und das Design belassen, dafür aber Modifikationen am Fahrwerk vornehmen. Mechatronik hat dieses Prinzip bei einer Reihe von klassischen Mercedes-Modellen umgesetzt: Man hat die V8-Motoren von AMG einfach unter der Originalkarosserie eingebaut. Ein Eingriff, der durchaus reversibel ist, sollte es sich der Kunde dann wieder anders überlegen.

Typ 2 - Der schmale Grat

Es verläuft ein schmaler Grat zwischen einer beispielhaften Restaurierung à la mode und einem individualisierten Klassiker, dessen Verwandlung letztlich gescheitert ist. Der De Tomaso Pantera, den sich die Ringbrothers vorgenommen haben, war vielversprechend, enttäuschte aber durch sein minderwertig ausgeführtes Interieur. Auch die Bemühungen der Profis führen nicht immer zum Erfolg: Der Jaguar von Ian Callum hatte ein ähnliches Problem, wie man allein schon am DVD-Player sehen kann. Die Entscheidung von AMG, die legendären Flügeltürer mit modernen Rädern auszustatten, war nichts weniger als eine Travestie des Originals. Trotzdem konnte eines dieser Exemplare im letzten Jahr für 812.000 Euro versteigert werden. Wieder ein Beleg dafür, wie individuell Individualisierung bewertet wird.

Typ 3 - Neustart für Ikonen

Statt einfach nur ein Update eines Klassikers vorzunehmen, entwickeln manche Unternehmen ein völlig neues Design, das allerdings von der Historie inspiriert wurde. Beispiele dafür sind neben dem Equus Bass der Willys AW380 Berlineta, eine Art Neo-Alpine A108, die angeblich auf Porsche-Power setzt, der David Brown Automotive Speedback und der weiterhin lang ersehnte Lyonheart K. Gerade die beiden letzten Projekte bedienen sich bei sehr bekannten Designs und ihre bescheidenen, vom Jaguar XKR entliehenen Unterbauten stehen in keinem Verhältnis zum Endpreis.

Typ 4 - Elektro-Klassiker

Wenn man schon einem Klassiker ein Update verpasst, warum ihn dann nicht gleich für die Zukunft aufrüsten? Vor einigen Jahren wurde eine Reihe von vollelektrischen DeLoreans angekündigt. Vielleicht war es nie mehr als ein frommer Wunsch, denn alle warten immer noch. Es könnte aber sein, dass Renovos Ansatz mehr verspricht, zumal man hier auch noch den Elektroantrieb in eine echte CSX9000-Karosserie packt.

Typ 5 - Wahnsinn mit Methode

Es hat auch immer wieder unkonventionelle Umbauten gegeben, die aktuellen oder zukünftigen Klassikern ein völlig neues Aufgabengebiet zugewiesen haben. Neben dem schon von Simon de Burton erwähnten Ferrari 412-Pick-up gibt es auch noch einen Rolls-Royce Phantom, der in einen Bestattungswagen verwandelt wurde. Eigenartig, wenngleich vermutlich alltagstauglich dürfte auch der Jaguar E-type sein, der mit einem verlängerten Radstand und passendem Anhänger um sich wirbt.

Als wäre das nicht genug der Veredler Kunst, gab es auch noch den „Lady of Luxury” Rolls-Royce Silver Shadow komplett mit integrierter Champagnerbar und DJ-Nische, der im vergangenen Jahr bei Classic Driver angeboten wurde. Sollten Sie eventuell Geld oder verrückte Einfälle im Überfluss haben, dann könnten Sie doch demnächst einen Winkelschleifschneider in die Hand nehmen, um endlich selbst einen „Mad Max Maybach” zu kreieren!

Fotos: Manfacturers, Classic Driver, GF Williams, Drew Phillips