Es war eine folgenschwere Begegnung, die der junge Schweizer Emil Frey Mitte der zwanziger Jahre in England hatte. Der Fahrrad- und Motorradhändler lernte Sir William Lyons kennen und damit war es um ihn geschehen. Er avancierte bald zu einem der ersten Markenvertreter überhaupt von Jaguar, später kamen noch Lagonda und Aston Martin hinzu. Dass heute der 2015 eingeweihte Gebäudekomplex der Emil Frey Classics bis ins kleinste Detail von der legendären Lackfarbe Dunkelgrün geprägt ist, liegt nicht nur an der Ästhetik – es signalisiert vielmehr eine lange, leidenschaftliche Verbundenheit mit der Automobilkultur.
Eine Verbundenheit, die Philip Ringier als Sales Manager und damit verantwortlich für alle Facetten rund um den Handel mit klassischen Fahrzeugen unumwunden teilt – auch wenn es für ihn nicht nur britische Klassiker sein dürfen. Man muss ihm nur lauschen, wenn er von seinem eigenen Lancia Delta Integrale Evo II schwärmt: „Diese Ursprünglichkeit, dieses ungefilterte Fahrerlebnis.” Er erinnert sich noch heute an Ausfahrten mit seinem autobegeisterten Vater und dem unvergesslichen Duftmix aus frisch gemähten Wiesen und Benzin. Er hat nach einer Karriere in der Finanz- und Medienwelt seine Bestimmung gefunden und die Emil Frey Classics in ihrem heutigen Gesicht seit 2013 mit aufgebaut. „Wir sind ein Dienstleister, der einen kompletten Service anbietet, von der Beratung, über Wartung und Pflege bis hin zur Einlagerung der Kundenautos in unserem Oldtimerhotel.” Ein Band des Vertrauens, das durch vom Unternehmen organisierte Ausfahrten sicherlich noch verstärkt wird.
Die ehemalige Textilfabrik beherbergt auch ein Museum, in dem regelmäßig beachtete Ausstellungen stattfinden und wo man neben dem einen oder anderen britischen Juwel auch Exoten wie einen Toyota Corona GT oder einen Mitsubishi Sapporo bewundern kann. Als eine der mittlerweile größten Vertriebsgesellschaften in Europa handelt die Emil Frey AG in erster Linie mit neuen Fahrzeugen, darunter auch japanischen Marken, deren Traditionspflege der Firma ebenso wichtig ist. Aber beim Blick in den Showroom schlägt das Herz doch höher, denn hier stehen aktuell beispielsweise eine Aston Martin Virage Volante von 1993 ebenso wie ein Daimler 5.3 Double Six von 1987 und als legendäre Raubkatze ein Jaguar XK120 OTS von 1951.
Zu den Werkstätten, dem eigentlichen Herzstück von Emil Frey Classics, muss man ein paar Schritte gehen, vorbei an Emil Frey Racing, wo heute schon in der dritten Generation die Renntradition der Familie erfolgreich weitergelebt wird. Welchen Anspruch das noch junge Unternehmen in Sachen Qualität an sich stellt, kann man hier erleben. Vor einigen Jahren hat Walter Frey Roos Engineering gekauft und den renommierten Berner Spezialisten, der die Heritage-Zertifizierung für Lagonda und Aston Martin besitzt, in die Classics-City von Safenwil integriert. Damit können in der umfassend ausgerüsteten Motorenwerkstatt zum Beispiel Reihensechszylinder und V8 komplett gereinigt, repariert und neu aufgebaut werden; außerdem werden sie auf dem hauseigenen Leistungsprüfstand auf Herz und Nieren geprüft. Ausweis dieser Kompetenz ist ein Maserati Vignale Spyder, der umfassend restauriert wurde. Derzeit durchläuft der mit 32 Exemplaren äußerst seltene Aston Martin DB4 Convertible SS aus der Special Series das Classics-Treatment – von der Karosserie bis zum Antriebsstrang. „Er war alt und müde und hatte viel zu erzählen”, lächelt Philip Ringier. Wie akkurat und detailgenau gearbeitet wird, erkennt man schon an den fein säuberlich aufgereihten Rollwagen mit den gekennzeichneten Komponenten des DB4 und maßgefertigten Schutzhüllen – natürlich in British Racing Green.
Der Schweizer Markt, weiß Ringier, ist stark und vor allem von der Binnennachfrage bestimmt. „Viele Schweizer kaufen ihre klassischen Automobile in der Schweiz, nicht zuletzt wegen der sonst erhobenen Zölle”. Deswegen sieht Emil Frey Classics anders als Branchenkollegen in der EU den nahenden Brexit etwas gelassener, obwohl man viele Teile aus Großbritannien bezieht. Diese spezielle, fast insulare Schweizer Tradition ist auch, so Ringier, verantwortlich für die viel gerühmte gute Basis an Mechanikern und der überdurchschnittlichen Qualität der historischen Autos. Als wir uns unterhalten, liegen auf seinem Schreibtisch die Kataloge der Frühlingsauktionen von Bonhams, RM Sotheby’s und anderen Auktionshäusern. „Die Preise haben sich nach dem Hype der letzten Zeit angepasst und stabilisiert“, kommentiert Ringier. „Die exklusiven Autos erzielen weiter die ihnen angemessenen Werte, aber wir beobachten, dass auch die Preise für Aston Martin-Reihen wie DB4, DB5 und DB6 realistischer geworden sind. Wer investiert hat, nur um zu spekulieren, hat das Nachsehen.”
Wie der Lancia Delta wurde auch der Aston Martin Virage lange unterschätzt. Aber seine Stunde schlägt jetzt – wie die anderer Autos aus der aufstrebenden Liga der jungen Klassiker. „Wir beobachten am Beispiel der Youngtimer, dass sich die Sammlertätigkeit verschiebt. Es kommen jüngere Käufer mit anderen Vorlieben, die ihr Auto auch anders nutzen wollen als die Klassiker der fünfziger und sechziger Jahre. Natürlich reizen die modernen Supercars, aber wir wollen uns da betätigen, wo wir uns auskennen. Unsere Expertise und unser Ruf liegen bei den britischen Marken. Dennoch haben wir auch einen Maserati Ghibli und einen Mercedes-Benz SLR im Angebot, weil man im Handel breiter aufgestellt sein kann als in der Werkstatt.” Denn heute sei Spezialisierung gefragt, nicht zuletzt, weil man über ein Netzwerk verlässlicher Partner verfügen muss – allein schon, um Ersatzteile zu besorgen.
Die wachsende Nachfrage nach Youngtimer birgt für Ringier trotz ihrer höheren Produktionszahlen eine künftige Herausforderung. „Wir haben hier bei uns auch die Autoelektriker, die alte englische Zündspulen revidieren können. Aber nehmen wir beispielsweise Einspritzcomputer und Steuergeräte in einem Aston Martin der neunziger Jahre – es gibt sie einfach nicht mehr und man muss sich anders zu helfen wissen.” Wird man angesichts der Bordelektronik dereinst einen LaFerrari oder Veyron überhaupt noch fahrbereit halten können, fragt er sich. Aber von einem ist Philip Ringier überzeugt: „Egal, wie die digitale Entwicklung noch verlaufen mag, man wird auch in 40 Jahren noch junge Enthusiasten finden, die Autos hautnah erleben und sie berühren und fahren möchten.”
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver