Frühlingserwachen in Genf
Die Automobilsaison 1964 wird traditionsgemäß in Genf eröffnet – und vor allem die Italiener sind darauf bedacht, am Lac Léman eine gute Figur zu machen. Lamborghini zeigt sein erstes Serienmodell: Der von Touring entworfene und karrosserierte 350GT soll vor allem den „Freunden“ bei Ferrari die Schau stehlen. Maranello antwortet einige Messestände weiter mit dem neuen 330 GT 2+2 sowie dem im Rennsport siegreichen 250 GT Lusso Competizione. Doch damit nicht genug: Am Stand von Pininfarina können die Besucher einen ersten Blick auf den ultra-exklusiven Ferrari 500 Superfast werfen. Nur 36 Exemplare sollen gebaut werden. Unser Favorit des Genfer Salons 1964 ist jedoch der Fiat 2300 S Lausanne, eine schnittig-elegante Hommage der Pininfarina-Brüder an die Schweiz. Wie passend.
Zwei Ford-Legenden in New York
Auf der Weltausstellung in New York wird dann im April 1964 eines der beliebtesten und einflussreichsten Automobile des 20. Jahrhunderts gezeigt – der Ford Mustang. Bereits 12 Monate nach der Enthüllung durch Henry Ford II sind bereist 400.000 Exemplare auf amerikanischen Highways unterwegs – dreimal mehr, als Ford vorhergesagt hatte. Im Schatten des Mustangs debütiert auf der Weltausstellung auch ein zweites, noch visionäreres Mobil: der Chrysler Turbine. Entworfen vom italienischen Designhaus Ghia und angetrieben von einem Turbinenmotor, lief die Studie mit nahezu jedem „Treibstoff“ von Diesel über Getreideöl bis Channel No. 5. Für die New Yorker hatte das Autojahr jedoch schon im Frühjahr auf der New York Auto Show begonnen, wo Ford den Prototyp eines neuen Rennwagens mit dem einfachen aber einprägsamen Namen GT40 präsentiert hatte. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass die Welt von diesem Modell hörte.
Porsche, Pininfarinas Pagode und ein besonderer Ferrari in Paris
Auf den Messen von Paris und Turin drängten sich schließlich wieder die Europäer ins Rampenlicht. An der Seine zeigte Renault den stärkeren R8 Gordini in exklusivem „Bleu de France“, während Mercedes-Benz das Ergebnis seiner jüngsten Zusammenarbeit mit Pininfarina vorstellte – das 230 SL Coupé. Leider konnte das elegante Coupé die Vorstände nicht überzeugen, die italienische Pagode blieb ein Einzelstück. Die Kollegen aus Zuffenhausen hatten derweil nicht nur den neuen 904 Carrera GTS dabei, sondern auch die serienreife Version des neuen 901. Kurz nach der Messe legte Peugeot jedoch wegen Copyrights-Verletzung eine Beschwerde gegen den Modellnamen ein – und Porsche sah sich gezwungen, den Newcomer in 911 umzubenennen. Auch Ferrari hatte wieder einige Neuheiten im Gepäck – zu sehen war der neue 275 GTB, der schon bald große Erfolge auf Straße und Rennstrecke feiern sollte, sowie das Schwester-Cabriolet GTS.
Visionäres Turin
In Turin zückte schließlich auch Alfa Romeo seine Trümpfe: Mit dem sportlichen, von Bertone entworfenen Canguro zog Alfa alle Blicke auf sich, während der 2600 Sprint Zagato vor allem das elegante italienische Klientel zu überzeugen wusste. Auch De Tomaso war damals noch ein geläufiger Name auf dem Sportwagenparkett, das in Turin enthüllte Vallelunga Concept sollte jedoch nie den Sprung in die Serie schaffen.
Heute wäre unsere Classic Driver Motor Show 1964 wohl nicht nur eine historische Sensation – angesichts der Preise, die für viele der Klassiker heute aufgerufen werden, dürfte es wohl auch schwierig sein, eine Versicherung zu finden. In jedem Fall war 1964 für die Automobilgeschichte ein außergewöhnlicher Jahrgang.