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Ausfahrt im Ferrari 250 GT LWB Tour de France

Ausfahrt im Ferrari 250 GT LWB Tour de France

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Man sage nur „verglaste Scheinwerfer“ oder „einflügeliger Lufteinlass“ und schon spitzt jeder leidenschaftliche Sammler die Ohren. Mit dieser Terminologie und der ebenfalls kaum geläufigen Abkürzung „TDF“ können allenfalls Insider etwas anfangen. Aber unser Autor Steve Wakefield ist überzeugt, dass beim Anblick dieses grandiosen GT selbst der unbedarfteste Betrachter nur ausrufen kann: „Wow, ein Ferrari!“

Niemand bringt die Art und Weise, wie man in Maranello in den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern Rennsportwagen entworfen hat, genauer auf den Punkt als die Ferrari-Autorität Jess G. Pourret: „Ferrari baute keine Rennwagen auf der Basis hoch gezüchteter Serienfahrzeuge, sondern verfuhr genau umgekehrt. Ein Gran Turismo von Ferrari entstand aus der Erfahrung mit Rennmaschinen“. Der zwar maskuline, aber zierlich gezeichnete Ferrari 250 GT drückt genau jene Philosophie aus, und war zugleich ein weiterer Schritt in der Entwicklung der wichtigen GT-Rennsportfamilie, die im unvergleichlichen 288 GTO – sechs Weber-Vergaser, Trockensumpfschmierung und Fünfganggetriebe – ihren Höhepunkt erreichte. Anders ausgedrückt: ein Testarossa mit Dach.

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Die Rennsaga des 250 GT begann im Dezember 1955 als der spanische Aristokrat Alfonso („Fon“) de Portago ein GT-Rennen in Nassau auf den Bahamas gewann. Sein Rennwagen war das erste Beispiel für das Erfolgsmodell: ein von Colombo entwickelter 3-Liter-Motor in einem von Pininfarina entworfenen sportlichen Berlinetta-Coupé. Der Gewinn dieses Rennens war ein Auftakt nach Mass. Mit diesem magischen Mix – ein Ferrari, ein spanischer Edelmann am Steuer und die Exotik Nassaus –entstand ein Nimbus, der von weiteren Siegen genährt wurde. Der Wagen ließ die Konkurrenz abgeschlagen hinter sich und kam allein bei der legendären Tour de France Automobile neunmal als erster durchs Ziel. Die Tour war der ultimative Härtetest, eine chaotische Mischung aus schnellen, zeitgestoppten Rallye-Runden und beinhart umkämpften Rennen in Le Mans, Rouen und Monthléry. Organisiert von der F.F.S.A., einem französischen Rennsportverband, und dem Automobilclub von Nizza, zog der Event viele der renommierten Grand-Prix- und Le-Mans-Piloten an, wie zum Beispiel Stirling Moss, Willy Mairesse, Olivier Gendebien, Jean Guichet oder Jo Schlesser, um nur einige zu nennen. Und die wenig beneidenswerten Rennwagen wurden gnadenlos an ihr Leistungslimit getrieben.

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Immer unter den wachsamen Augen von Ferrari-Vize Gaetano Florino, zählten die 250-GT-Teams zu einem elitären, wenn auch inoffiziellen Club – denn sie durften sich die Nächte um die Ohren schlagen mit dem Ausbessern der lädierten Maschinen: Sie dengelten verbogene Chassis-Teile und hämmerten Endrohre wieder in Form. Einmal kam sogar Maschendraht zum Einsatz, um einen schwer beschädigten Ferrari zumindest für den nächsten Renntag zusammenzuhalten. Sehen Sie mir die lange Einführung nach: Man muss die Vorgeschichte dieses Models, das unter dem Namen 250 GT „Tour de France“ Ruhm erlangt hat, einfach einmal ausführlicher erzählen. Denn nur die schnellsten, robustesten Fahrzeuge konnten sich den Torturen der Tour stellen, die nicht nur fünf bis sechs Tage dauerte, sondern über 5.000 Kilometer durch ganz Frankreich führte.

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Das Exemplar des „TDF“ mit Chassisnummer 1039, das ursprünglich in die USA geliefert wurde und uns nun für eine exklusive Ausfahrt in England bereit steht, ist im Gegensatz zu seinen Stallgefährten aus der heroischen Rennepoche in perfektem Zustand. Er trägt das Ferrari-Classiche-Zertifikat und hat die voll umfängliche Geld-spielt-wirklich-keine-Rolle-Restaurarierung von den Experten bei GTO Engineering erhalten. Alles ist beeindruckend, von der rot-weißen Lackierung bis zum makellosen Armaturenbrett und dem lohfarbenen Lederinterieur aus der Werkstatt des italienischen Meisters Luppi. Der Traumwagen wirkt eindeutig startklar. Verglichen mit anderen klassischen Ferrari, die ich erlebt habe, ist dieser GT eindeutig leichter zu bewegen. Man startet mit der üblichen Sequenz des Zündens und Pumpens, danach dreht man den Zündschlüssel weiter und der aus einer Legierung geformte Zwölfzylinder erwacht zum Leben, verharrt im Leerlauf leise und gleichmäßig abwartend.

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Der Fahrer hat vor sich die Anzeigen und ein großes, schlankes Holzlenkrad. Das Kupplingspedal verlangt nach einem leicht angewinkelten Bein, wenn man es losgelassen hat. Im stationären Zustand ist die Lenkung zwar zunächst schwergängig; nimmt man aber Tempo auf, sorgt das ZF-Lenkgetriebe (wie beim GTO) für präzise, alerte Rückmeldung und einen exzellenten Geradeauslauf, was Gelegenheit gibt, sich auf das Wesentlich zu konzentrieren: Den Motor. Ah, welch ein Genus. 3-Liter-V12 mit 250 PS. Man bewegt den ballförmigen Schaltknauf klackend von einer Übersetzung in die nächste, gibt mit dem Fuß dosiert Gas hinzu – und der Ferrari entfaltet seine volle Faszination. Besser geht´s nicht. Der GT hat zwar kleine Endrohre, aber die nahezu fehlende Isolierung in der Fahrgastzelle sorgt für eine wunderbare Kombination von Umdrehungszahl plus Geschwindigkeit gleich: LÄRM. Großartiger, berauschender Motorenlärm.

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Was das Anhalten betrifft, nun ja, die groß dimensionierten Bremsscheiben waren wahrscheinlich 1958 unerreicht. Heute sind sie gewöhnungsbedürftig. Ein Vorschlag: Jemand der zwischen zwei und zweieinhalb Millionen Euro übrig hat – der Schätzpreis für die Auktion – kann sie dann gerne im Grenzbereich testen. Andererseits darf man davon ausgehen, dass bei einem so hervorragend restaurierten Auto nicht an der Bremsanlage gespart wurde. Ich für meinen Teil möchte den Zeitgenossen erleben, der die filigrane Tür des 250 GT aufschwingen lässt, entsteigt und sich dann nicht umdreht mit diesem letzten, überraschten Blick, der sagt: „Wow, den habe ich gerade gefahren“. Aufgrund seines Produktionsjahres (Achtung: Ferrari-Historiker gefragt!) besitzt der Wagen diese sehr attraktiven sogenannten geschlossenen, aerodynamischen Frontscheinwerfer sowie jenen einzigen Luftauslaß-Schlitz, der hinter den Seitenscheiben ins Chassis geschnitten wurde. Aus jedem Winkel betrachtet ist dieser Ferrari eine blendende Erscheinung. Ich mag besonders die hohen, messerscharf modellierten, fast rohrförmigen Radläufe am Heck. Und das Beste daran: kein Maschendraht.



Der hier vorgestellte Ferrari 250 GT LWB Tour de France kommt bei den RM-Auktionen „Automobiles of London“ am 26. Oktober zur Versteigerung. Weitere Informationen finden Sie im RM's forthcoming 'Automobiles of London' sale on 26 October in the Classic Driver Marktplatz. Unser Dank für die Ermöglichung dieser Fahrt geht an Incarnation und RM Auctions. Text: Steve Wakefield (aus dem Englischen von Alexandra Felts)
Photos: Classic Driver / RM Auctions