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Eine glorreiche Grand Prix Reunion mit allen vier Bugatti Typ 59

Eine glorreiche Grand Prix Reunion mit allen vier Bugatti Typ 59

Während der diesjährigen Monterey Car Week wurden alle vier gebauten Bugatti T59 zum ersten Mal seit 1935 wiedervereint. Wir sprachen mit dem Mann, der das historisch wohl bedeutendste automobile Rendezvous des vergangenen Jahrzehnts arrangiert hat...

In der sagenumwobenen Geschichte von Bugatti gibt es ein Modell, das so schön, technisch so fortschrittlich und so schwer fassbar ist, dass es auf der Wunschliste aller Liebhaber der großen französischen Marke ganz oben steht: der Typ 59. Und das, obwohl diese ultimative Evolution der mit dem T35 begründeten Ära der Molsheimer Grand Prix-Rennwagen keinesfalls der erfolgreichste Rennwagen Ettore und Jean Bugattis war.  

Doch die lange, flache und windschnittige Karosserie, geniale Details wie die Klaviersaiten-Speichenräder und seine Seltenheit – es wurden nur vier Exemplare in Grand Prix-Spezifikation aufgebaut – heben ihn nicht nur über seine Vorgänger, sondern auch über viele seiner zeitgenössischen Rivalen hinaus. Der Zeitpunkt seines Erscheinens – nur wenige Jahre vor Bugattis Niedergang – erhöht seine heutige Begehrlichkeit zusätzlich. Zu den aktuellen Besitzern zählen Ralph Lauren und der Industrie-Designer Marc Newson – muss man noch mehr sagen?

Es ist rund 15 Jahre her, dass Hugh Conways Buch über die Grand Prix-  Bugatti herausgekommen ist. Ein Werk, das einen guten Überblick verschafft, jedoch mit speziellem Blick auf den Typ 59 keine historisch abgesicherten Informationen bietet. Daher hat sich der langjährige Bugatti-Historiker Julius Kruta mit dem weltweit führenden Experten für Grand Prix-Bugatti, Mark Morris, und dem Journalisten Mick Walsh zusammengetan, um zusammen das definitive Buch zum T59 anzugehen. Erscheinen soll es Anfang 2021. 

In einem erstaunlichen Akt an Überredungskunst und logistischem Hexenwerk schaffte es Kruta, im letzten Sommer alle vier Bugatti T59 in Monterey zum ersten Mal seit 1935 an einem Ort wieder zu vereinen. Für ein so wohl nur einmal im Leben realisierbares Fotoshooting, dessen Ergebnis auch im Buch zu genießen sein wird. Rémi Dargegen, der keinen Hehl aus seiner Liebe zu Bugatti macht (er trägt sogar ein T35-Tattoo auf seinem Arm) erhielt die Möglichkeit, dieses bedeutende Gipfeltreffen im Bild festzuhalten. Und Kruta erlaubte uns freundlicherweise, einige der magischen Bilder hier auf Classic Driver und zu unser aller Freude zu veröffentlichen. Und nun rüber zu Ihnen, Julius...

Wie erwachte bei Ihnen die Begeisterung für Bugatti?

Das war Mitte der Achtzigerjahre im Vereinigten Königreich. Als ich jung war, verbrachte ich viel Zeit in England. Entweder in den Sommerferien oder im Rahmen von Schulaustauschprogrammen. Und die Familie, bei der ich wohnte, nahm mich einmal mit zum Bugatti Owners’ Club Meeting beim Prescott Hill Bergrennen. Es war wie eine Reise zurück in die Vergangenheit und ich erkannte sehr schnell, dass sich die Bugatti von allen anderen historischen Fahrzeugen unterschieden. Man nehme nur die Aluminium-Felgen und die vielen Achtzylinder-Reihenmotoren. Bugatti waren immer die Wahl der wahren Kenner.  

Wollten Sie ab dann mehr über die Marke wissen? 

Absolut. In den 1920er- und 1930er-Jahren saßen ja nahezu alle französischen Automobilhersteller im Großraum Paris. Nur nicht Bugatti, was auch mit Ettore Bugattis Biographie zu tun hatte. Er war gebürtiger Italiener und startete sein Unternehmen im damals noch zu Deutschland gehörenden Molsheim – erst nach dem Ersten Weltkrieg ging die Region Elsass/Lothringen ja zurück an Frankreich. Interessanterweise waren es aber Bugattis englische Kunden, die Ettore am meisten verehrten – für sie war er fast so etwas wie ein Halbgott. Man kann also sagen, dass vier große Automobilbaunationen Europas - Italien, Deutschland, Frankreich und England – alle mit der Legende Bugatti verwoben sind. 

Wie kam es zu Ihrer Einstellung beim neuen Bugatti-Eigner Volkswagen? 

Das war ein absoluter Zufall. Ich hatte ein paar Fehler im historischen Teil der zur Premiere der Studie Bugatti EB218 auf dem Genfer Salon von 1999 verteilten Pressemappe entdeckt und rief Bugatti an, um sie darauf aufmerksam zu machen. Daraufhin luden sie mich nach Wolfsburg ein und eröffneten mir, dass sie jemanden suchten, der ihnen mehr über die Geschichte der Marke erzählen könnte. Sie fragten, ob ich meine Dissertation nicht zur Geschichte der Marke verfassen wolle und kurze Zeit darauf, im Jahre 2001, wurde ich zum ersten festen Angestellten der „neuen“ Marke Bugatti in Molsheim. Ich machte alles Mögliche – von Treffen mit Kunden und Terminen mit Journalisten über Klassiker-Rallyes in China bis zur Überwachung unserer Präsenz in Pebble Beach. Bis 2018 leitete ich die Heritage-Abteilung. 

Sie haben sich jetzt ein Buch über den Bugatti T59 vorgenommen– können Sie uns erzählen, was an ihm so besonders ist? 

Der Typ 59 ist ein anachronistisches Auto. Der Abgesang auf den Bugatti Grand Prix-Rennwagen, doch nicht sehr erfolgreich – er gewann nur ein einziges Rennen, den GP von Belgien 1934 mit René Dreyfus, jedoch nur, weil die beiden führenden Alfa Romeo nach einem Unfall (Chiron) beziehungsweise einem Motorschaden (Varzi) ausfielen und sowohl Mercedes wie Auto Union ihre Nennungen zurückgezogen hatten. Es war der letzte große Erfolg für Bugatti auf der Grand Prix-Bühne. 

Der für die 1934 neu eingeführte 750-Kilo-Formel entwickelte Typ 59 war romantisch, da er sich im Grunde kaum vom ikonischen Typ 35 unterschied, den Ettore Bugatti schon 1924 entwickelt hatte. Er hatte ihn nur mit einem besonders starken Doppelnockenwellen-Kompressor-Motor aufgerüstet und ihm zusätzlich eine flachere Karosserie verpasst. Zusammen mit einem längeren Radstand entstand so ein sehr gefälliger Grand Prix-Rennwagen. Die Proportionen sind perfekt, nicht viele Leute können sich bei einer bestimmten Form einig sein, aber der T59 gilt allgemein als ein Meisterwerk. Und auch die Details sind vom Feinsten: Allen voran die „Klaviersaiten“-Speichenräder und das angedeutete Rückgrat des Autos auf dem Heckteil. Ich vergleiche das Auto mit einer feinen und komplexen Schweizer Uhr – ein Genuss fürs Auge und mit wunderschönen Details. Manche würden das Auto als Kunstwerk bezeichnen, doch für mich ist es mehr als das – speziell dann, wenn der Motor zum Leben erwacht!

Warum schreiben Sie ein Buch über den T59?

Es gibt zwar viele Bücher über Bugatti Grand Prix-Rennwagen, doch nicht wirklich viel zum Typ 59. Weil T59-Chassis auch für mehrere andere Modelle, darunter den vom Werk eingesetzten Sportwagen, der dann Le Mans gewann, benutzt wurden, wollten wir ein Werk, das die Zeitspanne zwischen Mitte und Ende der 1930er-Jahre historisch korrekt darstellt. Es wird das erste und letzte Buch zu diesem Thema sein – erschöpfend in allen Details, mit der Entwicklungsgeschichte des Fahrzeugs auf Basis originaler Werksunterlagen. Dazu die Geschichte aller Chassis, Vorkriegs-Rennreportagen und viele bislang noch nicht veröffentlichte Fotos. Es muss für die Bücherwelt sein, was der T59 für die Grand Prix-Welt darstellte. Es wird ein Buch sein, von dem niemand wird sagen können, dass es ihn unberührt gelassen hat.  

Diesen Sommer haben Sie zum ersten Mal seit 1935 alle vier Bugatti T59 an einem Ort zusammen bekommen. Können Sie uns verraten, wie dieses historische Treffen zustande kam?

Alle vier originalen T59, die in den Jahren 1933 und 1934 für das Werk im Einsatz waren, wurden später an Herrenfahrer aus England verkauft und sie haben bis heute alle überlebt. Einer ist noch in England, ein zweiter in Deutschland und zwei stehen nicht weit voneinander entfernt in Garagen an der Ostküste Amerikas. Mit Blick auf das Buch hatten wir die Idee, sie noch einmal an einem Ort zu versammeln – was wir dann in Pebble Beach auch schafften. Zwei Besitzer waren recht leicht zu überreden, die beiden anderen leider nicht. Zu einem reiste ich allein fünfmal, um das Auto nach Monterey zu bekommen.  Daher bezweifele ich, dass wir eine solche ‚Reunion’ zu unseren Lebzeiten noch einmal erleben werden. Ohne Pebble Beach wäre die Reunion nicht möglich gewesen. Nur für diesen weltberühmten Concours waren die Sammler bereit ihre Type 59 zur Verfügung zu stellen. 

Und wie war es? 

Wie gesagt, fast hätte es nicht geklappt! Am frühen Freitagmorgen der Car Week, als wir uns treffen wollten, stand eines der Autos noch im International Tent in Pebble Beach. Es erforderte eine Menge Überredungskunst, um es gegen 5 Uhr dort herauszubekommen. Wir klingelten dazu sogar den obersten Sicherheitschef des Concours aus dem Bett. Nachdem das Auto freigegeben worden war, schafften wir es mit drei Autos noch rechtzeitig vor Sonnenaufgang zum China Rock. Doch noch fehlte Ralph Laurens T59 – ich rief jeden dann, den ich im Lauren-Lager kannte, und man versicherte mir, dass das Auto auf dem Weg sei. Als dann dieses vierte Auto tatsächlich kam, war das eine Riesenerleichterung. Wie ein Geschenk des Himmels, wir hatten unsere Herausforderung bestanden! 

Können Sie das Fahrerlebnis beschreiben? 

Ich habe alle möglichen Grand Prix-Bugatti gefahren und das sind alle sehr gut zu handhabende Autos, die sauber beschleunigen und leicht abzubremsen sind. Doch fürchtet man sich nie vor ihnen. Ich rechnete jedoch nicht damit, dass der T59 so schnell sein würde. Er ist zwar noch leichter zu fahren als ein T35, doch man sitzt tiefer und da ist diese unfassbar lange Haube, daher ist alles etwas einschüchternder. Aber insgesamt kann man das vergleichen mit einem neuen Porsche 911 – alles wirkt irgendwie vertraut. Ist der Typ35 ein Carrera, dann ist der T59 ein Turbo S. Und er produziert auch noch einen fabelhaften Sound. 

Fotos: Rémi Dargegen © 2019 

Sie finden eine Auswahl an Vorkriegs-Bugatti zum Verkauf im Classic Driver Mart gelistet.