Perfektion auf der Probe
Von aktuellen Designgrößen wie Ian Callum und Marek Reichman über Bugatti-Präsident Wolfgang Dürheimer und Automobilsammler Nick Mason bis zu Rennfahrer-Helden vom Kaliber eines Derek Bell oder Jacky Ickx – man schaue sich nur die große Zahl einflussreicher Namen an, die in den verschiedenen Jurys von Pebble Beach sitzen, um zu verstehen, warum es sich hier um den prestigeträchtigsten Concours d’Elegance des Planeten handelt. Indem sie mit Expertenblick die auf dem 18. Fairway des Pebble Beach Golf Clubs aufgereihten und hochglanzpolierten Schönheiten begutachten, feiern die Juroren nicht nur die elegantesten Autos aller Zeiten – sondern auch die Kreativität, Ingenieurskunst und Beharrlichkeit jener Persönlichkeiten, die sie erschufen.
Legendes des Highways
Stephen und Kim Brunos Bosley Mark II Interstate Coupé von 1966, welches in der Klasse der amerikanischen Traumwagen der 1960er-Jahre den Pokal für den zweiten Platz gewann, ist ein gutes Beispiel. Sein kurioses, doch gleichwohl imponierendes Styling wurde nicht von einem Designer oder Ingenieur, sondern von einem ambitionierten Gartenbauarchitekten aus Ohio verantwortet. Der damit das neue Interstate Highway-Netz der Vereinigten Staaten durchqueren wollte. Richard Bosley schaffte es zwar nur, dieses einzige und seit Jahrzehnten erstmals wieder gezeigte Exemplar zu bauen, doch spulte er mit ihm stolze 160.000 Kilometer ab.
Das Beste vom Besten
Vorkriegsfahrzeuge haben schon immer die höchsten Ehren in Pebble Beach genossen – und diese Tradition wurde auch bei der 67. Auflage fortgesetzt. Bruce R. McCaws Mercedes-Benz S Tourer von 1929 mit Karosserie von Barker ging als „Best of Show“ vom Platz - und das nur eine Woche nach Beendigung seiner Restaurierung in New Jersey. Tatsächlich war die vorangegangene Tour d’Elegance zugleich die erste Ausfahrt des gerade noch rechtzeitig fertig gewordenen Modells. Müßig zu betonen, dass der Benz die Tour problemlos absolvierte. Im Reigen der Allerbesten verwies der achte Mercedes-Benz „Best of Show“-Sieger den betörend schönen Ferrari 315 S Scaglietti Baujahr 1957 (zufällig im Besitz von McCaws Bruder John) und den königlich-gigantischen Packard 906 Twin Six Dietrich Convertible Victoria von 1932 auf die nächsten Plätze.
Eindrucksvoller Pferdestall
Ein zusätzliches Schulterklopfen verdienten sich die Organisatoren für das vermutlich größte und bedeutendste Aufgebot in der 70-Jährigen Geschichte von Ferrari. Allein vier Klassen waren für das Cavallino Rampante reserviert, darunter „One-off Specials“ und „Major Race Winners“. In der Spezial-Klasse siegte das vom Jet-Zeitalter inspirierte und daher mit Chrom und Heckflossen reichlich gesegnete 250 GT Boano Cabriolet von 1956; bei den Rennwagen erinnerten die Le Mans-Siegerwagen 166 MM, 250 Testa Rossa und der Ex-N.A.R.T. 250 LM an die Ferrari-Dominanz der 1950er- und 1960er-Jahre in der Sarthe.
Wertvolles Metall
So viele seltene und wertvolle Ferrari an einem Ort versammelt zu sehen, war ein wirklich magisches Erlebnis. Da posierte Jim Glickenhaus Dino Competizione gleich neben dem raumschiffartigen 412P, einer Gruppe von 250 GTO und dem unverschämt hübschen 275 GTS/4 N.A.R.T. Spyder. Nun sind wir gespannt, ob das Goodwood Revival und/oder Ferraris 70-Jahre-Abschlussfeier in Maranello den Pebble-Stall mit noch hochkarätigeren Turnierpferden toppen können.
Vorkriegsgrößen beeindrucken noch immer
Die an anderer Stelle geparkten Vorkriegswagen erinnerten in ihren unterschiedlichsten Formen und Stilrichtungen an eine Ära, in der Ingenieure und Entwickler ihrer Kreativität noch ungehemmt freien Lauf lassen konnten. Besonders gefallen haben uns aus dieser Gruppe der 1930 gebaute Bentley Speed Six Gurney Nutting Sports – genannt von Classic Driver Händler Gregor Fisken – und Sir Michael Kadoories Bugatti Type 57S Gangloff Coupé Baujahr 1937. Kaum weniger beeindruckte der wild gestylte Exner Bugatti Roadster by Ghia anno 1966. Lediglich der Bugatti 101, auf dem das Einzelstück basiert, gehört eher nicht zu den großen Hinguckern der Autohistorie. Eine ehrenvolle Erwähnung verdient auch noch unser Freund Simone Bertolero, der La Principessa über den großen Teich brachte und für den Abarth Rekordwagen auch einige Trophäen mitnehmen durfte.
Macher sind offen für Neues
Rémi Dargegen fasst einen weiteren phantastischen Pebble Beach Concours wie folgt zusammen: „Diese Ausgabe war unglaublich! Wer denkt, jeder Pebble Concours gleicht dem vorangegangenen, der irrt. Die Organisatoren finden zur Freude der Besucher immer wieder etwas Neues. In diesem Jahr zum Beispiel Ferrari Formel 1-Wagen aus den 1970er-Jahren – vielleicht nicht alle elegant, aber Meilensteine in der Geschichte der Marke und des Motorsports allgemein. Es mag ein etablierter Schönheitswettbewerb mit langer Geschichte sein, doch die hiesigen Macher sind offen für neue Ideen und haben ein tiefes Verständnis für unsere Passionen.“
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2017