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Das große Glück liegt am Steuer dieses bescheidenen Ghia 1500 GT

Das große Glück liegt am Steuer dieses bescheidenen Ghia 1500 GT

Ein eleganter kleiner Ghia 1500 GT sorgt gerade für kontroverse Diskussionen in der CD-Redaktion. Ein Ferrari aus den 60er-Jahren mag bis zu zehn Mal so viel wert sein – doch reicht nicht auch schon solch ein Modell, um authentisches Italo-GT-Feeling zu erzeugen?

„Lebhaftigkeit und Eleganz, Stabilität und Manövrierbarkeit, Zuverlässigkeit und Leichtigkeit” – so umschreibt der 1963 veröffentlichte Pressetext das Profil des Ghia 1500 GT. Jenes hier abgelichteten Coupés, dessen Anblick uns zunächst mit offenem Mund staunen lässt. Denn die Beschreibung könnte treffender nicht sein. Auf Basis der braven Fiat 1500 Limousine entstand hier ein bei Ghia gestyltes Modell, das eine kleine Nische im Programm des Turiner Vollsortimenters füllen sollte – die eines erschwinglichen und eleganten Coupés mit nur zwei Sitzen. 

Der französische Besitzer dieses silbernen 1500 GT, Frédéric Levaux, hat offensichtlich ein Faible für seltene und vor allem erschwingliche italienische Nachkriegs-Sportwagen. Stehen doch in seiner Garage auch noch ein Moretti 750 Spyder von 1958 und ein Siata 300 BC Baujahr 1952. „Ich liebe diese Epoche, in der kleine Karosseriebauer noch Chassis und Motoren kauften und darüber dann eigene Karosserien für ausgewählte Kunden setzten”, bekennt er zu Beginn unseres Treffens mit ihm und dem Ghia GT. „Ich mag die Vorstellung, ein maßgeschneidertes Auto genauso kaufen zu können wie einen maßgeschneiderten Anzug.”

Wenngleich nicht auf dem gleichen Niveau wie Pininfarina, Zagato oder Scaglietti, so genoss doch auch die Carrozzeria Ghia ein gewisses Renommee. 1916 gegründet, zeichnete der Turiner Karosseriebauer für einige der ausgefallensten Automobildesigns des Jahrhunderts verantwortlich. Ganz speziell während des „Jet-Zeitalters” der 1950er-Jahre, in dem Ghia die Supersonic-Karosserien für Fiat (8V), Jaguar (XK120) und Aston Martin (DB2/4) entwarf. 

Das Design des Ghia 1500 GT hatte fast nichts mehr gemein mit der nüchternen Form des Plattformspenders. Ghia kappte den Radstand um einige Zentimeter, rückte Motor und Getriebe zugunsten einer günstigeren Gewichtsverteilung weiter nach hinten und stülpte allem eine hübsche, im Windkanal optimierte und ganz offensichtlich von damaligen Supersportwageninspirierte Karosserie über. Am kleinen Kamm-Heck schimmert Ferrari Lusso durch, das Glashaus erinnert an den Jaguar E-type und die Hüften verraten den Einfluss des Alfa Romeo Disco Volante, wenngleich sie als Folge der kleineren Maße längst nicht so kurvig ausfallen konnten. 

Das Interieur geriet ähnlich exotisch. Leder war von Anfang an optional zu ordern; ebenso das Nardi-Lenkrad. Das Ambiente kommt einem Ferrari SWB in Kleinformat recht nahe – dank einer schönen und direkt im Blickfeld des Fahrers liegenden Uhrensammlung und einem leicht in die Hand fallenden – weil erhöht angebrachten – Schaltknüppel. Besonders angetan waren wir von den halbmondförmigen Gewichten der Anzeigenadeln und dem weit auskragenden Dach, das selbst Sitzriesen bequemen Zugang zum Platz hinter dem Lenkrad verschafft. 

Zugegeben: mit seinem kleinen Vierzylinder, dem simplen Unterbau und den spindeldürren Rädern war der 1500 GT kein Ausbund mechanischer Hochtechnologie. Diesen Anspruch sollte er auch nie erheben, wobei das nicht automatisch auch ein langweiliges Fahrerlebnis zur Folge hatte. Mit 2,2 Millionen Lire lag das Coupé zwar auf einem Preislevel mit Porsches 356, doch hatte Fiat nie eine Massenproduktion geplant. Am Ende verließen 846 Exemplare die Ghia-Werkstätten, sicher werden heute die allermeisten davon nicht mehr existieren. Auch Frédéric Levaux kam nur auf verschlungenen Wegen auf die Spur seines Modells. 

„Ich besuche jedes Jahr die Auto e Moto d’Epoca in Padua, wo man regelmäßig interessante und seltene Italiener sieht”, erzählt er. „Bei der Ausgabe von 2013 sah ich ein elegantes und mir bis dahin unbekanntes Auto – einen Ghia 1500 GT. Er war überrestauriert, aber das Design sprach mich spontan an. Am selben Abend stellte ich noch einige Nachforschungen an. Am nächsten Tag fragte ich den Verkäufer nach dem Auto, das da aber schon verkauft und verschwunden war. Ich war ein wenig frustriert, machte mich aber sofort auf die Suche nach einem anderen Exemplar.” 

Erst nach einigen Monaten fand Levaux dann „sein” Modell, in Deutschland und damals noch grün lackiert. Er kaufte es unbesehen, doch als es in Paris ankam, folgte erst einmal die große Ernüchterung. Es war mechanisch „ausgelutscht” und auch optisch angeschlagen. So gab es keine Alternative zu einer kompetenten und umfassenden Restaurierung. „Ich suchte nach einem wirklichen Experten für dieses Modell, was mich in die Werkstatt von Corrado Patella in Zanè nördlich von Vicenza führte. Herr Patella ist mit seiner Firma Autofficina Omega ein anerkannter Oldtimer-Experte und übernimmt Wartungs- und Restaurierungsarbeiten für zahlreiche prominente Sammler“, so Levaux.

„Erst fragte ich bei ihm nur nach einigen kleineren Arbeiten an, doch am Ende mündete das Ganze dann in eine über 18 Monate gehende Vollrestaurierung”, sagt Levaux. Dabei kam auch die Originalfarbe - Grigio Argento Metalizzato – wieder zum Vorschein. Die man dann auch beibehielt, weil sie einfach super aussah. „Was ich wirklich an der Philosophie von Autofficina Omega mag, ist die Tatsache, dass der Wagen nach Abschluss der Arbeiten nicht überrestauriert wirkt. Ich male mir aus, dass er 1964 genauso ausgesehen hat!“

Dem Ghia bei liegen die originale Zulassungsbescheinigung von 1964 und der Brief mit der Auflistung aller Vorbesitzer. Nach der Restaurierung fuhr Levaux sein neues Baby auf eigener Achse den ganzen Weg zurück nach Paris, über drei Tage und die Schweizer und französischen Alpen. „Es war erstaunlich, aber dieses Auto rief mehr freundliche Blicke und hochgereckte Daumen hervor als jedes andere Modell, das ich zuvor gefahren bin”, berichtet Levaux. Könnte dieser elegante und wie uns versichert wird sehr zuverlässige Ghia 1500 GT also eine würdige und sorgenfreie Alternative zu einem Blue-Chip Ferrari, Maserati oder Aston Martin sein? 

Fotos: Rémi Dargegen © 2019

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